# taz.de -- Die Wahrheit: Christbäume auf Rädern | |
> Fahrräder sind die Bulldozer, nein, die Panzer des alltäglichen | |
> Straßenverkehrs. Findet jedenfalls Dirk Spaniel von der AfD. Gut | |
> gekläfft! | |
Nicht im Vollsuff oder auf Panzerschokolade, sondern „nüchtern betrachtet | |
sind Fahrräder in hohem Maße unpraktisch und gefährlich“. Das erklärte Di… | |
Spaniel, ehemals Manager „beim Daimler“ und heute verkehrspolitischer | |
Sprecher der AfD im Bundestag. | |
Der Spaniel ist bekanntlich ein Gute-Laune-Paket, fast immer fröhlich, | |
voller Lebenslust und begeisterungsfähig für nüchterne Betrachtungen. Sein | |
Fell sollte regelmäßig gebürstet werden, vor allem an den Ohren und den | |
Läufen, damit es nicht verfilzt. Was auch für die langen Schlappohren gilt, | |
die regelmäßig auf Parasiten untersucht werden müssen. In seiner Partei | |
gilt er als anhänglich und verspielt. Im Bundestag ist er unermüdlich, | |
liebt das Stöbern und Verfolgen von Spuren. Wenn er Fahrräder sieht, ist er | |
nicht mehr zu halten: „Radfahrer sind die Hauptunfallverursacher im | |
Straßenverkehr.“ | |
Wo er recht hat, der Spaniel, da hat er recht. Ich selbst habe in Berlin | |
zwei Unfälle verursacht, indem ich einen Radweg beanspruchte, den | |
unbescholtene Autofahrer gerade zu queren gedachten. Mit meiner | |
Rücksichtslosigkeit verursachte ich veritable Kratzspuren an teurem Lack. | |
Bei uns führt der schönste und sicherste Weg in die Grundschule durch den | |
Schlosspark. Er ist für Fahrräder gesperrt. Darüber informierten mich | |
neulich zwei Ordnungsgestalten – und wollten mir zur Strafe 25 Euro | |
abknöpfen. In einer Aufwallung von citoyenhaftem Stolz widersetzte ich mich | |
diesem Bescheid. Mit dem Ergebnis, dass ich am Ende 78 Euro blechen musste. | |
Fürs Fahrradfahren im Schritttempo in einem menschenleeren Park. | |
## Hohes Reflexionsniveau | |
Seitdem bringe ich die mir anvertraute Kindergruppe auf erlaubten Wegen zur | |
Schule. Die Kinder sehen aus wie Christbäume auf Rädern. Sie reflektieren | |
und leuchten. Ein Mädchen trägt am Anorak sogar eine Lampe, die grell ihr | |
Gesicht beleuchtet. Nichts sehen und gesehen werden. | |
Unser Weg führt durch eine enge Einbahnstraße, die „für Fahrräder frei“ | |
ist, wovon die entgegenkommenden Stadtgeländewagenfahrerinnen aber nichts | |
wissen – oder nichts wissen wollen –, und über eine stark befahrene | |
Vierspurige, wo Autofahrer regelmäßig rote Ampeln missachten, weil sie in | |
zukunftsfroher Vorwegnahme autonomen Fahrens auf ihren Smartphones lustige | |
Videoclips schauen. Als tückischer Endgegner folgt eine „verkehrsberuhigte“ | |
Straße, durch die verspätete Pendler gern mit unberuhigten sechzig Sachen | |
hindurchpreschen. | |
Der morgendliche Schulweg ist, so gesehen, vergleichbar mit den | |
militärischen Operationen einer unbewaffneten Guerilla. Es gilt, sich im | |
Schutz der Morgendämmerung durch mehrere feindliche Linien zu schlagen. Und | |
es geht um Leben und Tod. | |
Aus der Perspektive von Joseph Goebbels betrachtet, hat der Spaniel also | |
recht: „Wo gehobelt wird, da fallen Späne.“ Und gehobelt werden muss. | |
31 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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