# taz.de -- Internetzensur in der Türkei: Wikipedia ist wieder zugänglich | |
> Zweieinhalb Jahre lang war das Onlinelexikon in der Türkei blockiert. | |
> Nach einem Gerichtsentscheid kann es wieder benutzt werden. | |
Bild: Nich nur erlaubt, was Erdoğan gefällt: Wikipedia ist wieder zugelassen | |
Seit dem späten Mittwochabend ist das Online-Lexikon [1][Wikipedia in der | |
Türkei] wieder zugänglich. Schon im Dezember hatte das türkische | |
Verfassungsgericht einer Beschwerde des US-Mutterhauses Wikimedia | |
Foundation stattgegeben. Nun veröffentlichte das Verfassungsgericht seine | |
Begründung für diesen Entscheid. | |
Daraufhin wies das zuständige untere Gericht in Ankara die Behörden an, die | |
Sperrung aufzuheben. [2][Wikipedia war seit dem 29. April 2017 gesperrt]. | |
Offizieller Anlass waren zwei Berichte über den Bürgerkrieg in Syrien, die | |
die Interessen der Türkei verletzt haben sollen. Dort sei behauptet worden, | |
die Türkei unterstütze in Syrien „Terrororganisationen“. | |
Wikipedia war bei weitem nicht die einzige in der Türkei gesperrte Website. | |
Insgesamt waren oder sind tausende betroffen, nicht nur wie in anderen | |
europäischen Ländern wegen Kinderpornografie, Hate-Speech oder | |
Copyright-Verletzungen. Etliche Portale sind aus Konkurrenzgründen | |
gesperrt. So hat beispielsweise der türkische Hotelier-Verband | |
durchgesetzt, dass Booking.com in der Türkei nicht mehr genutzt werden | |
kann. | |
Seiten, die aus politischen Gründen gesperrt sind, gehören meistens in | |
einen kurdischen oder linksradikalen Kontext. Yaman Akdeniz, ein | |
Kommunikationswissenschaftler, der sich mit dem Thema beschäftigt, hat | |
gegenüber der Deutschen Welle Türkei gesagt, 2018 – für 2019 gibt es noch | |
keine Zahlen – habe es über 240.000 Sperrungen gegeben. | |
Das bedeutet allerdings nicht, dass Websites stets komplett blockiert | |
wurden. Meist betraf es nur einzelne Artikel, 3.000 Mal allein bei | |
Nachrichtenseiten. So wurden beim Onlineportal der Hürriyet Texte zensiert, | |
bevor die Zeitung von einem regierungsfreundlichen Medienkonzern übernommen | |
wurde. Derzeit trifft es Portale aus dem regierungskritischen Spektrum wie | |
Sözcü, Cumhuriyet, Oda TV oder T24. | |
## Sperrung einzelner Beiträge wurde erleichtert | |
Die Sperrung einzelner Beiträge ist von der AKP-Regierung kontinuierlich | |
erleichtert worden. Ministerien oder auch das Religionsamt Dianet brauchen | |
dafür keinen Gerichtsbeschluss mehr. Gerichte entscheiden dann erst, wenn | |
die Betroffenen klagen. Das Internet, sagte Yaman Akdeniz, ist „das letzte | |
große Feld, auf dem in der Türkei über die Meinungsfreiheit gerungen wird“. | |
Die Wikimedia-Stiftung zeigte sich zufrieden, dass die Sperrung in der | |
Türkei endlich wieder aufgehoben wurde. Auch auf Twitter gab es etliche | |
erfreuliche Kommentare. | |
Das Urteil des Verfassungsgerichts gibt Anlass zu der Hoffnung, dass das | |
oberste Gericht die Meinungsfreiheit in der Türkei insgesamt wieder stärken | |
wird. Im letzten Jahr hatte es in einem wichtigen Spruch für die | |
Meinungsfreiheit von Akademikern geurteilt, die zu Hunderten angeklagt | |
worden waren, weil sie in einer Petition die Wiederaufnahme von | |
Verhandlungen mit der kurdischen PKK gefordert hatten. Die Verfahren gegen | |
die angeklagten Akademiker mussten eingestellt werden. | |
16 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://tr.wikipedia.org/wiki/Anasayfa | |
[2] /Jura-Prof-ueber-Wikipedia-Sperre-in-Tuerkei/!5406943 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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