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# taz.de -- Roman „Brennerova“ von Wolf Haas: Mit seinen Frauen beschäftigt
> Aus dem Ruhestand wird vorläufig nichts: Wolf Haas lässt seinen Detektiv
> Brenner diesmal im Wiener Rotlichtmilieu ermitteln.
Bild: Sex gesucht, Prostitution gefunden.
Jetzt ist schon wieder was passiert? So beginnt der neue Brenner-Roman von
Wolf Haas nicht, anders als die ersten sechs Bände. „Brennerova“, der achte
Krimi um den gebürtigen Puntigamer Ermittler Simon Brenner, geht gemächlich
los. Der kauzige Polizeipensionär hat sich aus dem Ermittlergeschäft schon
seit einiger Zeit zurückgezogen, jetzt sucht er im Internet nach der Liebe.
Wenige Kapitel später hat Brenner nicht nur einen neuen Fall, sondern auch
gleich zwei Freundinnen, „Eine Freundin in der Wirklichkeit, eine im
Internet. Doppelleben Hilfsausdruck“, und zumindest Letztere wachsen ihm
bald über den Kopf. Denn „wenn du im Internet einen Riesensex ohne
Verantwortung gesucht und als Ergebnis eine Riesenverantwortung ohne Sex
gekriegt hast, dann bist du vielleicht bei den Kleinigkeiten
überempfindlich“.
Als Brenner seine Internetfreundin schließlich in Nischni Novgorod besucht,
muss er feststellen, dass die schöne Nadeshda eigentlich jemanden sucht,
der ihre Schwester Serafima aus den Fängen Wiener Mädchenhändler befreit.
Da kommt ihr der „Kriminalpolizist i. R.“ gerade recht. Bei seiner Suche
nach Serafima gerät Brenner eher zufällig in einen Unterwelts-Kleinkrieg,
an dem der Zuhälter Lupescu samt Leibwächter, der „Rotlichtphilosoph“
Gruntner und der Tätowierer Infra beteiligt sind. Später passiert dann doch
wieder was, und Leichen gibt es auch.
Doch mehr als der Fall beschäftigt Brenner seine Wiener Gefährtin Herta.
Die lässt zuerst nicht locker, was Brenners Einsatz für die Russinnen
angeht, dann will sie ihn zum Heiraten überreden, und später braucht sie
ihn auch noch dringend in der Mongolei.
## Das Spiel mit der Vorhersehbarkeit
Auch der erfahrene Haas-Leser lässt sich immer noch einlullen von diesem
ziemlich viel-wissenden Erzähler, der mit dem Leser per Du ist und sich im
Unbewussten vom Brenner ganz gut auskennt. Der Ton ist österreichisch
allein durch Satzbau und Duktus, stilistisch irgendwo auf einem weiten Feld
zwischen Thomas Bernhard und „Kottan ermittelt“ angesiedelt. Auf
Austriazismen verzichtet Haas dabei weitgehend. Da rutscht allenfalls mal
ein „sekkieren“ durch. Schon gegen „passt“ verwahrt sich der Protagonis…
„Passt ist dem Brenner nicht über die Lippen gekommen, weil er war einer
der letzten Überlebenden aus der Vorpasstzeit.“
Dieses Kunst-Umgangs-Österreichisch mit unvollständigen Sätzen und den
immergleichen Floskeln, den „quasi“ und „Hilfsausdruck“ und „aber
interessant“ führt dazu, dass der Leser den Erzähler und den Ermittler eher
unterschätzt. Denn auf „aber interessant“ folgt nicht immer Interessantes
und auf „Jetzt pass auf“, folgt nicht immer eine Sensation. Doch
andererseits wird es bei Haas oft gerade dann tatsächlich interessant, wenn
das Suadieren die Aufmerksamkeit gerade etwas schwinden lässt. Dann folgen
kleine und große Katastrophen oder hanebüchene Lebensweisheiten. Ebendas,
was die Lektüre so leicht und lustig macht.
Das Spiel mit der Vorhersehbarkeit ist eigentlich eine ganz große Stärke
von Wolf Haas. Leider unterschätzt Haas in „Brennerova“ seinerseits
bisweilen den Leser. Denn wenn zwei Männer mit vier abgehackten Händen in
ein Spital eingeliefert und in zwei Operationssälen verarztet werden, dann
ist die Pointe auch so schon vorhersehbar genug. Da hätte er nicht vorher
schon Hinweise geben dürfen. Wer – in früheren Büchern – einmal über vi…
Seiten einer Kugel auf ihrem Weg durch den Ermittlerschädel folgen oder
eine Enthauptung per Hubschrauberrotor verfolgen durfte, ist eben verwöhnt,
auch was das Timing angeht.
## Mehr Drastik, bitte!
Als Krimi funktioniert dieser Brenner-Roman schlechter als seine Vorgänger.
Brenner stellt das Ermitteln nach den ersten Schritten quasi ein, so
beschäftigt ist er mit seinen Frauen. Wer die sieben anderen Brenner-Romane
kennt, erinnert sich an explodierende Tankstellen, Todesfälle durch
Hubschraubermotoren und überhaupt allerlei skurrile Arten, Menschen ins
Jenseits und ihre Leichen zum Verschwinden zu bringen. Vielleicht liegt es
an Abstumpfung, aber „Brennerova“ hätte etwas mehr Drastik vertragen.
Möglicherweise war Haas da eine Mission im Wege. Denn die rechtlichen und
sozialen Probleme der Prostitution in Wien und Österreich, wohl aus Anlass
des Straßenstrich-Verbots im vorigen Jahr, werden unter den beteiligten
Unterweltgestalten kontrovers diskutiert. So skurril und detailverliebt,
wie Haas etwa die Vorgänge in einer Hähnchenbraterei („Der Knochenmann“)
oder unter rivalisierenden Rettungsdiensten („Komm süßer Tod“) geschildert
hat, gelingt die Rotlichtschilderung nicht.
„Aber jetzt gute Nachricht“: Da ihn das Ermitteln nicht so stark fordert,
kann der Erzähler sich ausschweifend über Brenners Beziehungen und deren
Anbahnung auslassen. Und so lernen wir den sensibelsten Brenner kennen, den
es je gab, einen „Frauentränenumfaller“ erster Güte. Eigentlich ein
Liebesroman.
29 Aug 2014
## AUTOREN
Angela Leinen
## TAGS
Wolf Haas
TV-Krimi
Schwerpunkt Rassismus
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