| # taz.de -- Wenn Twitter mal Spaß macht: Ein guter Tag auf dem Spielplatz | |
| > „Das bisschen Arbeit“ dekonstruiert bei Twitter humorvoll | |
| > Geschlechterbilder. Schön wenn der Spielplatz mal nicht von Profipöblern | |
| > übernommen wird. | |
| Bild: Coole Poser tummeln sich nicht nur auf Spielplätzen, sondern insbesonder… | |
| Twitter ist ein schlechter Ort. Es ist wie dieser Spielplatz früher, auf | |
| dem immer die Großen rumhingen: Es war irgendwie aufregend, dabei zu sein, | |
| wenn sie rauchten, aber am Ende packte einen doch wieder irgendjemand im | |
| Nacken und zwang einen ins rote Seil dieses Riesenkletterspinnennetzes zu | |
| beißen. Nie wieder würde man dahin gehen, schwor man sich auf dem Rückweg, | |
| [1][während der Sand in der Fresse die] Zähne abschmirgelte. | |
| Und dann öffne ich doch wieder Twitter. Und sehe: [2][Das bisschen Arbeit]. | |
| So heißt der Account. Nach dem Vorbild von [3][Man who has it all] werden | |
| hier all die Sprüche, die Frauen zu hören bekommen, einfach umgedreht. | |
| „Lisa (40) fragt: ‚Nachdem mein Mann jetzt ein paar Jahre Teilzeit | |
| arbeitet, macht er sich plötzlich Gedanken um seine Altersvorsorge. Ich | |
| überlege jetzt 50 Euro im Monat auf ein Tagesgeldkonto anzulegen für ihn. | |
| Das müsste doch reichen? Wie geht ihr mit solchen Forderungen um?‘“ | |
| Und dann kommen die ganzen geilen Antworten: „Wenn du sicher sein kannst, | |
| dass es nicht direkt im nächsten Schuhladen ausgegeben wird, dann mach das | |
| doch. Find ich aber eher übertrieben. Im Alter hat er doch dich!!!“ oder | |
| „Ich verstehe gar nicht, wieso er nicht wieder Vollzeit arbeitet. In den | |
| Männerzeitschriften, die er liest, gibt es ständig Beispiele von Männern, | |
| die Familie und Karriere unter einen Hut bringen.“ | |
| ## Wenn man „Familienmutter“ statt „Familienvater“ sagt | |
| Dieser Account erinnert mich daran, wie schön der Spielplatz doch sein | |
| konnte, wenn nicht geprügelt wurde. Wie schön zusammen herumgesponnen | |
| wurde, wie ein Schwarm doch tatsächlich intelligent sein konnte, wie | |
| geistreich und humorvoll Twitter war – bevor es von Profipöblern übernommen | |
| wurde. Und wie schön Klischees dekonstruiert werden, wenn man | |
| „Familienmutter“ statt „Familienvater“ oder „Kinderjunge“ statt | |
| „Kindermädchen“ liest. | |
| Als ich vergangene Woche mit den Kolleg*innen meinen Abschied von der taz | |
| (nicht als Kolumnist) feierte, wollte ich meiner Frau danken. Es gab Zeiten | |
| in der Redaktion, da hatten wir viele Ausfälle und Wechsel im Ressort und | |
| ich war viel zu viel bei der Arbeit. Preußisch-protestantische | |
| Pflichterfüllung oder so. Da hat meine Frau mir wirklich viel Last | |
| genommen. | |
| Nur: Wie sollte ich das ausdrücken? „Danke, dass du mir immer den Rücken | |
| freigehalten hast“? Was denken denn dann alle anderen Gäste, [4][was für | |
| eine patriarchale Beziehung wir führen?] Das klingt so männlich-markant, | |
| als würde ich mir morgens mit der Faust Davidoff Cool Water ins Gesicht | |
| hauen. Das klingt nach: „Danke, dass du all deine Ambitionen hinten | |
| angestellt hast, damit ich Karriere und dicke Kohle und rummachen machen | |
| konnte, wie ich wollte.“ | |
| Ich hab mich dann einfach bedankt und die oben beschriebene Ambivalenz | |
| artikuliert – und mich in einen Witz geflüchtet. Keine Ahnung, ob ich damit | |
| auf dem Spielplatz durchgekommen wäre. | |
| 4 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kolumne-Nach-Geburt/!5497094 | |
| [2] https://twitter.com/dasbisschenarb1 | |
| [3] https://twitter.com/manwhohasitall | |
| [4] /Kolumne-Nach-Geburt/!5605154 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürn Kruse | |
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