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# taz.de -- Auf der Berlinale ist Zeit relativ: Lost in Time
> In "The Future" (Wettbewerb) kreist Miranda July mit Leichtigkeit um
> schwere Fragen. Es ist ein Film voller Erkenntnis, dass sich die Welt
> unablässig weiterdreht.
Bild: Festgefahren: die Beziehung von Jason (Hamish Linklater) und Sophie (Mira…
Die Filme von Miranda July als leicht zu bezeichnen ist ein Lob, hinter dem
sich keinesfalls das versteckte Label "Nett, aber eigentlich belanglos"
verbirgt. Denn auch wenn Julys Erzählton - sei es in ihrem Debüt "Me and
You and Everyone We Know" aus dem Jahr 2005 oder jetzt in "The Future" -
von einer milden Sommerbrise getragen wird, dräuen dahinter doch stets die
großen, existenziellen Fragen.
Deshalb sollte man sich auch nicht allzu sehr davon abschrecken lassen,
dass in "The Future" eine Katze den Off-Kommentar spricht, dass ein kleines
Mädchen scheinbar ohne jeden Grund eine Grube in ihrem Garten gräbt und
sich auch sonst jeder hier irgendwie schrullig verhält. Platt wird das
alles keineswegs.
Der zweite Spielfilm der US-amerikanischen Filmemacherin, Schauspielerin,
Autorin und Künstlerin erzählt die Geschichte eines Slacker-Pärchens Mitte
dreißig. Jason (Hamish Linklater) und Sophie (July) haben sich dazu
entschieden, eine Katze aus dem Tierheim zu adoptieren. Doch bevor sie
Verantwortung für ein anderes Leben übernehmen, möchten die beiden noch
einmal einen Monat frei leben. Jason will Bäume retten, Sophie an einer
YouTube-Tanzperformance arbeiten. Doch die Freiheit auf Zeit erweist sich
als nicht ganz unproblematisch. Das Paar lebt sich zusehends auseinander,
Sophie stürzt sich gleich in eine Affäre.
"The Future" ist ein Film, der gleich um einen ganzen Komplex von Themen
kreist: Es geht um Modelle künstlerischer Wahrhaftigkeit, um Eigen- und
Fremdbilder, um Versagensängste und den Zusammenhang von Innen- und
Außenwelt im Zeitalter der Virtualität. Und es geht um die Relativität von
Zeit. So ist Julys Film voller Momente des Innehaltens, in denen alles
stillzustehen scheint. Auch auf sprachlicher Ebene wird das Konzept von
Zeit und Dauer immer wieder thematisiert. Was für den einen ein kurzer
Augenblick, ist für den anderen eine Ewigkeit.
Als schließlich die Beziehung von Jason und Sophie komplett
auseinanderzufallen droht, bleibt die Zeit dann tatsächlich stehen. Doch
letztendlich muss auch Jason erkennen, dass das keine Lösung ist, dass sich
die Welt, auch wenn das eigene Leben vollständig stillsteht, doch
unablässig weiterdreht. Dies mag eine im Kern banale Erkenntnis sein, doch
die Originalität und Gelassenheit, mit der Miranda July sie uns
präsentiert, machen ihren Film so besonders.
16. 2., 15.30 Uhr, Friedrichstadtpalast, 22.30 Uhr, Urania; 20. 2., 22.30
Uhr Berlinale-Palast.
16 Feb 2011
## AUTOREN
Andreas Resch
## TAGS
Prügel
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