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# taz.de -- Die Wahrheit: Endzeitstimmung auf der Endmoräne
> Das Dorf im flachen Bauerwartungsland am Niederrhein muss nicht nur dem
> Klimawandel trotzen, es verliert auch noch seine letzte Kneipe.
Ja, ich komme vom Land, meine Eltern wohnen auf dem Dorf. Allerdings nicht
in irgendeinem Dorf, sondern in einem mit Sonderstatus – es gehörte ein
paar Jahre lang zu den Niederlanden, ehe es wegen erledigter
Reparationszahlungen der BRD zurückgegeben wurde. Und es liegt wahrlich
weltabgewandt am Ende der Republik, ein Dorf wie für Schneewittchen
gemacht, ein Dorf, das hinter dem einzigen Berg in der weithin meerflachen
Landschaft des Niederrheins liegt. Endmoräne, so nennen das die Geologen.
Ein Dorf an der Grenze, vom Rhein und der Welt abgewandt, abgewandter geht
es nicht.
Nun ist aber Klimawandel, und im angrenzenden Holland wird man langsam
nervös. Nicht so im Dorf selbst. Hier betreibt man weiter Landerschließung,
wandelt bestellbare Felder zu Bauerwartungsland um und erschafft die
deutsch-niederländische Version einer amerikanischen Vorstadt, schön mit
Geländewagen auf der Garagenzufahrt mit Basketballkorb. Dass das Dorf einst
nur ein ärmliches Bauerndorf gewesen ist, kann man noch hie und da erkennen
oder sich beim Diavortrag oder Facebookgruppen-Bildbetrachtungsabend im
Gemeindehaus anschauen. Was durchaus interessant ist: Die Menschen auf den
alten Bildern zwischen 1910 und 1950 sehen fast ausnahmslos ästhetisch
gefordert aus und halten vor wackeligen Bauernhäusern ihre schlechten Zähne
ins Bild. Die guten, alten Zeiten!
Inzwischen hat das Dorf nach über 40 Jahren wieder einen Bahnanschluss,
interessanter ist es allerdings noch nicht geworden. Zynisch könnte man
sagen, dass es erst wieder interessant wird, wenn das Meer kommt.
Endmoräne! Der Pool des Bauunternehmers, der unten am Hang wohnt, wird dran
glauben müssen; die etwas weiter oben werden sich den Platz mit den
Geflüchteten aus Amsterdam teilen müssen. Das wird lustig!
In der nahe gelegenen Kleinstadt hat unterdessen die letzte Jugendkneipe,
vielleicht die letzte Kneipe überhaupt zugemacht. Ich erinnere mich an den
Wirt, der Mike Thijssen hieß und das Namensgedächtnis eines Elefanten
hatte, er erinnerte sich an den Namen jeder Nase, selbst wenn diese erst
nach Jahren ein zweites Mal in der Kneipe aufgetaucht war. Jetzt liegt er
unter der Erde, die Lebenserwartung von Wirten ist gering. Die von Kneipen
in NRW aber wohl auch. Ich frage mich, ob meine Jugend tatsächlich in die
goldenen Zeiten dieser Gegend fiel, oder ob das bloß Romantisierung im
Nachhinein ist; und ich frage mich, was die übrig gebliebene Jugend
heutzutage macht, wo geht sie hin, wo probiert sie sich aus, wo lernt sie
sich kennen? Die guten, alten Zeiten!
Immerhin gibt es neuerdings ein Unternehmen für Sicherheitsschuhe, das wie
das Dorf heißt und fleißig Fernsehwerbung macht. Was im Umkehrschluss
bedeutet, dass das Dorf nicht viel mehr ist als ein Sicherheitsschuh. Den
gebliebenen Menschen scheint er noch zu passen. Mal sehen, wie wasserfest
er ist.
21 Jan 2020
## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Rhein
Reiseland Niederlande
Elvis Presley
Café
Affen
Familienroman
England
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