| # taz.de -- Sachbuch „Drei Frauen“: Ist das schon Emanzipation? | |
| > Lisa Taddeo möchte mit ihrem gefeierten Debüt nicht weniger als das | |
| > weibliche Begehren erklären. Doch drei Frauen sind noch keine Generation. | |
| Bild: Autorin Lisa Taddeo hat acht Jahre lang für ihr Buch geforscht und Fraue… | |
| Ein Buch zu schreiben, wie weibliches Begehren im 21. Jahrhunderts | |
| aussieht, ist eine Herausforderung. Eine, an der man eigentlich nur | |
| scheitern kann. Die Journalistin [1][Lisa Taddeo] hat es nun mit ihrem | |
| Sachbuchdebüt versucht. Acht Jahre hat sie dafür Tausende Stunden mit 30 | |
| Frauen verbracht, persönlich, am Telefon oder per Mail. Zweimal ist sie | |
| dafür innerhalb der USA umgezogen, hat den Bundesstaat gewechselt, um nahe | |
| an dem Leben der Frauen zu sein. So beschreibt sie es selbst im Vorwort. | |
| Herausgekommen ist das Sachbuch „Drei Frauen“, das sich in drei | |
| Erzählsträngen dem Leben von Maggie, Lina und Sloane widmet. Die drei | |
| kennen sich nicht, sie leben an unterschiedlichen Orten der USA, ihre | |
| Geschichten haben keine Gemeinsamkeiten. Was sie verbindet, ist, dass sie | |
| alle weiß sind und mit Taddeo über Lieben und Begehren gesprochen haben. | |
| Entstanden ist daraus ein Buch mit schonungslosen Porträts – und ganz | |
| vielen Sexszenen. | |
| Maggies Geschichte, mit der das Buch beginnt, hat den stärksten Nachhall. | |
| Als 17-Jährige beginnt sie eine Affäre mit ihrem Englischlehrer Aaron | |
| Knodel, sie fühlt sich zum ersten Mal geliebt. Die Leser*innen lernen | |
| sie Jahre später kennen, im Gerichtssaal: Denn Maggie hat ihren Lehrer | |
| wegen Missbrauch angezeigt. Im Gericht trifft sie auf Knodels Verteidiger, | |
| der sie durch Fragen nach ihrer sexuellen Vergangenheit als „Schlampe“ | |
| abstempeln möchte. Maggies Erfahrungen, für die Taddeo auch in | |
| Gerichtsakten recherchiert hat, verweisen auf #MeToo, ohne dass es extra | |
| erwähnt werden muss. | |
| Auch Lina hat sexualisierter Gewalt erlebt, als Jugendliche wurde sie | |
| dreimal vergewaltigt. Heute ist sie verheiratet, hat zwei Kinder, ist | |
| höchst unzufrieden mit ihrem Sexleben und beginnt eine Affäre mit ihrer | |
| Jugendliebe Aidan. Und dann ist da noch Sloane, eine reiche | |
| Restaurantbesitzerin in Rhode Island. Um dem Wunsch ihres Mannes | |
| nachzukommen, schläft sie mit anderen Männern und lässt ihn dabei zugucken. | |
| Ihm gefällt es, ihr gefällt es – doch die meisten anderen können nur wenig | |
| mit dem Sexmodell des Ehepaars anfangen – und das bekommt Sloane zu spüren. | |
| ## Von null auf eins | |
| Als das Buch im vergangenen Juli auf dem US-amerikanischen Markt erschien, | |
| war es ein voller Erfolg. Elf Wochen in den Sachbuchbestsellerlisten der | |
| [2][New York Times], vielfach positiv besprochen, bald in 26 Sprachen | |
| erhältlich. Auch eine Miniserie soll aus dem Sachbuch entstehen. Es wird | |
| als Buch der Stunde über weibliche Sexualität gehandelt. | |
| Aufgrund von Taddeos Schreibstil ist nicht auszumachen, wo die Erlebnisse | |
| der Protagonisten aufhören und ihre Interpretation beginnt, es ist eine | |
| Verquickung von Belletristik und Sachbuch. Doch als Leser*in möchte man | |
| wissen, wie es mit den drei Frauen weitergeht. Ist ein Kapitel beendet, | |
| kann man es kaum erwarten, zu der Protagonistin zurückzukehren. Im | |
| Lesefluss verzeiht man Taddeo dann auch ihre sprachlichen Ausrutscher wie | |
| ihre irritierenden Metaphern (Penetrationssex wie „dreimal Specht, einmal | |
| Wal“). | |
| Doch als Zustandsbeschreibung, wie weibliches Begehren im 21. Jahrhundert | |
| aussieht, funktioniert Taddeos Debüt nicht. Linas, Sloanes und Maggies | |
| Leben sind dominiert von Frust, Demütigung und Leid. Die Geschichten sind | |
| es wert, erzählt zu werden. Denn Frauen dürfen schwach sein und leiden. | |
| Doch dieses negative Bild von weiblichem Begehren kann nicht als universell | |
| gültig angesehen werden. Zumal in ihrem Buch nur weiße Frauen, die (fast) | |
| ausschließlich heterosexuelle Erfahrungen machen, zu Wort kommen. | |
| Weibliche Emanzipation hat in Taddeos Buch keinen Platz – doch wie kann | |
| „ein Buch der Stunde über weibliche Sexualität“ ohne Selbstermächtigung | |
| auskommen? Vor allem wenn Taddeo selbst den Anspruch erhebt, uns zu | |
| erklären, wie Begehren funktioniert: „Ich bin aufgebrochen, um vom Feuer | |
| und vom Schmerz der weiblichen Lust zu erzählen, damit Männer und andere | |
| Frauen erst einmal verstehen können, bevor sie urteilen.“ | |
| ## Vorstellung von Begehren | |
| Verstärkt – und vielleicht auch begründet – wird das Problem durch Taddeos | |
| Vorstellung von Begehren. In ihrem Vorwort beschreibt sie dieses vollkommen | |
| geschlechterstereotyp. | |
| Frauen begehren schön, aber passiv, Männer aktiv und nicht weil sie es | |
| wollen, sondern weil sie es brauchen. Um dann zu dem Schluss zu kommen: | |
| „Männer haben die Frauen schon immer auf eine ganz bestimmte Art und Weise | |
| gebrochen. Sie lieben sie oder lieben sie so halb und fühlen sich | |
| irgendwann ausgelaugt und ziehen sich innerlich über Wochen und Monate | |
| zurück, verschanzen sich in ihrer Höhle, verdrücken eine letzte Träne und | |
| rufen dann nie wieder an. Die Frauen aber warten.“ | |
| Klischeehafte Vorstellungen von Geschlecht aus dem letzten Jahrhundert. An | |
| dem Versuch, weibliches Begehren zu erfassen, ist Lisa Taddeo also | |
| gescheitert. Doch immerhin erfüllt das Buch das Versprechen des Titels: | |
| „Drei Frauen“. | |
| 18 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.lisataddeo.com/ | |
| [2] https://www.nytimes.com/2019/06/28/books/review-three-women-lisa-taddeo.html | |
| ## AUTOREN | |
| Carolina Schwarz | |
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