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# taz.de -- Magdeburg-„Polizeiruf“: Mechanismen der Sucht
> Die Süchtigen, das sind nicht immer bloß die anderen. Ein Krimi über die
> Bedingungen der Abhängigkeit – an der Elbe wunderschönem Strande.
Bild: Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) hat Schmerzen
Was für ein Albtraum, der Doreen Brasch (Claudia Michelsen) gleich am
Anfang heimsucht. Sie scheint nicht ganz bei Sinnen, ein fremder Mann
taucht auf – eine rot eingefärbte Sequenz soll wohl bedeuten, dass noch
Blut fließen wird. Wird es.
Der Vorahnungen aber nicht genug: Durchs klingelnde Telefon wach geworden,
greift die Hauptkommissarin erst mal zu Schmerztabletten – sie leidet unter
einer sogenannten Kalkschulter, das ist schmerzvoll, zum Arzt aber will sie
nicht –, und ganz nebenbei kommt eine Dose Pferdesalbe ins Bild. In dem
Krimi „Totes Rennen“ wird es also um Pferde gehen.
Nach diesen ersten Minuten könnte man schon aufstöhnen, weil sich hier ein
dröger, allzu [1][vorhersehbarer Krimi] anbahnt. Doch man hätte Unrecht.
An der Elbe wunderschönem Strande (Tourismuswerbung!) liegt ein Toter.
„Hast du mal eine Ibu“, fragt die Brasch den Kollegen von der Spusi, denn
bei ihrem ersten Soloeinsatz kommt sie ohne Schmerzmittel nicht aus.
Überstrapaziertes Motiv? Wart’s ab, wird später noch wichtig!
## Die Spirale nach unten
Schnell ist die Identität des jungen Mannes festgestellt: Er lebte zuletzt
wieder bei seinen Eltern, getrennt von Frau und Sohn, und hatte Schulden
über Schulden. Und das LKA ist involviert. Allein die Eltern: Sie leben in
einem Haus, gebaut zu DDR-Zeiten im Stil des sozialistischen Klassizismus,
auch Zuckerbäckerstil genannt. Die Ausstattung ist eine Pracht, manche
Dialoge ebenso. Einst als Eiskunstlaufpaar bei Olympia mit dabei, sind die
Eltern Disziplin gewohnt.
Und was macht der Sohn? Genau das Gegenteil. Kriegt sein Leben nicht
gebacken. Die Sucht ist zu groß. Und so führt dieser Polizeiruf in den
tiefen und ekligen Sumpf rund um Sportwetten und Wettbetrug.
Mit „Totes Rennen“ ist Regisseur Torsten C. Fischer ein Krimi gelungen, der
mit seinen Wendungen echt überraschen kann. Doch der Krimi-Plot, und das
ist ja durchaus [2][„Polizeiruf 110“]-typisch, wird durch die soziale
Komponente erst so richtig gut. Eindrücklich werden hier die Mechanismen
der Spielsucht beschrieben – die aufrechterhaltenen Bedingungen, wie das
Psychologen nennen –, die fatalen Auswirkungen auf Familie und Freunde, die
Spirale nach unten. Was für ein Grauen.
Wie anfällig der Mensch für Süchte aller Art ist, verdeutlicht nicht
zuletzt der allzu schnelle Griff zur Schmerztablette durch Hauptkommissarin
Brasch. Oder der zum Wein, zur Schokolade oder was auch immer so zum
Krimigucken passt.
16 Feb 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Andreas Hergeth
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