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# taz.de -- US-Vorwahlen in Iowa: Im Rückwärtsgang nach vorn
> Mit den Wahlversammlungen von Iowa hat die demokratische Kandidatensuche
> begonnen. Bernie Sanders liegt vorne, aber die Partei will ihn nicht.
Bild: WahlkreisleiterInnen bei den US-Vorwahlen in Iowa
New York taz | Joe Biden, so viel war trotz der [1][App-Katastrophe am
Wahlabend in Iowa] klar, hat miserabel abgeschnitten. Der Zentrist,
ehemalige Vizepräsident unter Barack Obama und Mann des Vertrauens des
Demokratischen Parteiapparats, ist der große Verlierer der ersten
US-Vorwahl zu den Präsidentschaftswahlen 2020. Er lag weit abgeschlagen –
hinter dem demokratischen Sozialisten Bernie Sanders, hinter dem
zentristischen Ex-Bürgermeister Pete Buttigieg und hinter der linken
Senatorin aus Massachusetts, Elizabeth Warren. Iowa, Auftaktbundesstaat der
Vorwahlen, hat damit bestätigt, was schon seit Jahren in der Luft liegt:
Die Basis wünscht einen Linksruck.
Bloß will die Parteiführung das nicht wahrhaben. Die Spitze der
Demokratischen Partei will keine staatliche Krankenversicherung für alle,
sie will auch keine Streichung der privaten Schulden, die auf den Schultern
von Hunderttausenden von NiedrigverdienerInnen lasten, und sie will auch
keine drastische Senkung der Militärbudgets. Aber vor allen Dingen will die
Demokratische Partei nichts von der „Revolution“ hören, und von dem
kollektiven „Wir statt ich“-Vorgehen, das Bernie Sanders in seinem
Wahlkampf propagiert.
Seit mehr als vier Jahrzehnten ist der unabhängige Senator aus Vermont
seinen klassisch sozialdemokratischen Prinzipien treu geblieben. Damit war
er sehr lange sehr einsam in den USA. Doch seit dem Ende der Obama-Jahre,
als klar war, dass zwar Millionen Beschäftigte, nicht aber die Wall Street
oder andere Industrien geschwächt aus der Finanzkrise von 2007
hervorgegangen waren, ist Sanders immer stärker geworden.
Angesichts seiner jetzigen zweiten Präsidentschaftskandidatur und seines
wachsenden Zulaufs bei jungen WählerInnen, bei Frauen und bei Leuten aus
den „Minderheiten“ versucht die Demokratische Parteispitze immer neue
Tricks und Intrigen, um ihn zu verhindern. Manchmal geht sie dabei so weit,
dass es wirkt, als wäre sie eher bereit, eine zweite Amtszeit von Donald
Trump in Kauf zu nehmen als einen Präsidenten Sanders.
## Immer neue Intrigen der Demokratischen Parteispitze
Die Wahl-App, die am Montag in Iowa versagt hat, gehört jedoch nicht zu den
Anti-Sanders-Intrigen der Demokratischen Partei. Es war eine [2][technische
Katastrophe, die den Wahlabend vermasselte] und der gesamten Demokratischen
Partei schadet. Die hat schließlich seit ihrer Wahlniederlage von 2016
einen großen Teil ihrer politischen Kampagnen mit der Kritik an
„Einmischungen“ und Hackings und anderen Manipulationen bestritten und sich
selbst regelmäßig als die transparente Alternative zu Donald Trumps
Misswirtschaft angeboten.
Doch wagten wenige Tage vor den Abstimmungen in Iowa, als die
Meinungsumfragen klarmachten, dass Sanders in Führung ging, Mitglieder des
Demokratischen Parteivorstands einen Vorstoß, der sich eindeutig gegen den
demokratischen Sozialisten richtete. Die Partei hatte die Kür ihrer
KandidatInnen nach 2016 reformiert. Die Reform beschnitt die zuvor
unverhältnismäßige Macht der „Superdelegierten“. Das sind
Parteitagsdelegierte, die nicht aus den Vorwahlen in den 50 Bundesstaaten
hervorgehen, sondern vom Parteiapparat ausgewählt werden. Auch sollte die
Reform der Basis mehr Gewicht geben.
Doch in der vergangenen Woche legte das Führungsgremium der Demokratischen
Partei, DNC, den Rückwärtsgang ein und begann eine Diskussion darüber, die
„Superdelegierten“ für den kommenden Parteitag erneut aufzuwerten. Genau
wie die Parteispitze unterstützen auch die „Superdelegierten“ beim
Parteitag die zentristischen KandidatInnen.
## Neue Spiegelregeln für die Präsidentschaftsdebatten
Gleichzeitig erwog das DNC neue Spiegelregeln für die nächsten
Präsidentschaftsdebatten seiner KandidatInnen. Bislang durfte an den
Debatten teilnehmen, wer sich sowohl in Umfragen als auch mit einer hohen
Anzahl von Geldspenden von individuellen UnterstützerInnen dafür
qualifiziert hatte. In beiden Kategorien ist Sanders führend. Vor den
Vorwahlen in Iowa mussten hingegen Julian Castro als auch Cory Booker
aufgeben, weil sie nicht genügend einzelne GeldgeberInnen hatten. Mit den
beiden Männern verschwanden die letzten Vertreter der Latino- und der
afroamerikanischen Minderheiten aus dem demokratischen KandidatInnenfeld.
An ihrer Stelle tauchte ein neuer Kandidat auf, der größeres Vertrauen im
Demokratischen Apparat genießt als Sanders: der New Yorker Multimilliardär
Michael Bloomberg.
Der Medienunternehmer und New Yorker Ex-Bürgermeister kommt wie Sanders
nicht aus der Partei. Bloomberg war Republikaner. Erst im November stieg er
in den Wahlkampf der Demokraten ein.
„Wir können nicht zulassen, dass sich Milliardäre den Weg ins Weiße Haus
kaufen“, kommentierte Sanders im November Bloombergs Wahlkampfauftakt.
Damals ließ auch die Demokratische Parteiführung Bloomberg noch rechts
liegen. Dieser investierte bereits im ersten Monat seiner Kampagne 180
Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen. Da er dennoch kaum Erfolg in
Umfragen hatte und kaum private Spenden akquirierte, genügte das den
Anforderungen für die Teilnahme an den demokratischen Debatten nicht.
Mit der Einführung von neuen Spielregeln würde das DNC den Weg für
Bloomberg in die kommenden Debatten öffnen. Falls Ex-Vizepräsident Joe
Biden weiter im Rückstand bleibt, käme mit Bloomberg eine neue
zentristische Stimme in den Demokratischen Wahlkampf.
## Bernie Sanders mit strahlendem Gesicht
Bislang hat Sanders wenig unter den Intrigen der Demokratischen
Parteispitze gelitten. Auch seine Abwesenheit in den Sendungen der großen
Kabelsender, die zahlreiche kleinere demokratische KandidatInnen häufiger
und länger beschreiben als Sanders, schadet ihm wenig. Was ihm hilft, ist
eine Basis, die jünger, höher motiviert und länger und besser organisiert
ist als alle anderen. Und die eine unvergleichlich starke Präsenz in den
sozialen Medien hat.
Sanders hat oft einen angestrengten, manchmal auch wütenden
Gesichtsaufdruck, wenn er auftritt. Aber am späten Montagabend, als er wie
alle anderen KandidatInnen vor dem Eingang der Wahlergebnisse von Iowa nach
New Hampshire weiterreisen musste, wo am 11. Februar die nächsten Vorwahlen
stattfinden, trat er mit strahlendem Gesicht und völlig entspannt vor seine
Basis. „Irgendwann werden wir die Zahlen hören“, sagte er, „und wir werd…
sehen, dass wir sehr, sehr gut abgeschnitten haben.“
4 Feb 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Dorothea Hahn
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