# taz.de -- AfD-Spendenaffäre vor Gericht: Teuer Geld | |
> Das Berliner Verwaltungsgericht verhandelt über illegale Spenden an | |
> AfD-Chef Meuthen. Das Urteil: Die AfD muss 269.400 Euro Strafe zahlen. | |
Bild: Jörg Meuthen vor Beginn der Verhandlung am Donnerstag | |
Berlin taz | Jörg Meuthen war unbedarft, das sagt er zumindest. 2016 sei er | |
jung und unerfahren gewesen, führt der AfD-Parteichef aus, „ich hatte auch | |
ziemlich viel um die Ohren“. Der heute 58-Jährige war damals Bundes- und | |
Landeschef der AfD und Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf in | |
Baden-Württemberg. Auch habe er noch als Professor an der Hochschule | |
gearbeitet. | |
Es ist Donnerstagsvormittag kurz nach zehn, Meuthen sitzt im „Plenarsaal“ | |
des Berliner Verwaltungsgerichts, zahlreiche JournalistInnen haben hinten | |
im Saal Platz genommen. Wegen des großen Medieninteresses wurde die | |
Verhandlung hier anberaumt. Für Meuthen geht es um viel. Hat er im | |
baden-württembergischen Landtagswahlkampf eine illegale Parteispende | |
angenommen? Muss seine Partei, die nicht gerade im Geld schwimmt, eine | |
Strafzahlung in dreifacher Höhe leisten – also 269.400 Euro zahlen? | |
So hat es [1][die Bundestagsverwaltung entschieden]. Die AfD hat gegen den | |
Strafbescheid geklagt. Deshalb trifft man sich jetzt vor Gericht. | |
Die Lage ist kompliziert, Vergleichsfälle gibt es nicht. Es wird ein | |
Grundsatzurteil erwartet. Deshalb sagt Gerichtspräsidentin Erna Viktoria | |
Xalter gleich zu Beginn der mündlichen Verhandlung, dass eine Berufung | |
zugelassen werden wird. Wenn nötig, werde die AfD in die nächste Instanz | |
gehen, sagt Meuthen noch vor Prozessbeginn. | |
## Geld aus der Schweiz | |
Der AfD-Chef hatte im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2016 von | |
der Schweizer Goal AG Wahlwerbung im Wert von 89.800 Euro erhalten – in | |
Form von Plakaten, Flyern und Anzeigen mit Meuthens Konterfei und AfD-Logo, | |
zuvor war bereits Meuthens Website erstellt worden. Meuthen hat dafür eine | |
so genannte Freistellungserklärung unterzeichnet. Die AfD wertete all das | |
nicht als Parteispende, im Rechenschaftsbericht der Partei tauchte die | |
Zuwendung nicht auf. Aus Sicht der Bundestagsverwaltung hätte es das nach | |
dem Parteiengesetz aber müssen. | |
Später kam durch Recherchen verschiedener Medien heraus, dass nicht allein | |
Alexander Segert, Geschäftsführer der Goal AG und bei der | |
rechtspopulistischen Partei SVP in der Schweiz aktiv, die Wahlwerbung | |
finanziert hatte, sondern dass es insgesamt zehn Spender gibt – wobei es | |
sich bei einigen möglicherweise um Strohleute handelt. Doch darum geht es | |
an diesem Donnerstagvormittag nicht. | |
Der Landtagswahlkampf sei „hemdsärmelig“ abgelaufen, erzählt Meuthen dem | |
Gericht, „da gab es keine professionelle Organisation“. Alexander Segert | |
sei ein guter Bekannter, der ihm Unterstützung angeboten habe. Darüber habe | |
er sich keine Gedanken gemacht. Auch sei ihm nicht klar gewesen, um welche | |
Größenordnung es gehe. Er habe sich damals gedacht: „Der Alexander hat da | |
ein paar Plakate gemacht, nett vom Alexander.“ | |
Die Richterin fragt, ob ihm diese Plakate, die Flyer und Anzeigen denn | |
nicht aufgefallen seien. „Ich habe vieles nicht mitgekriegt“, antwortet | |
Meuthen. Er sei sehr beschäftigt gewesen. Auch habe Segert vor allem ihn | |
unterstützen wollen und nicht die AfD. | |
## Komplizierter Fall | |
All das berührt wichtige Fragen, die die Richterin – in freundlichem Ton | |
und um Verständlichkeit auch für die ZuschauerInnen bemüht – jetzt nach und | |
nach mit den beiden Parteien erörtert. Das Gericht hat sogar einen | |
Verfahrenszettel vorbereitet und die einschlägigen Passagen aus dem | |
Parteienrecht ausgedruckt, damit auch die JournalistInnen folgen können. | |
Denn was für den juristischen Laien so einfach wirkt, ist rechtlich | |
kompliziert. | |
Die erste Frage: Liegt hier überhaupt eine Spende vor? Die AfD meint nein, | |
schließlich sei kein Geld geflossen. Doch Richterin Xalter führt aus, dass | |
auch geldwerte Zuwendungen Spenden seien können, „so wird es in der | |
gesamten Literatur und der Rechtsprechung gesehen“. Ging die Spende an die | |
Partei? Dazu, das muss man wissen, muss eine befugte Person wie der | |
Landesschatzmeister sie angenommen haben. | |
Aber war Meuthen, immerhin Landeschef, eine solche Person? Hatte die Partei | |
eine Mitgestaltungsmöglichkeit? Immer wieder fragt Xalter beide Seiten, wie | |
sie das sehen. So geht das drei Stunden lang. Dann beendet die Richterin | |
die mündliche Verhandlung. Ob es heute noch ein Urteil gebe, sei wegen der | |
komplexen Materie ungewiss. Theoretisch hat die Kammer dafür zwei Wochen | |
Zeit. | |
## Zwei weitere Fälle | |
Der Streitfall Meuthen ist nicht die einzige Klage der AfD vor dem Berliner | |
Verwaltungsgericht. Anhängig ist eine weitere Streitsache, in der es um | |
ähnliche Leistungen der Schweizer PR-Agentur an Guido Reil geht, den | |
AfD-Vorzeigemalocher aus Nordrhein-Westfalen, der inzwischen wie Meuthen im | |
Europaparlament sitzt, geht. | |
Bei AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel, die [2][ebenfalls eine | |
Spendenäffare] am Hals hat, ist der Fall anders gelagert. Hier droht eine | |
Strafzahlung von rund 396.000 Euro, doch die Bundestagsverwaltung hat noch | |
nicht endgültig entschieden. Im Bundestagswahlkampf 2017 überwies eine | |
Schweizer Pharmafirma in mehreren Tranchen etwa 132.000 Euro an Weidels | |
Kreisverband am Bodensee. Das Geld wurde später zurückgeschickt. | |
Am Abend dann tritt Richterin Xalter wieder in den „Plenarsaal“ des | |
Verwaltungsgerichts. Der ist jetzt so gut wie leer. Sie verkündet: Das | |
Gericht weist die Klage der AfD ab. Sie wird also vor dem | |
Oberverwaltungsgericht landen. | |
9 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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