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# taz.de -- Trans Kandidat bei Hamburg-Wahl: „Wir sind zu wenige in der Polit…
> Der Grüne Adrian Hector möchte der erste trans Mann in der Hamburger
> Bürgerschaft werden. Die taz begleitete ihn beim Haustürwahlkampf.
Bild: Kämpft für bessere Gesetze für transgeschlechtliche Menschen: der Grü…
Hamburg taz | Ein Mann mit Kleinkind am Knie ist in Plauderlaune. Er lehnt
in seiner offenen Wohnungstür und setzt gerade an, seiner Tochter die
Grundzüge der Demokratie zu erläutern; praktisch, dass ein echter
Grünen-Politiker im Treppenhaus steht – da hat sich Adrian Hector schon
umgedreht und klingelt an der Tür gegenüber. Seine Flyer ist er
losgeworden: Job erledigt. Hector ist kein Mann vieler Worte. Trotzdem
stellt er sich dem Altonaer Haustürwahlkampf.
Adrian Hector ist 36 Jahre alt und möchte der erste transgeschlechtliche
Mann in der Hamburgischen Bürgerschaft werden. Dafür nimmt er in Kauf, dass
er die Grenzen seiner Komfortzone dehnen muss. „Die Gesetze sind einfach zu
schlecht“, sagt Hector.
Wer seinen Personenstand und Vornamen ändern lassen will, muss [1][nach dem
deutschen Transsexuellengesetz (TSG)] zwei psychiatrische Gutachten über
sich ergehen lassen, beide selbst bezahlen und damit dann in einem
Gerichtsverfahren beweisen, dass sich „das Zugehörigkeitsempfinden des
Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird“. Bis
2011 verlangte der Staat gar eine Zwangssterilisation, bevor er Namen und
Personenstand änderte. „Eine Tortur“, sagt Hector.
Das Bürgerliche Gesetzbuch definiert Mutterschaft so: „Mutter eines Kindes
ist die Frau, die es geboren hat.“ Ein trans* Mann, der auf die
Genital-Operation verzichtet, weil er ein Kind gebären möchte, erhält für
dieses Kind also eine [2][Geburtsurkunde, in der er als Mutter eingetragen
ist]. In der sein Mädchenname steht, der „Deadname“. Der Name einer Person,
die er nicht ist. „Menschenfeindlich“, sagt Hector.
## Mehr geschlechtliche Vielfalt im Landesrecht
Die Bundesgesetzgebung allerdings ist für ihn noch in weiter Ferne, aktuell
ist er Abgeordneter der Bezirksversammlung Altona. Seine Politikerkarriere
begann vor etwa vier Jahren, nicht lange nach seinem Outing. „Mich hat
aufgeregt, dass man in den Selbsthilfegruppen immer von den gleichen
Rückschlägen hört“, sagt er. Er stieg beim Bundesverband trans* ein, war
dort bis Herbst Vorstand. „Aber Gesetze werden in Parlamenten gemacht“,
sagt Hector, „und dort sind zu wenige von uns.“
Falls es klappt mit dem Bürgerschaftsmandat, möchte er sich dafür
einsetzen, dass das Hamburger Landesrecht geschlechtliche Vielfalt besser
abbildet. „Es kann doch nicht sein, dass überall von Frauen und Männern die
Rede ist statt von Menschen“, sagt er. Auch will er sich dafür einsetzen,
dass Menschen, die im Rahmen des TSG-Verfahrens zwangssterilisiert wurden,
entschädigt werden. Die Belange queerer Geflüchteter liegen ihm am Herzen –
und, klar, das Klima.
Am nächsten Haus knackt die Gegensprechanlage. „Hallo, ich bin Adrian von
den Grünen“, sagt Hector. Signalwort. Noch bevor er sein Anliegen
vorbringen kann, wird der Türsummer betätigt. Hier in Altona gaben fast 36
Prozent der Wählenden bei der Europawahl im Mai den Grünen ihre Stimme,
keine Partei erhielt mehr im Bezirk.
Im vierten Stock stehen ihm Schweißperlen an den Schläfen. „Mir ist
eigentlich immer warm“, sagt er, „das liegt sicher auch am Testo.“
Testosteron nimmt er seit dreieinhalb Jahren. Den Beginn seiner Transition
hat er immer wieder aufgeschoben, er wollte seine Sportkarriere nicht vor
dem Höhepunkt beenden: Erst hat er geboxt, dann kam er zum Brazilian
Jiujitsu. „Körperschonender“, sagt er, Bodenkampf ohne Schläge und Tritte.
Eine Woche bevor er seinen Personenstand ändern ließ, gewann er, schon
geoutet, Bronze bei Weltmeisterschaften – im Frauen-Tableau.
Kampfgeist beweisen musste er auch im Anschluss. „Der Beginn der Transition
ist das Härteste“, sagt Hector. Anders als Homosexuelle hätten
transgeschlechtliche Menschen keine Wahl, wem gegenüber sie sich outen und
wem nicht. „Man kann sich nirgends verstecken. Auch im Urlaub hat man keine
Pause.“ Inzwischen sieht man Hector seine Transgeschlechtlichkeit nicht
mehr an, an den Haustüren macht er sie nicht zum Thema. Wenn er seltsam
angeschaut wird, dann deshalb, weil da überhaupt ein Fremder klingelt.
## Erniedrigende Zwangsbegutachtung
In Hamburg haben letztes Jahr 31 Menschen ihren offiziellen
Geschlechtseintrag ändern lassen. Acht davon haben die „dritte Option“
gewählt, den Eintrag „divers“. Anders als bei der Personenstandsänderung
nach dem TSG ist dafür nur ein einfaches ärztliches Attest notwendig.
Transgeschlechtlichen Menschen war dieser Weg bisher versperrt, erst im
Juni hatte das Bundesinnenministerium die Standesämter in einem
Rundschreiben ermahnt, nur intergeschlechtliche Personen als „divers“ zu
registrieren.
Ein neues Rechtsgutachten, gefördert vom Bundesfamilienministerium, stellte
allerdings im Dezember fest, dass auch bei Transgeschlechtlichkeit eine
Bescheinigung über eine „Variation der Geschlechtsentwicklung“ ausgestellt
werden darf, „ohne dass dieses Attest nach dem aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand unrichtig wäre“.
„Damit wäre das TSG endlich tot“, sagt Adrian Hector. Er erwartet, dass
Menschen wie er in Zukunft lieber die dritte Option wählen, als das
quälende Gerichtsverfahren nach TSG auf sich zu nehmen. „Es wäre endlich
vorbei mit der erniedrigenden Zwangsbegutachtung“, sagt er – aber auch:
„Das ist noch lange nicht genug.“ Also weiter im Wahlkampf.
In einem dritten Stock schellt er an einer Tür mit „Atomkraft? Nein
danke“-Aufkleber. Er entspannt die Schultern. „Heimspiel“, sagt er.
20 Jan 2020
## LINKS
[1] /Nach-Protesten-zurueckgezogener-Entwurf/!5596041
[2] /Verfassungsgericht-befasst-sich-nicht/!5515524
## AUTOREN
Thilo Adam
## TAGS
Transgender
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