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# taz.de -- Proteste im Libanon: Eine „Woche des Zorns“
> Der Ärger auf den Straßen Libanons ist neu entfacht und richtet sich vor
> allem gegen Banken. Die Protestierenden warten auch auf eine neue
> Regierung.
Bild: Kein Durchkommen: Erneut haben DemonstrantInnen diese Woche Straßen bloc…
Beirut taz | „Nieder mit den Banken“ sprüht der 21-jährige Riad an die
Fassade einer Bank in Beirut. Zahlreiche Protestierende haben sich rund um
die Zentralbank im Zentrum der libanesischen Hauptstadt versammelt.
Zunächst rufen sie Slogans, später zünden einige Müllcontainer an,
besprühen Bankautomaten, schlagen mit Steinen und einer Metallstange die
Scheiben der umliegenden Bankfilialen ein. Die Bereitschaftspolizei drängt
die Protestierenden zunächst zurück, später setzt sie Tränengas ein.
Nach einer Pause über die Neujahrszeit sind die [1][Proteste gegen die
Regierung] im Libanon wieder aufgeflammt. Bei den Auseinandersetzungen am
Dienstagabend sind nach Angaben des Roten Kreuzes 65 Menschen mit leichten
Verletzungen behandelt worden. Die Polizei gab an, 59 Personen festgenommen
zu haben.
„Ich protestiere, weil dieses ökonomische Modell den Banken dient, nicht
aber den Leuten“, sagt Riad, der seinen Nachnamen nicht nennen will, der
taz. „All unsere Steuern gehen an die reiche Klasse. Wir aber finden nicht
mal Jobs.“ Riad hat Wirtschaft studiert, Arbeit aber hat er wie so viele
gut ausgebildete junge Menschen im Libanon nicht.
Das Land steckt in der schwersten Politik- und Wirtschaftskrise seit Ende
des Bürgerkriegs vor dreißig Jahren. Die Protestierenden kritisieren das
korrupte Verhalten der Politiker, deren Arbeit auf das Wohl der eigenen
Klasse ausgerichtet sei, und fordern eine unabhängige technokratische
Regierung, die eine Neuwahl des Parlaments vorbereiten soll.
Als Reaktion auf die Proteste [2][traten Ministerpräsident Saad al-Hariri
und seine Minister zwar bereits Ende Oktober zurück], doch bislang wurde
keine neue Regierung gebildet. Während der designierte Ministerpräsident
Hassan Diab darum ringt, ein neues Kabinett zu formen, verschärft sich die
Finanzkrise im Land.
Die Staatsschulden betragen über 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; das
libanesische Pfund hat in den vergangenen Wochen mehr als 60 Prozent seines
Wertes verloren. Seit Beginn der Proteste können die Menschen nur noch
begrenzt US-Dollar abheben. Die stabile Währung benötigen sie aber, damit
ihr Erspartes nicht an Wert verliert.
## Brennende Reifen und zerschmetterte Fensterscheiben
Drei Monate nach Beginn des Aufstands haben Aktivist*innen nun eine „Woche
des Zorns“ ausgerufen, um ihren Unmut gegen die stockende Regierungsbildung
zu zeigen. Nachdem wochenlang Proteste mit Musik und Sitzblockaden das Bild
einer friedlichen Revolution prägten, bestimmen jetzt brennende Autoreifen
und zerschmetterte Fensterscheiben das Bild.
Vor einer Polizeistation in Beirut gingen am Mittwoch Sicherheitskräfte mit
Tränengas gegen einen Protest vor, wie lokale Medien und Aktivist*innen
meldeten. Videos zeigen, wie Sicherheitskräfte Demonstrierende mit Gewalt
in die Polizeistation ziehen. Diese hatten zuvor die Freilassung
festgenommener Mitstreiter*innen gefordert.
Wie die libanesische Zeitung Daily Star berichtet, versperrten am
Donnerstag brennende Reifen die Straßen in der nordlibanesischen Stadt
Tripoli, Schulen und Universitäten wurden geschlossen. In der Hafenstadt
Byblos blockierten Protestierende das staatliche
Telekommunikationsunternehmen Ogero, um die hohen Telefonkosten
anzuprangern.
In Beirut versammelte sich eine kleine Gruppe von Anwält*innen vor dem
Justizpalast. Sie verurteilten die „unrechtmäßigen Inhaftierungen“ von
Aufständischen. Mittlerweile seien mindestens 100 Menschen festgenommen
worden, sagten Anwält*innen der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag.
Um gegen die Gewalt seitens der Polizei ein Zeichen zu setzen, hat der
arbeitsuchende Ökonom Riad seinem Graffiti-Tag in der Beiruter Innenstadt
noch etwas hinzu: „Nieder mit den Banken – und den Cops.“
16 Jan 2020
## LINKS
[1] /Proteste-im-Libanon/!5650624
[2] /Nach-Sozialprotesten/!5633780
## AUTOREN
Julia Neumann
## TAGS
Libanon
Saad Hariri
Libanon
Libanon
Polizei
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Protest
Naher Osten
Protest
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