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# taz.de -- Ein Rapper fordert den Staat heraus: Eins auf die Mütze
> Eigentlich ist Bobi Wine Musiker. Doch seit er Präsident Ugandas werden
> will, gilt der Mann mit der roten Mütze als gefährlichster Mann des
> Landes.
Bild: Bobi Wine (Mitte) mit roter Kappe. Die ist inzwischen verboten worden
Es ist eine Tränengaskartusche, die in Uganda die Wahlkampfzeit einläutet.
Sie wird am Montag, dem 6. Januar morgens um 9.30 Uhr abgefeuert, dem
ersten Werktag nach den Weihnachtsferien. Keine halbe Stunde später ist die
sonst so verschlafene Kleinstadt Kasangati, rund 15 Kilometer nördlich
von Ugandas Hauptstadt Kampala, von beißenden Nebelschwaden eingehüllt.
Anwohner, Passanten und Journalisten stieben hustend davon.
Im Nebel zerren vermummte Polizisten eine Handvoll junger Männer mit roten
Mützen aus einem Auto und hieven sie an Händen und Füßen in einen
Polizeiwagen. Unter ihnen befindet sich ein flinker junger Mann im blauen
Anzug mit roter Krawatte und roter Mütze: Ugandas jüngster
Parlamentsabgeordnete Robert Kyagulanyi, besser bekannt unter seinem
Künstlernamen Bobi Wine. Seit 2017 sitzt der im Parlament, und er mischt
dort die dröge Politik in dem kleinen Land gewaltig auf.
Der 37-jährige Jungpolitiker ist Ugandas erfolgreichster Musiker, bekannt
für seine kritischen Rapsongs und die schrägen roten Outfits. „Wenn Lehrer
zu Peinigern werden, wenn Meinungsfreiheit zum Ziel der Unterdrückung wird
– dann wird die Opposition unser Standpunkt“, singt er in seinem Song
„Situka“, übersetzt: „Lehnt euch auf!“.
Bobi Wine braucht keine politische Bühne. Die eingängigen Beats laufen
landesweit in Radios, Bars und den zahlreichen Nachtclubs. Auch außerhalb
der Hauptstadt Kampala füllt er die Fußballstadien. Doch nachdem der Rapper
im Juli vergangenen Jahres seine Kandidatur für die nächsten
Präsidentschaftswahlen angekündigt hat, sind alle seine Konzerte verboten.
## Seine Fans: arbeitslose junge Männer
Seine Fans sind eine amorphe Masse arbeitsloser junger Männer, die durch
Wines Texte politisiert wurden. Drei Viertel der 43 Millionen Ugander sind
unter 30 Jahre alt, sie sind in Frieden und Stabilität aufgewachsen, haben
jedoch in ihrem Leben noch nie einen anderen Präsidenten als dem
amtierenden [1][Yoweri Museveni] erlebt. Sie geben dem Regime die Schuld
für die enorme Jugendarbeitslosigkeit. Für sie ist der 75 Jahre alte
Museveni wie ein Großvater, der sich weigert, in Rente zu gehen. Sie nennen
Wine, der den Alten nun herausfordert, „Ghetto-Präsidenten“, weil er wie
sie in armen Verhältnissen aufgewachsen ist.
Wine ist an jenem Montagmorgen auf dem Weg nach Gayaza, nördlich von
Kasangati – beides verschlafene Durchgangsorte im Speckgürtel Kampalas, in
welchen es zwar Strom gibt, sonst aber nicht viel los ist. Dort warten
Tausende seiner Fans. Doch so weit kommt er nicht. Wine landet mit 15
seiner Gefährten hinter Gittern. Er habe die öffentliche Ordnung und den
Verkehr gefährdet, wie Polizeisprecher Fred Enanga erklärt.
Boby Wine ist aufgrund seiner Herkunft von der Ethnie der Baganda in dieser
Region beliebt. Ein Großteil seiner Songs rappt er in der lokalen Sprache
Luganda, die hier gesprochen wird. Die Reise sollte den Auftakt seiner als
Beratungstour bezeichneten Wahlkampfreise durch das Land werden. Anfang
nächsten Jahres stehen in Uganda Präsidentschaftswahlen an. Wine tritt an,
doch nicht als Vorsitzender einer Partei, sondern einer Bewegung seiner
frustrierten Anhänger, die sich People Power, übersetzt: „Volksmacht“,
nennt.
Am dem Montagmorgen, an dem Boby Wine und seine Mitstreiter in Kasangati in
Haft geraten, startet 20 Kilometer entfernt Präsident Museveni einen 195
Kilometer langen Marsch durch die Dörfer, um des Befreiungskriegs vor 34
Jahren zu gedenken – eine Kampagne, um zu zeigen, dass er noch fit ist und
Wine die Stirn bieten kann. Museveni hat vor 34 Jahren das Land gewaltsam
erobert. Zu Beginn galt er als Reformer, der den Diktatoren des Kontinents
offen auf den Kopf zusagte, sie seien das Problem, warum Afrika nicht
vorankomme. Über 30 Jahre später muss er sich von Wine anhören, er sei der
Grund, warum Uganda nicht vorankomme.
Gekleidet in armeegrüner Uniform und Safarihut, stapft der Staatschef vier
Tage lang mit seinen Anhängern, Generälen und Soldaten zu Fuß durch das
Land. Überall, wo er hinkommt, strömen abertausende, meist ältere Menschen
zusammen. Es wird getanzt und gefeiert. Dabei kommt es zu kilometerweiten
Staus. Von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung ist nicht die Rede.
In den Dörfern hält Yoweri Museveni stundenlange Reden. Er schwelgt in
Erinnerungen an den Freiheitskampf von 1986 und preist Frieden und
Stabilität. Mit erhobenem Zeigefinger erteilt er großväterliche Ratschläge:
Die jungen Leute sollen arbeiten, statt mit ihren Handys „falsche Gerüchte
zu verbreiten“, mahnt er.
## Unter Dauerüberwachung von Geheimagenten
Vor knapp zwei Jahren hatte die ugandische Regierung eine [2][Steuer auf
die Nutzung sozialer Netzwerke] eingeführt. Bei den Aufständen des
Arabischen Frühlings oder den Umbrüchen im Sudan waren diese Medien ein
zentrales Kommunikationsmittel der Protestierenden. Dem will Musevenis
Sicherheitsdienst entgegenwirken. Ugandas Jugend ist seitdem wütend, dass
sie zahlen muss, um online zu gehen. Schon bei der Einführung der Steuer
rief Rapper Boby Wine zu Protesten auf. Die Regierung reagierte hart.
Seitdem stehen vor Wines Haus in einer abgelegenen Seitenstraße am
Stadtrand von Kampala, die mit dem Namen „Freiheitsweg“ bezeichnet ist,
rund um die Uhr Geheimagenten. Selbst wenn er seine Kinder zur Schule
bringe, folgen sie ihm.
So auch an jenem Montagmorgen. Dabei räumt das Wahlgesetz Wine das Recht
ein, als unabhängiger Kandidat die Bevölkerung über sein Programm
aufzuklären. Die Wahlkommission hatte seine landesweite Tour abgesegnet.
Doch als der Kandidat endlich gegen eine Kaution freigekommen ist, sagt er
seine Tour vorerst ab. Anstatt im obligatorischen Anzug im Parlament
aufzutauchen, steigt der Abgeordnete im knallroten T-Shirt in ein Flugzeug.
Sein Ziel: das „Rebel Salute“-Festival auf Jamaika. Dort hisst er die
ugandische Flagge auf der Bühne, bezeichnet seine Heimat als ein Land, in
welchem „40 Millionen Menschen unter Unterdrückung, Gewaltherrschaft und
Diktatur leben“ – eine klare Kampfansage an Museveni.
„Auf der Tour wollten wir die Jugend auffordern, wählen zu gehen, denn wir
wollen einen friedlichen Machtwechsel“, erklärt Fred Nyanzi: „Doch der
Diktator provoziert uns.“ Wines ältester Bruder gilt bei People-Power als
eine Art Patenonkel, denn er hat seinem Bruder vor zwei Jahren geraten,
sein T-Shirt gegen einen Anzug zu tauschen. Damit ist der Wechsel in die
Politik gemeint – im Parlament ist für Männer der Anzug als Dresscode
vorgeschrieben. Nyanzi organisiert die Bewegung, wenn sein Bruder um die
Welt tourt. Sollte Wine nächstes Jahr die Wahl gewinnen, will er
Finanzminister werden.
Noch trägt Nyanzi selbst keinen Anzug, sondern einen roten Pollunder. Er
wirkt jedoch bereits gestresst wie ein Minister, als er durch die Hintertür
eine Reggae-Bar in Kampala betritt und sich vorsichtig umschaut. Ihm folgen
drei junge Männer in T-Shirts und roten Mützen, die seine vielen
Mobiltelefone bedienen.
Fred Nyanzi meidet Wines Musikstudio im Armenviertel Kamwokya, wo die
People-Power-Leute zwischen Mischpulten und Mikrofonen ihr Hauptquartier
eingerichtet haben. Von dort aus werden Facebook- und Twitter-Konten
bespielt, Visitenkarten gedruckt. Das dreistöckige Gebäude entlang der
Hauptstraße, hinter welchem sich windschiefe Wellblechhütten und mit Müll
bedeckte Straßen befinden, wird von Polizisten belagert.
Videoüberwachungskameras sind rundherum installiert. Sobald jemand mit
einer roten Mütze daherkommt, wird er festgenommen. „Wir wollen absichtlich
keine Partei, weil Museveni gut darin ist, alle formellen Strukturen zu
zerstören“, erklärt Fred Nyanzi die Strategie seines Bruders. So wird der
Wahlkampf zum informellen Katz-und-Maus Spiel, ganz wie in der Comicserie
„Tom und Jerry“.
Präsident Museveni verfügt über einen gewaltigen Sicherheitsapparat, der
ihm persönlich hörig ist. Dafür sorgt sein Sohn und Sicherheitsberater, der
45-jährige General Muhoozi Kainerugaba. Ihm wird nachgesagt, er sei als
Nachfolger Musevenis auserkoren, um die Familie an der Macht zu halten.
Deutlich wurde Kainerugabas Rolle bei einer Nachwahl für das Parlament, als
Anhänger von Boby Wine Steine auf sein gepanzertes Auto warfen. Dabei wurde
ein Rücklicht beschädigt. Als Antwort traf eine Kugel Wines Fahrer. Er
starb auf der Stelle. Der Kandidat Wine wurde anschließend aus seinem
Hotelbett gezerrt und abgeführt. Nach mehrwöchigem Krankenhausaufenthalt
berichtete er, er sei an den Genitalien gefoltert worden.
Die derzeitige Krise mit einer rebellierenden Jugend gilt nicht nur als ein
Generationenkonflikt, sondern lässt sich auch als Streit innerhalb der
jungen Generation begreifen: zwischen den Gewinnern des Systems von
Präsident Museveni und den Verlierern. Kainerugaba vertritt dabei die
Kinder derjenigen Generäle, die mit Museveni das Land kontrollieren und
deren Schützlinge auf teuren Privatschulen in den USA oder Europa studiert
haben. Diese junge Machtelite will nun in die Fußstapfen ihrer Väter
treten. Doch Boby Wine macht ihnen das streitig. „Ich garantiere, wer auch
immer Uganda durcheinanderbringen will, wird einen schlechten Tag erleben“,
warnte Kainerugaba jüngste via Twitter. Sofort reagierten seine Gegner von
People-Power: „Du hast wohl zu viel Donald Trump geguckt, General!“
## Das Rote-Mützen-Verbot
Boby Wines Bruder Fred Nyanzi weiß um den mächtigen Sicherheitsapparat.
Täglich hetzt er zwischen Polizeistationen, Gerichtsgebäuden und
Krankenhäusern hin und her, um People-Power-Anhänger aus dessen Fängen
herauszuboxen. Ende September hat die Regierung das Tragen roter Mützen
verboten, Kennzeichen der Bewegung. Sie seien allein der Armee vorbehalten,
lautete das Argument. Der Modedesigner Amdan Semokombader, der die
selbstgeschneiderten Mützen verteilt hatte, wurde festgenommen. Nach
Nyanzis Angaben habe ihn ein Gericht zwar freigesprochen, doch noch vor dem
Gerichtsgebäude sei er erneut verhaftet worden.
„Wir nennen das Poly-Tricks anstatt Politics“, sagt Nyanzi und erklärt,
dass People Power nicht mehr an Politik glaube. Die Leute in Anzügen seien
einfach „durch und durch korrumpiert“. Ugandas Jugend bringe Musikstars
mehr Vertrauen entgegen als Parteien. „Doch jetzt versucht Museveni genau
das zu sabotieren“, warnt Nyanzi.
Dann überreicht ihm einer seiner Rotmützen ein klingelndes Handy. Nyanzi
stürmt los zu einer Krisensitzung ins Hauptquartier. Erneut ist ein
People-Power-Musiker zur Partei von Präsident Museveni übergelaufen, gibt
er zu. Es ist bereits das fünfte führende Mitglied, das innerhalb von drei
Monaten die Seiten wechselt.
## Der Designer der roten Mützen
„Ich habe Angst vor dem Chaos, das auf uns zukommt“, gibt Latif Madoi zu
und zieht an seinem Joint. Der international bekannte Designer und
Reggaemusiker in grünen Jogginghosen, buntem Hemd und Rastazöpfen runzelt
die Stirn. Als einer der ältesten Freunde Wines und Mitgründer von People
Power gehört er zu den T-Shirt tragenden Leuten. Madoi kann sich noch gut
an 1986 erinnern, als Musevenis Kämpfer die Hauptstadt Kampala einnahmen
und seine Familie fliehen musste: „Ich will nicht, dass meine Kinder
dasselbe erleben.“
Der 42-Jährige sitzt auf einem Plastikstuhl im Hof seiner Kunstakademie in
Kawanda, einem abgelegenen Dorf zwischen Bananenhainen und Maisfeldern,
rund 30 Kilometer außerhalb der Hauptstadt. Er kennt Bobi Wine seit rund 20
Jahren. Damals traf sich Ugandas junge Künstlerszene immer dienstagsabends
im Nachtclub DV8 in Downtown Kampala zur Karaoke-Show: Bobi übte sich am
Mikrofon, Latif Madoi kam mit den Outfits daher. Es war die Geburtsstunde
jener Clique von Musikern und Designern, aus der People Power
hervorgegangen ist.
Noch bis vor einem Jahr hatte Latif Madoi sein Atelier in Kamwokya nahe dem
People-Power Studio. „Doch da gab es ständig Tränengas“, klagt er. Desweg…
habe er sich zurückgezogen. Seine neu eröffnete Kunstschule liegt weit weg
vom Chaos der Vorstadtghettos, wo er mit Wine groß geworden ist. In der
Werkstatt hocken ein Dutzend Mädchen hinter ratternden Nähmaschinen.
Graffiti-Künstler haben die Wände in knalligen Farben bemalt, die Bühne und
der Laufsteg im Innenhof sind mit bunten Stoffen verziert.
Latif Madois Kunstschule, die er „Reggae-Botschaft“ nennt, erinnert an
Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt. „Ich will einen ruhigen Ort schaffen,
wo Jugendliche lernen, aus Schrott Geld zu machen“, sagt er. Die
Jugendarbeitslosigkeit sei Ugandas größtes Problem. „Sonst wäre People
Power nie so groß geworden.“ Wine habe ihm den Posten als Bildungsminister
versprochen, sollte er 2021 zum Präsidenten gewählt werden. Madois Idee:
Der Jugend an Berufsschulen das Schneidern, Tischlern, Malen und
Musikmachen beibringen, „damit sie sich ohne einen einzigen Schilling ein
Leben aufbauen können.“ – ganz so wie er und Wine es vorgemacht haben.
Doch die Zugehörigkeit zu People Power werde für ihn langsam zum Problem,
gibt Madoi zu. Der Neustart jenseits der Armenviertel sei nicht leicht
gewesen. Als er im April 2019 ein Eröffnungskonzert anberaumt hatte und
Bobi Wine als Abgeordneter des Walkreises sprechen und singen wollte,
stürmten Polizisten das Grundstück und versprühten Tränengas. Mütter und
Kinder stoben kreischend davon. Seitdem will niemand mehr seine Kinder
hierherschicken. Ugandas Mittelklasse, die sich Madois geschneiderte
Kleider leisten kann, ist in der Politik das Zünglein an der Waage: Sie
neigt nicht dazu, dem Rapper politisches Vertrauen entgegenzubringen, denn
Chaos durch Proteste bedeutet für sie schlecht laufende Geschäfte.
„Finanziell ist das für mich richtig hässlich“, gibt Latif zu. „Jeder
Ugander muss sich nun entscheiden, auf welcher Seite er steht.“ Dies führe
zur Spaltung der Gesellschaft.
Noch bis September boomte Madois Modelabel. Er fertigte den Löwenanteil der
roten Mützen und roten Outfits. Auch die Garderobe, mit der Wine nach
Jamaica geflogen ist, haben Latifs flinke Finge genährt. Doch jetzt zählt
er zu den Verlierern des politischen Drucks. „Wir brauchen dringen einen
neuen Style – oder wir nähen hier bald gelbe Mützen“, sagt er.
Was als Scherz gemeint ist, ist längst Realität – aber bei den Gegnern
Wines: Gelb ist die Farbe von Musevenis Partei, die schon seit Jahrzehnten
im Wahlkampf gelbe Mützen verteilt. Knallgelb ist auch das Kleid von
Jennifer Nakangubi, die unter ihrem Künstlernamen Full Figure berühmt ist.
Ihre nackten Füße stecken in pinken Turnschuhen.
## Full Figure hat die Die Seiten gewechselt und trägt jetzt gelb
Die 34-Jährige mit dem blond eingefärbten Irokesenschnitt sitzt in ihrem
gelb getünchten Büro an einem leeren Schreibtisch. Vor ihr: zwei Handys,
die unablässig blinken. Hinter ihr hängen Porträts an der Wand: von
Museveni, dessen Frau und Sohn Mohoozi. Im Schrank stapeln sich Säcke
voller gelber Mützen. Vor der Tür parkt ein achtzylindriger Land Cruiser
mit Regierungskennzeichen, der von zwei Soldaten bewacht wird. Ihr Büro,
mit gelbem Banner der Regierungspartei über der Tür, liegt im Armenviertel
Katwe in Downtown Kampala. Rund herum erstrecken sich ungeteerte
verschmutzte Straßen, in denen Jugendliche herumlungern: eine
People-Power-Hochburg.
Noch bis Oktober war die rundliche Full Figure eine Front Frau von Bobi
Wines Bewegung. Immer wenn es darum ging, von der Bühne herunter den
Präsidenten und dessen Sohn anzugehen, ließ Wine ihr den Vortritt.
Aber heute ist Full Figure Musevenis gelbe Frontfrau inmitten der
Rotmützen. Sie kennt Wine seit ihrer Kindheit, stammt als Waisenkind aus
demselben Ghetto, hat im selben Kirchenchor gesungen.
Nach wie vor lässt sie sich ihre Kleider, die mittlerweile ihre Tattoos
bedecken anstatt sie zur Schau zu stellen, von Madoi nähen – auch das
gelbe, das sie heute trägt, als Symbol ihrer Loyalität gegenüber Präsident
Museveni und seiner Partei. Full Figure, die einst Punkfrisuren trug, hat
eine komplette Wandlung durchgemacht. Vor dem taz-Interview betet sie zu
Gott, er möge den Präsidenten schützen, „der wie Moses gesandt wurde, um
Uganda in eine friedliche Zukunft zu führen“.
„Der Präsident hat mich zu seiner Beraterin für Jugend ernannt“, erklärt
sie stolz. „Ich soll die Jugendlichen vor Bobi Wine retten und sie zurück
zur Schule bringen.“ Erst am Vortag habe sie mit Museveni, der sie „meine
Tochter“ nenne, die Strategie besprochen. Ihre Aufgabe sei, „den
Jugendlichen zu erklären, dass sie das Land nicht abfackeln sollen“. Ihr
ist anzusehen, dass sie die Aufmerksamkeit genießt – auch den neuen
Wohlstand. Sie lebt nun in einer schicken Villa am See, nahe der
Präsidentenfamilie.
Für People Power war der Seitenwechsel von Full Figure ein harter Schlag.
Die Frau kennt den innersten Kern von People Power wie kaum eine andere.
Sie kennt auch die Schwächen der Bewegung – Informationen, die sie jetzt
dem Präsidenten höchstpersönlich ins Ohr flüstern kann.
Mit Bobi Wine habe sie noch eine Rechnung offen, gibt Full Figure zu. Sie
wirkt sichtlich wütend: „Er manipuliert die Jugend, dabei ist er nur auf
seinen persönlichen Reichtum und Macht aus“, sagt sie. Er habe schon vor
der Wahl Minister ernannt, dabei werde er die Wahlen niemals gewinnen,
prophezeit sie. Aus People-Power-Kreisen heißt es, Wine habe Full Figure
keinen Ministerposten zugesagt, deswegen sei sie übergelaufen.
Jetzt zahlt sie es ihm zurück: Sie zeigt auf ein Foto in der Zeitung von
der 195-Kilometer Wanderung. Neben Museveni marschiert Full Figure im
gelben T-Shirt, wie eine artige Tochter. Auf dem Kopf: ein knallgelber
Sonnenhut.
27 Jan 2020
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Yoweri_Museveni
[2] /Social-Media-Steuer-in-Uganda/!5607065/
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
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