# taz.de -- Nazi-Groteske auf der Berlinale: Viel zu relaxt für einen KZ-Häft… | |
> "Mein bester Feind" von Wolfgang Murnberger erzählt die Geschichte des | |
> Nationalsozialismus in Wien. Es scheint, als wäre er vor dem Stoff in die | |
> Knie gegangen. | |
Bild: Der wohlgenährte Moritz Bleibtreu wirkt in dem Nazi-Kostümfilm viel zu … | |
Wolfgang Murnberger, geboren 1960, gehört zu den festen Größen des | |
österreichischen Films. Er absolvierte die Wiener Filmakademie und machte | |
sich einen Namen mit der Verfilmung der Wolf-Haas-Romane. "Komm, süßer | |
Tod", "Silentium" und "Der Knochenmann" sind einer lustiger als der andere | |
und so etwas wie das österreichische Gegenstück zur öfter mal depressiv | |
leidenden Berliner Schule. Mit "Mein bester Feind" hat er sich nun an ein | |
großes historisches Thema gewagt, Antisemitismus und Nationalsozialismus in | |
Wien. | |
Zu Beginn des Films liegen Partisanen mit geschwärzten Gesichtern in | |
dunkler Nacht. Auf dem Rücken liegend schießen sie mit bloßen Gewehren ein | |
deutsches Flugzeug über Polen ab. Aus den Trümmern krabbelt Moritz | |
Bleibtreu. Der Schauspieler soll den jüdischen Wiener Galeristensohn Victor | |
Kaufmann verkörpern, der von seinem besten Freund Rudi Smekal (Georg | |
Friedrich) verraten wurde. Smekal ist bei der SS und soll ihn nun aus einem | |
KZ in Polen nach Berlin bringen. Der Führer braucht eine | |
Michelangelo-Zeichnung, die er unbedingt dem Duce schenken will. Victor | |
Kaufmann, der Jude, weiß vielleicht, wo sich das Original befindet. Smekal | |
soll es herausfinden. Die Michelangelo-Zeichnung hat bündnispolitische | |
Relevanz. | |
Den Flugzeugabschuss überleben lediglich Victor Kaufmann und Rudi Smekal. | |
Und in dieser stürmischen Nacht zwischen deutschen und polnischen Linien | |
wechseln die beiden ihre Identität. Der Jude schlüpft in die SS-Uniform, | |
der SS-Mann unfreiwillig in die Lumpen und die Rolle des KZ-Häftlings. | |
Murnberger inszeniert teilweise gewohnt komisch und ironisch. Hörbar | |
erheitert er sein Publikum. Er arbeitet auch schön das spezifisch | |
österreichische Kriechertum heraus (Smekal: "I hoabs net so leicht ghobt, | |
auf die Buttrseiten zu wechseln wie a Frau"). Doch der wohlgenährte | |
Bleibtreu wirkt in dem Nazi-Kostümfilm viel zu relaxt, um einen jüdischen | |
Häftling nach fünfjährigen KZ-Aufenthalt darzustellen. Darüber täuscht auch | |
ein an Tarantinos "Inglorious Basterds" geschulter Humor nicht hinweg. | |
Es scheint, als wäre Murnberger vor dem übermächtigen Stoff in die Knie | |
gegangen. Schade. In Filmen wie "Der Knochenmann" passte bei Murnberger von | |
der Besetzung bis zum Drehbuch einfach alles zusammen, hier ist das nur | |
halb der Fall. | |
17. 2., 12 Uhr, Friedrichstadtpalast; 22.30 Uhr, Urania. | |
17 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
## TAGS | |
Volker Schlöndorff | |
Schwerpunkt Rassismus | |
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