# taz.de -- Spielfilm über das Down-Syndrom: Gut gemeint | |
> „So wie du bist“, ein Film von Wolfgang Murnberger, will Berührungsängs… | |
> mit Behinderten abbauen – und scheitert doch an der zu simplen Botschaft. | |
Bild: Darsteller Sebastian Urbanski in „So wie du bist“. | |
Wenn Filme eine Botschaft haben, haben sie mitunter auch ein Problem. Der | |
Begriff Problemfilm ist deshalb umso passender, gleichwohl er ursprünglich | |
das Problem meinte, dessentwegen der Film missioniert. Der Problemfilm | |
gehörte zum Fernsehspiel der alten Bundesrepublik wie der Frankenwein zum | |
„Internationalen Frühschoppen“. Werner Höfer († 1997) und die alte | |
Bundesrepublik († 1990) sind längst passé, der Problemfilm ist es offenbar | |
nicht. Wie man heute Abend in der ARD sehen kann. | |
Damit hier und jetzt keine Missverständnisse entstehen: Es ist natürlich | |
überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn ein Film zeitnah, zeitkritisch ist, | |
Konflikte aufgreift, Missstände aufzeigt. Ganz im Gegenteil, sonst bliebe | |
überhaupt nur noch die rosarote Degeto- und Pilcher-Hölle. Das Problem, der | |
schlechte Problemfilm fängt da an, wo der Film klüger und weiter sein will | |
als die Gesellschaft, deren Problem er nicht lediglich anprangern will. | |
Genau das wurde dem Problemfilm der alten Bundesrepublik übrigens | |
verschiedentlich vorgeworfen: dass er keine praktikablen Lösungen vorträgt, | |
keine Handlungsrezepte bereitstellt. | |
Wohin aber das Gegenteil führt, wenn also der Problemfilm das Problem in | |
seinen formatierten 90 Minuten, schwuppdiwupp, auch gleich noch konstruktiv | |
lösen zu können meint, genau das kann man heute Abend in der ARD sehen. Es | |
führt direkt in die rosarote Degeto- und Pilcher-Hölle. Hochzeit zum | |
Filmende inklusive. | |
Und das, obwohl die Regie kein geringerer besorgt hat als Wolfgang | |
Murnberger. Dessen Verfilmungen von Wolf Haas’ Brenner-Romanen sind, wie | |
man so sagt, Kult. Sie sind wunderbar destruktiv und herrlich böse. Auf | |
Primetime-Niveau heruntergedimmt böse soll auch „So wie du bist“ anfangen: | |
Die misanthropisch veranlagte Protagonistin (Gisela Schneeberger) beendet | |
nach 40 Jahren ihre Richterlaufbahn in Wien. Die lieben Kollegen haben für | |
einen Präsentkorb (mit Instant-Delikatessen aus dem Asia-Shop) | |
zusammengelegt und verabschieden sie mit warmen Worten: „Wir werden Sie als | |
eine überaus korrekte und gewissenhafte Kollegin in Erinnerung behalten. | |
Prost!“ Subtext: „Wir werden Dich garantiert NICHT vermissen!“ | |
## Die böse Frau und das liebe Mädchen | |
Darauf muss auch die Misanthropin erst mal ein Sektchen trinken, ein Moment | |
der Unachtsamkeit auf der Heimfahrt, schon ist der Schlamassel passiert. | |
Der schwer verletzte Fahrer des anderen Unfallwagens ist alleinerziehender | |
Vater eines jungen Mädchens (Juliana Götze) mit Trisomie 21/Down-Syndrom. | |
Aus Gründen der „Schadensbegrenzung“, der Öffentlichkeitswirkung soll sich | |
die Misanthropin nun um das Mädchen kümmern. Das scheint anfänglich | |
erwartungsgemäß in die Hose zu gehen – aber dann, schwuppdiwupp, wird die | |
Misanthropin der überlegenen Lebensweisheit des Mädchens, das keinen | |
Sarkasmus und keine bösen Gedanken kennt, gewahr. Und, schwuppdiwupp, | |
wandelt sich die ehemalige „Richterin Gnadenlos“ zur mitfühlenden | |
Streiterin für einen unbefangeneren Umgang mit Behinderten. Und zur | |
engagierten Kämpferin für deren Rechte. | |
Apropos Rechte: Dass der gestandenen Juristin über ihre Wandlung zur | |
Missionarin, schwuppdiwupp, auch gleich das Wissen um den obligatorischen | |
Charakter der Zivilehe und den lediglich folkloristisch-rituellen Charakter | |
der kirchlichen Heirat abhanden kommen soll, ist bezeichnend für die | |
Hemdsärmeligkeit eines Drehbuchs (Uli Brée), das da meint, den vermeintlich | |
trockenen Problemfilm mit den Mitteln der Schmonzette mal eben konsumierbar | |
zu machen. Das sich auch nicht entblödet, seine Botschaft holzhammermäßig | |
ausformulieren zu lassen: „Dabei empfinden Menschen mit Down-Syndrom viel | |
intensiver als wir. Wenn alle so fühlen würden wie sie, vielleicht säh’ die | |
Welt ein bisschen anders aus!“ | |
## Nehmt die Menschen ernst! | |
Vielleicht wäre es ein Anfang, Menschen mit Down-Syndrom ernst zu nehmen | |
und nicht mit einer allein kirchlichen Pseudo-Hochzeit zu betrügen. | |
Bleibt noch zu erwähnen, dass der gut gemeinte Film den – laut ARD mit dem | |
Grimme-Preis vergleichbaren – österreichischen Fernsehpreis der | |
Erwachsenenbildung gewonnen hat. | |
Bleibt auch noch, an das 50. Berliner Theatertreffen in diesem Jahr zu | |
erinnern. Der Alfred-Kerr-Preis ging an eine Darstellerin mit Trisomie 21. | |
Die Produktion „Disabled Theater“, in der sie spielte, hat keinen | |
Holzhammer gebraucht, um das Publikum zu bewegen. | |
Mi., 20.15 Uhr, ARD, „So wie du bist“ | |
19 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
## TAGS | |
ARD | |
Down-Syndrom | |
Fernsehen | |
Behinderung | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Staatssender ERT | |
Griechenland | |
ZDF | |
Friedrich Küppersbusch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Behindertenausweis für Kinder: Zwei Buchstaben mehr für Paul | |
Ob ein Kind mit Gendefekt einen Behindertenausweis bekommt, hängt vom | |
Wohnort ab. Eine Mutter kämpft für einheitliches Recht. | |
FilmMittwoch in der ARD: Ins Hirn geschissen | |
In „Wer hat Angst vorm weißen Mann?“ beobachtet ein Geist eines toten | |
Metzgers seine afrikanische Aushilfe. Der Regisseur scheint das Geld zu | |
brauchen. | |
Gericht urteilt über griechischen Staatsrundfunk: Pyrrhussieg für Senderbeset… | |
Die staatliche Medienanstalt ERT muss sofort wieder ans Netz, so das | |
Gerichtsurteil. Doch der Sender wird umgebaut und den Beschäftigten drohen | |
trotzdem Entlassungen. | |
Journalist über griechischen Staatsrundfunk: „ERT ist kein Sanierungsfall“ | |
Der Journalist und Medienexperte Ferry Batzoglou ärgert sich über die | |
Verunglimpfung des öffentlichen Senders ERT und über die Geschenke an die | |
Privaten. | |
100. Ausgabe „Log in“ bei ZDF Info: Sag nicht „Twitter-Tussi“! | |
Mit dem Polittalk „Log in“ versucht das ZDF, Fernsehen und Internet zu | |
verbinden. Das wirkt aber leider häufig sehr bemüht und konfus. | |
WDR-Satire „Tagesschaum“: Fernsehschüler aufgerüttelt | |
Humor als Gleitmittel für eine höhere Wahlbeteiligung: Am Montag startete | |
Friedrich Küppersbuschs Satireshow. Der „Sozialkundelehrer ohne Haare“ | |
erfüllte die Erwartungen. |