| # taz.de -- Messebericht von der Art Genève: Beiboot statt Tanker | |
| > Die Art Genève setzt auf die engagierte und aktive Sammlerschaft der | |
| > Stadt. Diskretion hat dabei einen hohen Stellenwert. | |
| Bild: Ist das Kunst – oder kann das gegessen werden? Eindruck von der Art Gen… | |
| Eigentlich braucht es in der Schweiz keine weitere Messe, wo es doch den | |
| großen, zwar schwer zu manövrierenden, aber überaus raumgreifenden Tanker | |
| Art Basel gibt. So unlängst noch die einhellige Meinung von Sammlern und | |
| Ausstellern weltweit. Doch die Art Genève hat im Verlauf der letzten neun | |
| Jahre eine bemerkenswerte Wende herbeigeführt. | |
| Thomas Hug, der vielseitig talentierte Gründer (studierter | |
| Musikwissenschaftler, Exgalerist), konnte nach und nach einen Salon d’Art | |
| etablieren, der früh im Jahr die Kunstsinnigen animierte. Nach und nach | |
| schon deshalb, weil eine junge Messe kaum von Anfang an ein gleichermaßen | |
| solides wie anspruchsvolles Programm fahren kann. | |
| Einige Big Player (Gagosian, Pace etc.) sorgen inzwischen für Glamour und | |
| verzichten dabei aber sehr geschickt auf exorbitante Spitzenwerte in ihrem | |
| Sortiment der großen Namen. Wie James Koch von Hauser & Wirth nicht | |
| sonderlich überraschend feststellt, gibt es eine engagierte und aktive | |
| Sammelkultur in Genf. Wen wundert’s in dieser wohlhabenden Stadt, in der | |
| freilich die Diskretion den mindestens gleich hohen Stellenwert hat. Die | |
| Klientel agiert hier gediegen und naturgemäß konservativ auf entsprechend | |
| gepolstertem Niveau. | |
| Man ist entspannt am Genfer See; calvinistische Prägung schließt | |
| prätentiösen Protz aus. Ein Gemeinplatz? Mag sein. Der Aufgalopp zur | |
| Eröffnung hätte jedenfalls lässiger nicht sein können. Eine Besonderheit | |
| der Veranstaltung mit derzeit über 120 Ausstellern – vor zwei Jahren waren | |
| es noch neunzig Ausstellern – ist die „Verbindung von Kultur und Kommerz“, | |
| wie Thomas Hug sagt. | |
| Die Ausstellerkojen sind quasi flankiert von zahlreichen Präsentationen | |
| regionaler Institutionen, Verlage und Sammlungen, die sich um die Kunst | |
| verdient machen. Damit wird ein Dialog sichtbar gemacht, manchmal bislang | |
| auch nur angestrebt. Auf jeden Fall wird der Arroganz oder Scheu der | |
| unterschiedlichen Geschwister kein Raum gelassen. | |
| Im Gegenteil: Die breit aufgestellte [1][Fondation Gandur pour l’Art] | |
| widmet ihren Stand der nach den französischen Mai-Unruhen 1968 gegründeten | |
| und bis Mitte der siebziger Jahre existierenden losen Künstlervereinigung | |
| „Supports/Surfaces“. Ihr künstlerisches Augenmerk auf radikal reduzierte | |
| Formstudien und unbehandelte Bildträger war Kommentar und Aufruhr in | |
| unruhigen, große Veränderungen fordernden Zeiten. Die Parallelen sind | |
| unübersehbar, wenn auch nicht kongruent. | |
| ## Claude Viallats repetitiven Punkt- oder Kreisanordnungen | |
| Diese Würdigung – für viele hierzulande sicherlich eine Entdeckung – griff | |
| gleich gegenüber Templon (Paris/Brüssel) auf, mit Claude Viallat und einer | |
| seiner repetitiven Punkt- oder Kreisanordnungen auf fließendem Segeltuch. | |
| Die Art Genève profitiert derweil auch als Forum für offizielle | |
| Preisverleihungen. Der Schweizer Versicherungskonzern La Mobilière | |
| versammelt in einem Espace Futur diverse Positionen etablierter aber auch | |
| jüngerer Künstler zu soziokulturellen Themen und den Herausforderungen der | |
| (hoffentlich nur, aber nichtsdestotrotz beunruhigenden) evolutionären | |
| Verwerfungen. | |
| Und verleiht hier seinen alljährlichen, prima dotierten Preis für junge | |
| Künstler. Prima Entspannung verspricht die originelle Präsentation des | |
| Herstellers Holy Weed von nach eigenen Angaben biozertifiziertem | |
| Cannabis-Produkten, produziert „verantwortungsvoll mit Bio Suisse | |
| Landwirten und in Handarbeit“. | |
| Es ist nicht geplant die Art Genève größer, besser gesagt, umfangreicher | |
| aufzustellen, das würde ihren spezifischen Charakter zerstören. Nach der | |
| Gründung einer kleinen Messe in Monaco denkt man stattdessen an eine | |
| Erweiterung der Messetätigkeit in Moskau. Erstmals wird in diesem Jahr ein | |
| Pilotprojekt mit 25 Galerien im Staatlichen Schtschussew-Architekturmuseum | |
| stattfinden. | |
| 31 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.fg-art.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Annegret Erhard | |
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