| # taz.de -- Die Wahrheit: Je cabrioer, desto perücker | |
| > Nehmen langjährige Autobesitzer irgendwann zwangsläufig das Aussehen | |
| > ihrer fahrenden Gefährten an? Oder gilt das nur für die Karosserie? | |
| Bild: Wimmelbild mit Cabrio | |
| Man kennt das von Hunden und ihren Halterinnen: Die physiognomischen | |
| Ähnlichkeiten sind oft frappierend. Ein Phänomen, das auch bei Autos und | |
| ihren Besitzern zu beobachten ist. „Guckt wie ein Auto“, lautet die | |
| geflügelte Umschreibung solcher menschlich-kfz-iellen Übereinstimmungen. | |
| Tatsächlich gleichen sich beider Frontdesigns nicht selten so verblüffend, | |
| dass man schon am Antlitz eines Autofahrers oder einer Fahrerin erkennen | |
| kann, welche Automarke sie fahren – vorausgesetzt natürlich, man ist in der | |
| Lage, die kaum noch unterscheidbaren Gesichter heutiger Autos voneinander | |
| zu unterscheiden. | |
| Selbst mancher Fahrzeugeigner hat da seine Probleme. Jedenfalls kann man | |
| immer wieder Menschen über Parkplätze irren sehen auf der Suche nach ihren | |
| Gefährten. Einfach den Schlüssel drücken und gucken, wo mein Auto mit dem | |
| Blinker blinzelt – das war vielleicht früher mal eine zuverlässige Methode. | |
| Heute aber sind die Abstellflächen so weitläufig, dass man quasi einen | |
| Zweitwagen für die Hosentasche bräuchte, um damit die kilometerlangen | |
| Blechhalden nach seinem Erstwagen abzusuchen. Der sich zudem, wie erwähnt, | |
| allenfalls in Nuancen wie Farbton, Hagelschaden oder Reifenprofil von | |
| anderen Fahrzeugen unterscheidet. Da nutzt es dem Parkplatzvergesser auch | |
| nichts, die Selfiefunktion des Handys zu aktivieren und zu versuchen, über | |
| den ständigen Abgleich des eigenen Gesichts mit denen der tausendfach | |
| geparkten Fahrzeuge seines zu finden. Denn wenn einer „guckt wie sein | |
| Auto“, dieses aber ausschaut wie alle anderen, dann ist ja auch er quasi | |
| gesichtslos. | |
| Zum Glück gibt es aber ein unverwechselbares Kennzeichen, über das jedes | |
| Auto zweifelsfrei zu identifizieren ist: Eine Kombination aus bestimmten | |
| Buchstaben und Zahlen, die, deutlich sichtbar unterm Kühler angebracht, | |
| seinem Besitzer oder seiner Besitzerin unzweideutig signalisieren: meins. | |
| Wer da noch sicherer gehen will, darf sogar die Anfangsbuchstaben seines | |
| Vor- und Nachnamens als Mittelinitial in seinem Autokennzeichen verwenden. | |
| Dass so Auto und Besitzerin noch eine Gemeinsamkeit mehr erhalten, ist ein | |
| witziger Nebeneffekt dieses Verfahrens. | |
| Richtig verlässlich könnte eine Zuordnung von Kfz und Eigner aber nur | |
| funktionieren, wenn sie, wie es bei Hunden und ihren Herr- oder Frauchen | |
| schon seit Jahrtausenden üblich und ganz natürlich ist, über den | |
| Geruchsaustausch stattfinden würde. Allein, die Industrie ist technisch | |
| noch nicht so weit. Die Vision vom selbst riechenden Auto wird vorerst | |
| Vision bleiben. Und selbst wenn es den Geruchsingenieuren eines Tages | |
| gelingen sollte, Autos mit Nasen zu bauen: Wollen wir wirklich, bevor wir | |
| es besteigen, erst noch die stuppsend feuchte Schnauze unseres vierrädrigen | |
| Kameraden im Schritt ertragen müssen? | |
| ## Autos haaren nicht | |
| Während sich neben ihren Körpergerüchen bei Hunden und Eigentümern zuweilen | |
| auch in Sachen Frisur und Statur erstaunlich große Übereinstimmungen finden | |
| lassen, trifft das auf Fahrzeuge und ihre Nutzer so gar nicht zu. Dies zum | |
| einen, weil Autos zwar durchaus frisiert sein können, aber trotzdem | |
| nirgends Haare haben. Zum anderen, weil das Verhältnis von Kfz und Halterin | |
| ein überwiegend asymmetrisches zu sein scheint: Je breitärschiger etwa | |
| einer dieser breitarschigen SUVs daher kommt, als desto zierlicher bepötert | |
| entpuppt sich sein Fahrer. Je schlanker jedoch ein Fahrzeug, desto klobiger | |
| die Abmessungen seiner Fahrerin. | |
| So jedenfalls die häufige Erkenntnis, wenn sich eine aus ihrem Porsche | |
| schält oder wie diese Kinderwagen alle heißen. Oder wann immer im täglichen | |
| Straßenkampf man einmal seine Gegnerinnen näher in Augenschein nehmen kann | |
| – also ständig eigentlich, weil gerade wieder Stau oder die Ampel rot ist. | |
| Immer wieder bestätigt sich da jene Asymmetrie, wonach die eher dünnpfiffig | |
| dreinblickende kleine Dame den dickschiffigsten Panzerkreuzer fährt, der | |
| brutalgesichtige Schnauzbartträger mit dem fiesen Nassrasurschmiss auf der | |
| Speckbacke dagegen den kecken Zweisitzer. Von sich selbst (angezählter | |
| Adonis mit fatalem Hang zum Triplekinn) ganz zu schweigen (Fahrrad). Nicht | |
| zu vergessen auch die ungekämmteste aller Typenregeln: je cabrioer eine | |
| Karre, desto perücker ihr Fahrer. | |
| Was aber wird sein, wenn erst, wie wir alle hoffen, der private Autobesitz | |
| geächtet und nach der Verkehrswende sogar ganz untersagt sein wird? Fräst | |
| sich dann allen, die nun immer den Bus nehmen müssen, dessen Kühlerdesign | |
| in die Gesichter? Legen sich Zugpendler mit der Zeit die Frontansichten | |
| „ihrer“ Loks zu? Wird man Kunden verschiedener Carsharing-Unternehmen an | |
| ihren Gesichtsausdrücken erkennen? Und die Pedelecfahrerinnen erst? Haben | |
| E-Bikes überhaupt ein Gesicht, das ein Mensch annehmen könnte? Die | |
| autofreie Zukunft könnte interessant werden. | |
| 17 Jan 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Fritz Tietz | |
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