# taz.de -- TV-Krimi von Daniel Kehlmann: Vollpension, Mord inklusive | |
> Schriftsteller Daniel Kehlmann und der österreichische Produzent David | |
> Schalko präsentieren einen TV-Krimi. Ihr Film dekonstruiert das Genre. | |
Bild: Komissar Horak und sein Assistent Freitag befinden sich unter den Gästen… | |
Der Schnurrbart stellt gleich klar, dass es sich hier nicht etwa um einen | |
Wiedergänger von Sherlock Holmes handelt. Nein, es kann nur Hercule Poirot, | |
die andere große Dektektivgestalt der vorletzten Jahrhundertwende, sein, | |
der hier Pate stand: „Gestatten, Kommissar Jonas Horak, Kriminalpolizei | |
Wien.“ | |
Was für ein Glück, dass er vor Ort ist, noch dazu in Begleitung seiner | |
ständigen Hilfskraft Freitag, dieser immer mit Notizblock, immer im Anzug, | |
immer gebügelt. Wer unter den Zuschauern sich da fragen sollte, wie dieser | |
Freitag immer gleich parat stehen kann und ob etwa in Österreich alle | |
Kommissare ihren Assistenten in den Urlaub mitnehmen – dafür gibt es am | |
Ende des Films eine durchaus plausible Erklärung, die aber aus | |
ermittlungstaktischen Gründen nicht verraten werden darf. | |
In einem eingeschneiten, von der Außenwelt vorübergehend abgeschnittenen | |
Skihotel ereignet sich ein Todesfall. Von „die Idylle stören“ kann nämlich | |
keine Rede sein. Es ist Klimawandel, die Jüngeren unter den Zuschauern (der | |
Film steht bis 29.2. zum „Streamen“ in der Mediathek) kennen das vielleicht | |
schon gar nicht mehr – eingeschneit sein: „Kein Internet. Kein Telefon. | |
Aber mit den Zimmerpreisen nicht runtergehen. Des kann man sich doch | |
einfach net g'fallen lassen!“ | |
Und in dem Hotel sind die Vorräte aus. Zum Abendessen gibt es nur eine | |
Tasse klare Suppe, ohne Einlage. Aber: „Das sind die Geschäftsbedingungen. | |
Frühstück und zwei warme Mahlzeiten – ist Vollpension. Guten Appetit!“ Die | |
Chefin sieht bei alldem kein Problem: „Die Sauna ist jedenfalls noch in | |
Betrieb. Solange man saunieren kann, ist das kein Notfall.“ Die Stimmung | |
unter den Menschen im Hotel (unter anderen: Sunnyi Melles, Marc Hosemann, | |
Max Moor) ist dennoch angespannt. | |
## Deutscher Neid auf die Österreicher | |
Hat sich möglicherweise einer von ihnen ein bisschen zu sehr aufgeregt, wie | |
das Zimmermädchen mutmaßt: „Ich mein, vielleicht hat er was am Herzen? | |
Vielleicht an Schlaganfall? Wie meine Großmutter. Wir haben sie erst zwei | |
Monate später gefunden.“ „Hat’s allein g’lebt?“, will die Chefin wis… | |
„Na, gar nicht. Im Haus, mit uns.“ | |
Für Humor von der abgründigen Sorte ist also gesorgt. Und der Todesfall | |
entpuppt sich bald auch als Mordfall. Selbstredend bleibt der Mordfall | |
nicht lange im Singular. Denn es handelt sich um eine Standartsituation des | |
Krimigenres, geprägt von Agatha Christie. Diese wird hier von einem | |
genutzt, von dem man bislang gar nicht wusste, dass er ein Krimi-Kollege | |
ist. Obwohl, dass er ein Faible für Räuberpistolen hat, das wusste man | |
spätestens seit seinem jüngsten, als Schelmenroman rezipierten Erfolgstitel | |
„Tyll“. | |
Der [1][Schriftsteller Daniel Kehlmann] („Die Vermessung der Welt“) gibt | |
hier gleich ein doppeltes Autoren-Debüt: als Kriminaler und Urheber eines | |
Originaldrehbuchs für einen Film. Er hat sich dafür zwei versierte Partner | |
ausgesucht: den Produzenten [2][David Schalko, jenen österreichischen | |
Tausendsassa], der auch die Serien „Braunschlag“ und „Altes Geld“ | |
verantwortet, die in Sachen bizarrer Komik Maßstäbe gesetzt haben. Auf | |
letztere sind die Deutschen mindestens so neidisch wie auf [3][Wolf Hass | |
und dessen Brenner-Romane]. Als Regisseur und Hauptdarsteller (Kommissar | |
Jonas Horak) fungiert Karl Markovics, der einst Bekanntheit erlangte in der | |
Rolle des Assistenten des Herrchens von „Kommissar Rex“. | |
Mit „Das letzte Problem“ haben die drei ein das Krimigenre gleichzeitig | |
huldvoll zelebrierendes und lustvoll dekonstruierendes Stück geschaffen, | |
das dem Genre in der Dekonstruktion gerechter wird als alle übrigen | |
Ausgeburten der Krimischwemme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. | |
Da ist es nur konsequent, wenn sie mit der Pointe am Ende – die auch die | |
Erklärung liefert für die Präsenz des Faktotums Freitag, immer im Anzug, | |
immer gebügelt – eine Fortsetzung unmöglich machen. Wenn es am schönsten | |
ist, soll man gehen (mit Charles Trenets „La Mer“ unter dem Abspann). | |
Vorausgesetzt natürlich, man ist nicht eingeschneit. | |
„Das letzte Problem“, Freitag, 20.15 Uhr, Arte | |
31 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Interview-mit-Daniel-Kehlmann/!5046381 | |
[2] /Ganovenroman-von-David-Schalko/!5510553 | |
[3] /Roman-Brennerova-von-Wolf-Haas/!5034402 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
## TAGS | |
TV-Krimi | |
Österreich | |
öffentlich-rechtliches Fernsehen | |
TV-Krimi | |
Wochenendkrimi | |
Daniel Kehlmann | |
Wikipedia | |
Wolf Haas | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
ZDF-Krimi „Stralsund – Blutlinien“: Ein bisschen viel Schema F | |
In Stralsund kennt man sich: Deswegen ist die Leiche natürlich eine | |
Freundin der Kommissarin. Die ermittelt im Samstag-Krimi des ZDF im | |
Alleingang. | |
Magdeburg-„Polizeiruf“: Mechanismen der Sucht | |
Die Süchtigen, das sind nicht immer bloß die anderen. Ein Krimi über die | |
Bedingungen der Abhängigkeit – an der Elbe wunderschönem Strande. | |
Daniel Kehlmanns neuer Roman: Dies ist Literaturliteratur | |
Die Geburt der Literatur aus den Gräueln der Geschichte: Im Roman „Tyll“ | |
führt Daniel Kehlmanns sein akrobatisches Können vor. | |
Plagiatsvorwürfe gegen Kehlmann: Ende der Geschichte | |
Germanistikprofessor Klaus Kastberger hatte suggeriert, dass Daniel | |
Kehlmann aus der Wikipedia abschreibt. Nun entschuldigt er sich. | |
Roman „Brennerova“ von Wolf Haas: Mit seinen Frauen beschäftigt | |
Aus dem Ruhestand wird vorläufig nichts: Wolf Haas lässt seinen Detektiv | |
Brenner diesmal im Wiener Rotlichtmilieu ermitteln. |