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# taz.de -- Libyen-Konferenz in Berlin: Protest und Jubel wegen Erdoğan
> Am Rande der Libyen-Konferenz nimmt der türkische Präsident ein Bad in
> der Menge und geht den demonstrierenden Kurden aus Weg.
Bild: Libyen-Konferenz in Berlin: Erdoğan-Gegner heißen ihren Feind nicht wil…
Das Ritz Carlton am Potsdamer Platz gleicht einer Festung. Der türkische
Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist dort abgestiegen. Im Regierungsviertel
sieht es nicht anders aus: Absperrgitter, Polizeiwagen, Räumfahrzeuge der
Bundespolizei, davor mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten, auf den
Dächern Scharfschützen. Rund 4.500 Polizisten sind am Sonntag in Berlin im
Einsatz, um die im Bundeskanzleramt stattfindende Libyen-Konferenz zu
sichern.
Am Potsdamer Platz haben sich rund 200 Erdoğan-Anhänger versammelt. Sie
schwenken die rote türkische Nationalflagge mit weißem Halbmond und Stern.
Auffällig viele Frauen, fast alle tragen ein Kopftuch, sind darunter; auch
Kinder springen herum. Alle wirken wie im Fieberrausch. Warum sie da sind?
„Weil wir Erdoğan lieben“, sagt eine Frau und strahlt. „Wir wollen ihn
begrüßen.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Spitzenvertreter aus Russland,
China, Großbritannien und anderen Ländern zur Libyen-Konferenz geladen, um
über die Beendigung der Eskalation in dem nordafrikanischen Land zu
beraten. Auch Erdoğan gehört zu den Geladenen. Umgeben von Bodyguards,
verlässt er am Sonntag kurz nach 12 Uhr in dunklem Mantel und weinrotem
Schal das Ritz Carlton.
Statt in die wartende Limousine zu steigen, steuert er seine Fans an. Die
geraten in Ekstase, klettern über die Absperrgitter und stürmen auf Erdoğan
zu. „Führer“ und „Wir lieben dich“, rufen sie auf Türkisch. Erdoğan,
gleichfalls die Absperrungen der Berliner Polizei ignorierend, genießt das
Bad in der Menge sichtlich. Die Polizisten schauen ratlos zu und lassen die
Leute gewähren.
## Von Leibwächtern umringt
Zwei Frauen, die sich als Freundinnen der kurdischen Community bezeichnen
und die Szene aus der Distanz verfolgen, sind fassungslos. „Der kommt sogar
noch raus aus der Absperrung. Wo sind wir hier?“, fragt die eine
kopfschüttelnd. „Deutschland, schäme dich“, sagt die andere. So sei das
alles nicht geplant gewesen, räumt einer der vor Ort eingesetzten
Polizisten auf Nachfrage der taz ein. Aber er würde sich hüten, einen
Diplomaten zu reglementieren, der zudem noch von seinen Leibwächtern
umringt sei.
Die kurdischen Organisationen demonstrieren am Sonntag zeitgleich am
Kanzleramt. Mehrere Hundert Menschen mit kurdischen Fahnen haben sich auf
den Wiesen versammelt. Sie trommeln und singen gegen Erdoğan. Doch der
bekommt von alldem nichts mit. Sein Konvoi steuert das Kanzleramt von der
anderen Seite an. Die vorbeifahrenden Limousinen sind leer. Auch die Presse
macht sich rar.
Die feurige Rede des kurdischen Linkenpolitikers Hakan Taş, der Erdoğan
einen Terrorpaten und Diktator heißt, geht somit ins Leere: Es sei
unverständlich, dass Merkel den Kriegstreiber Erdoğan zu einer
Friedenskonferenz eingeladen habe, sagt Taş. „Wir werden ihm zeigen, dass
er in unserer Stadt Berlin nicht willkommen ist.“ Leider sei man von der
Polizei nicht darüber unterrichtet worden, dass Erdoğan am Potsdamer Platz
auftauchen werde.
19 Jan 2020
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Libyen
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Angela Merkel
Pressefreiheit in der Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Kurden
Diplomatie
Schwerpunkt Libyenkrieg
Libyen
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