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# taz.de -- Zu langsam für die Berlinale: Melancholie, fick dich ins Knie
> "Come Rain, Come Shine" zerbröselt eine Liebe (Wettbewerb) mit einer
> Detailverliebtheit und Langsamkeit, die dem Zuschauer schier unerträglich
> wird.
Bild: Ein Paar vor den Trümmern ihrer Ehe.
Eine Autofahrt zum Flughafen, ein Mann, eine Frau - ein verheiratetes Paar.
Sie reden so vor sich hin, eher tonlos. Er macht Pläne zur Veränderung der
Wohnsituation im gemeinsamen Haus. Da rückt sie mit der Sprache heraus: Die
Pläne sind sinnlos, sie hat einen anderen Mann kennengelernt und wird
ausziehen. Sie sagt es, er reagiert kaum. Kein Wutanfall, nicht einmal das
Heben der Stimme. Das ist der Prolog von "Come Rain, Come Shine"
("Saranghanda, Saranghaji, Anneunda"), die Darlegung einer
Ausgangssituation, aus der eine Fortgangssituation wird, in der nichts
weiter Großes passiert.
Von da springt nach dem Vorspann der Film zwar ins Haus. Es wird aber die
letzte größere Bewegung sein, die er macht. In einer Detailverliebtheit und
Langsamkeit, die man gesehen haben muss, um sie glauben zu können,
schleicht von nun an die Kamera um die beiden durch ihren sich auflösenden
Hausstand ebenfalls schleichenden Protagonisten. Sorgfältig werden
Untertassen verpackt, die Frau blättert - das ist sehr hübsch - durch das
Post-it-gespickte Kochbuch, nach dessen Vorgaben sie in den fünf Jahren
ihrer Ehe manche Pasta bereitet haben.
Draußen regnet es die ganze Zeit wie nichts Gutes. Es tropft sogar an einer
undichten Stelle ins Haus. Erst vermerkt es, von der Kamera vermerkt, der
Mann. Dann vermerkt es, von der Kamera vermerkt, die Frau. Das war's dann
aber auch. Es gibt einen Dialog, in dem der Mann sein unfassbar
passiv-defensives Verhalten erklärt: Aufregung ändert ohnehin nichts. Das
eine oder andere über die beiden erfährt man im Lauf der Zeit, die der Film
dem Stillstand mit äußerster Sanftheit abringt: Sie arbeitet in einem
Verlag, er ist Architekt, verdient sein Geld jetzt aber mit eher
kunstgewerblichen Sachen.
Wenn man denkt, dass gar nichts weiter geschieht, sitzt plötzlich ein
Kätzchen im Regen. Auch das Besitzerpaar taucht kurz auf, man plauscht
belanglose Dinge. Erst gegen Ende klärt sich, warum Dieter "Kulinarisches
Kino" Kosslick den Film in den Wettbewerb nahm. Mit der Geduld, die jeder
gute Folterer von Zuschauernerven an den Tag legen muss, wird eine lecker
aussehende Pasta bereitet. "Come Rain, Come Shine" ist koreanisches Slow
Food. Der "Shine" kommt allerdings nie. Und vor meinem inneren Ohr wurde
als Soundtrack zum Film der Refrain eines schönen Songs des Songwriters
Gisbert zu Knyphausen immer lauter: "Melancholie, fick dich ins Knie,
Melancholie".
18 Feb 2011
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
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