# taz.de -- Schulbau in Berlin: Ein Parkplatz als Pausenhof | |
> Die Schulbauoffensive sorgt immer wieder für Pannen. In Prenzlauer Berg | |
> müssen 80 Grundschüler*innen mit einem Parkplatz als Schulhof auskommen. | |
Bild: Der nicht sehr einladende provisorische Schulhof der Grundschule im Blume… | |
Die Eltern der Grundschule im Blumenviertel am Volkspark Prenzlauer Berg | |
dachten zunächst an einen schlechten Scherz. Im Sommer 2019 hatte die | |
Schule den lange erwarteten Ergänzungsbau an der Conrad-Blenkle-Straße, auf | |
der anderen Seite des Velodroms, übergeben bekommen. Doch leider, sagt | |
Elternvertreterin Vanessa Remy, habe man dabei offenbar vergessen, dass | |
Kinder auch einen Schulhof für die Pausen brauchen. | |
So steht das zweistöckige Schulgebäude für derzeit rund 80 SchülerInnen | |
mitten auf einem riesigen Parkplatz – der auch weiterhin als solcher | |
genutzt wird. Remy berichtet von rangierenden Lkws, die oft gefährlich nah | |
an den provisorischen Zaun geraten würden. Neulich, sagt Remy, sei das Ding | |
zum dritten Mal umgefallen, „auf den Schulhof“. | |
[1][Die milliardenschwere Schulbauoffensive ist das größte | |
Investitionsprojekt der rot-rot-grünen Koalition]. Über 60 neue Schulen | |
sollen in den nächsten Jahren gebaut werden. Zwar spricht die neueste | |
Bedarfsprognose, die die Bildungsverwaltung vergangene Woche dem Parlament | |
vorlegte, mit Blick auf das amtliche Melderegister von einem „deutlichen | |
Abschwung der Wachstumsdynamik“ in 2020. Allerdings bleibt es – je nachdem, | |
wie pessimistisch man rechnen möchte – bei rund 4.800 bis 9.500 | |
Schulplätzen, die Berlin zum Schuljahr 2021/22 fehlen werden. | |
Das erzeugt Druck, und tatsächlich hat man seit 2017 auch einiges dafür | |
getan, Planungs- und Bauprozesse zu beschleunigen: Man hat Verfahren | |
vereinfacht und Projekte an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge | |
outgesourct. | |
## 2022 soll hier eine massive Grundschule stehen | |
Doch weil der Druck hoch ist, kommt es auch immer mal wieder zu | |
erstaunlichen Pannen wie bei der Grundschule auf dem Parkplatz. Bei der | |
Schulbauoffensive setzen Senat und Bezirke zu einem nicht unerheblichen | |
Teil auf [2][Modulare Ergänzungsbauten, kurz MEBs], die zusätzlich zu den | |
60 Neubauschulen geplant sind. Diese Schulgebäude aus standardisierten | |
Fertigbauteilen, wie auch an der Conrad-Blenkle-Straße, sind fix | |
zusammengesteckt – viel schneller jedenfalls, als eine „richtige“ Schule | |
gebaut ist. Allein für die zweite Jahreshälfte 2019 und das laufende Jahr | |
sind etwa 18 MEBs in Planung, die bis zu 4.200 Schulplätze bringen sollen. | |
Bis 2022 soll hier eine massive Grundschule für 450 Kinder errichtet | |
werden. Doch weil man bis dahin nicht gewusst hätte, wohin mit den Kindern, | |
„hat man die Baureihenfolge umgekehrt“, sagt Elternvertreterin Remy. Will | |
heißen: Erst wurde der Ergänzungsbau gebaut, das Hauptgebäude folgt erst | |
noch. An dem wiederum hängen die Mittel für einen vernünftigen Schulhof und | |
eine Sporthalle.„Was vor allem frustriert, ist, dass sich niemand zuständig | |
fühlt“, sagt Remy. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die den Bau | |
der Grundschule verantwortet, hat das MEB bereits an den Bezirk übergeben. | |
Der ist wiederum nur zuständig für das Gebäude, der Schulhof ist Teil der | |
Baumaßnahme der Senatsverwaltung. | |
Die Eltern haben sich inzwischen beim Deutschen Kinderhilfswerk erfolgreich | |
um Fördergelder für die Gestaltung des provisorischen Schulhofs beworben: | |
Für 20.000 Euro wollen sie unter anderem ein Sonnensegel auf dem | |
schattenlosen Parkplatz aufspannen. Geplant ist auch ein mobiles Sportfeld | |
– als „kleiner Ersatz für die noch nicht vorhandene Sporthalle“, sagt Re… | |
## Kaum ein Bezirk ruft die Mittel für Schulbau ab | |
Pankows Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) lobt das Engagement der Eltern – | |
und ließ sich zitieren, man arbeite „mit Hochdruck“ an einer Lösung. Remy | |
indes ist skeptisch, sie fürchtet, dass die Eltern mit ihrer | |
Eigeninitiative zwischen den Zuständigkeiten aufgerieben werden. Das | |
Sportfeld ist bereits zum Problem geworden, weil die Eltern dafür den Zaun | |
um ein bis zwei Meter verrücken müssten, damit Platz für eine | |
Feuerwehrdurchfahrt bleibt. Doch auch da verweise eine Behörde an die | |
andere. | |
Die Reibungsverluste zwischen Bezirk und Senat macht nicht nur den Eltern | |
um Vanessa Remy zu schaffen, sondern auch der Schulbauoffensive insgesamt. | |
Eine parlamentarische Anfrage an die Bildungsverwaltung hatte kürzlich zum | |
wiederholten Male gezeigt, dass kaum ein Bezirk die zur Verfügung stehenden | |
Mittel für Schulbau abruft. Pankow zum Beispiel hatte in 2019 rund 49 | |
Millionen Euro zur Verfügung, nutzte aber nur 9,6 Millionen – gerade mal | |
19,5 Prozent. | |
Schulstadtrat Kühne betont zwar, man müsse die Zahlen im Zusammenhang | |
sehen: Die 20-30 Millionen Euro, die ein Schulneubau koste, verteilten sich | |
auf etwa fünf Jahre. Und wenn das Verfahren in der Genehmigungsphase bei | |
der Senatsverwaltung festhänge, dann rufe man die erste Rate eben mit | |
Verspätung im nächsten Jahr ab. Doch Kühne sagt auch: „Bei den planenden | |
und genehmigenden Ämtern haben wir einen personellen Knoten.“ | |
## Die Privatwirtschaft lockt | |
Zwar wurden im Bereich Hochbau bei der Senatsverwaltung für | |
Stadtentwicklung 2018/19 47 neue Stellen geschaffen – besetzt werden | |
konnten nur 40. Und, das schreibt die Bildungsverwaltung in ihrer Antwort | |
auf die CDU-Anfrage: „Bei der Bewertung dieser Zahlen ist zu | |
berücksichtigen, dass die Beschäftigtenzahlen einer großen Fluktuation | |
unterliegen. Allein im Jahr 2019 haben die Abt. Hochbau 14 Beschäftigte aus | |
unvorhersehbaren Gründen verlassen.“ In der Regel lockt die besser zahlende | |
Privatwirtschaft. | |
Kühne schlägt deshalb „Paketlösungen“ vor, bei denen mehrere Bauvorhaben | |
grünes Licht vom Haushaltsausschuss des Parlaments bekommen – anstatt dass | |
sich die Bezirke mit jedem Projekt einzeln durch die Planungsprozesse | |
kämpfen. Das wäre auch attraktiver für die Baufirmen, glaubt Kühne, die | |
sich bei der guten Auftragslage die Projekte aussuchen können – und vor den | |
vergleichsweise komplizierten Ausschreibungsverfahren der öffentlichen Hand | |
zurückschrecken „oder 30 Prozent draufschlagen auf ihr Angebot“. | |
Dann allerdings wird der Bau wieder teurer, und die Genehmigungsbürokratie | |
geht von vorne los. Im Juli 2022 soll die Grundschule an der | |
Conrad-Blenkle-Straße stehen, sagt Kühne. Derzeit lägen die | |
Planungsunterlagen bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, er sei | |
optimistisch für einen Baubeginn im Januar 2021. Vielleicht schafft man es | |
ja sogar zwischendurch noch, den Zaun auf dem Parkplatz zu verrücken. | |
10 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Schulbau-in-Berlin/!5611038 | |
[2] /Neue-Turbo-Schulbauten-vorgestellt/!5465092 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
## TAGS | |
Schule | |
Berliner Senat | |
Lkw | |
Schulbau | |
Sandra Scheeres | |
Gemeingut in BürgerInnenhand | |
Howoge | |
Schulbehörde Hamburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zehn Jahre Schulstrukturreform: „Wir müssen einiges ändern“ | |
Nina Stahr, Co-Vorsitzende der Berliner Grünen, über bessere Schulen und | |
Chancengleichheit, Prioritäten und die Verbeamtungsdebatte. | |
Berlin bekommt Schulbaukoordinator: Scheeres' „Troubleshooter“ | |
Die neue Position eines Schulbaukoordinators soll den Schulbau in die | |
Offensive bringen. Tempohomes für Geflüchtete sollen Schulcontainer werden. | |
Schulen bauen mit der Howoge: Schlussstrich unter Schulbau-Streit | |
Das Abgeordnetenhaus beschließt, wie Berlin zukünftig Sanierung und Neubau | |
seiner Schulen organisiert. Was wird da entschieden? Ein Faktencheck. | |
Kaputte Schule: Presse unerwünscht: Spandauer Schulbaudefensive | |
Gewerkschaft und Eltern wollen Journalisten Probleme bei der Schulsanierung | |
an einem Beispiel in Spandau zeigen. Der Bezirksbürgermeister verbietet den | |
Rundgang. | |
Steigende Schüler*innenzahlen: Schulbau im Akkord | |
Schulsenator kündigt Neubau von vier Grundschulen und drei Gymnasien an. | |
Die Linke kritisiert dies und fordert die Neugründung von Stadtteilschulen. |