| # taz.de -- FilmMittwoch in der ARD: Ins Hirn geschissen | |
| > In „Wer hat Angst vorm weißen Mann?“ beobachtet ein Geist eines toten | |
| > Metzgers seine afrikanische Aushilfe. Der Regisseur scheint das Geld zu | |
| > brauchen. | |
| Bild: Die beiden lieben sich und der weiße Mann findet das doof | |
| Wolfgang Murnberger ist nicht mehr gar so jung, aber er scheint das Geld zu | |
| brauchen. Anders ist nicht zu erklären, warum der Regisseur von drei genial | |
| bösen Wolf-Haas-Verfilmungen („Komm, süßer Tod“, „Silentium“, „Der | |
| Knochenmann“) den FilmMittwoch im Ersten in dieser Saison nun schon mit dem | |
| dritten Filmchen dieser harmlos-konstruktiven Sorte beglückt, mit der die | |
| Öffentlich-Rechtlichen ja gerne meinen ihren Programmauftrag erfüllen zu | |
| können. An einen Regisseur mit den Verdiensten Murnbergers möchte man | |
| gewisse Erwartungen haben dürfen. | |
| Und dann das: Erst dieses gut gemeinte, in seiner gedanklichen Schlichtheit | |
| nicht zu unterbietende Feelgood-Machwerk für einen unbefangeneren Umgang | |
| mit Behinderten („So wie du bist“, am 19. 6.). Und dann so eine Posse um | |
| ein vom Museumswärter höchstselbst entwendetes Klimt-Gemälde („Alles | |
| Schwindel“, am 18. 9.). Immerhin eine Ahnung von Anarchie im Witz und vor | |
| allem: ganz ohne erzieherische Absicht. Dieser FilmMittwoch fällt irgendwo | |
| dazwischen. | |
| Brigitte Hobmeier ist leider viel zu selten im Fernsehen zu sehen. Aber | |
| Murnberger fällt nichts Besseres ein, als sie in einem kruden Filmzwitter | |
| zu verheizen, der auf politisch unkorrekte Weise politisch korrekt sein | |
| will. | |
| Das heißt, in der Lesart des Films: Metzgermeister Franz Rissmeyer (Andreas | |
| Giebel) ist kein wirklich bösartiger Alt- oder Neonazi-Rassist. Er ist nur | |
| so ein harmloser kleinbürgerlicher Alltagsrassist. Ein ganz normaler | |
| Münchner Grantler eben. Während er im Krankenhaus war, hat seine Tochter | |
| Zita (Hobmeyer) einen Schwarzen als Aushilfe eingestellt. Rissmeyer: „A | |
| Neger in a Metzgerei! Dir hams wohl ins Hirn gschissen!“ | |
| Die Aufgeregtheit über die Ungeheuerlichkeit wird ihn bald darauf das Leben | |
| kosten. Doch etwas bleibt zurück, sein Geist oder seine Seele. Die als | |
| bitter gedachte Ironie, die den BR wohl auch veranlasst hat, den Film als | |
| „rabenschwarze Komödie“ zu annoncieren: Ausgerechnet der schwarze | |
| Hilfsmetzger, nur Alpha (Tony Mpoudja) kann Rissmeyer in diesem Zustand | |
| noch sehen und hören. | |
| ## Der Rassist ist dann doch für die Gleichberechtigung | |
| Kann sehen, wie er fortan in seinem weißen Metzger-Pyjama in Pumuckl-Manier | |
| mit baumelnden Beinen auf Schränken und Kommoden sitzt. Kann hören, wie der | |
| notorische Misanthrop nach seinem Ableben – Achtung: erzieherische Absicht | |
| – gewahr wird, dass er auf Alpha angewiesen ist. | |
| Und siehe da: „Alpha! Lieber Alpha! Bitte, bitte tu was! Ich werd mich | |
| bessern! Ich versprech’s! Ich bin für die Gleichberechtigung von Schwarzen | |
| und Weißen. In Südafrika.“ Kalauer dieser Sorte – „Nur über meine Leic… | |
| / „Du bist eine Leiche!“ – am laufenden Band. Die etwas altbackene | |
| Tricktechnik soll charmant und augenzwinkernd daherkommen, schon klar. Da | |
| geht es dann auch in Ordnung, dass sich Murnberger mit der alten Filmfrage | |
| nicht weiter aufhält, warum ein Unsichtbarer, der durch geschlossene Türen | |
| läuft und durch massive Mauern greift, nicht durch den Fußboden in den | |
| Keller fällt. | |
| Der Plot, warum Rissmeyers Seele/Geist noch nicht fortkann und wofür er | |
| Alpha braucht: Zitas nichtsnutziger Bruder (Simon Schwarz) und seine | |
| Schnepfe von Frau haben bereits viel von Rissmeyers Geld für eine Pleite | |
| gegangene „Fitness-Bar“ verbraten, nun wollen sie aus der Metzgerei eine | |
| „Club-Lounge“ machen und unterschlagen auch noch das Testament. Und Zita | |
| braucht einen Mann, wofür am Ende natürlich einer allein in Frage kommt – | |
| erzieherische Absicht. | |
| Fazit: Der nächste FilmMittwoch mit Murnberger kommt bestimmt. Und zwar am | |
| 23. Oktober. | |
| 9 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
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