# taz.de -- Film „Lindenberg! Mach dein Ding“: Udo, bevor er den Hut nahm | |
> Das Biopic von Hermine Huntgeburth zeigt den jungen Sänger, bevor er zur | |
> Ikone wurde. Der Film folgt ihm auf der Reise zu sich selbst. | |
Bild: Etwas Romantisches, Überraschtes: Jan Bülow als Udo Lindenberg | |
Es ist wahrlich Zeit für einen Film über Udo Lindenberg. Um dem Mann aus | |
Gronau cineastisch unsterblich zu machen – etwas, was er musikalisch längst | |
geschafft hat: Udo, ob man ihn mag oder nicht, atmet mit jedem Zug nach | |
Eierlikörchen duftende bundesrepublikanische Geschichte aus, schüttelt mit | |
jedem Beinschlackern individuellen Deutschrock in die Welt. | |
Er ist damit einer der Künstler*innen, die man Landesfremden schwer | |
erklären kann – sein Charme entfaltet sich in Textthemen und | |
-formulierungen, im kumpeligen Geduze einerseits und der einwandfreien | |
politischen Haltung andererseits, im angstfreien Schwächezeigen und im | |
unstrittigen Talent: Selbst wer bei seinem nasal-nuschelnden „Keine | |
Panik“-Ton die Motten kriegt, muss zugeben, dass das Schlagzeug-Naturtalent | |
Udo den kniffligen Rhythmuspart im „Tatort“-Vorspann tadellos und | |
timingfest abliefert. | |
Doch das passiert fast alles erst, nachdem „Lindenberg! Mach dein Ding!“ zu | |
Ende ist: Hermine Huntgeburths Biopic über einen der größten deutschen | |
Musiker beleuchtet nur den Beginn, das Reifen der Legende. „Ich wollte die | |
Zeit vor dem ersten großen Auftritt erzählen“, sagt die Regisseurin im | |
Interview in einem Café, „bevor er den Hut genommen hat und zur Ikone ‚Udo… | |
wurde. Dadurch hatte ich mehr kreative Freiheit und konnte seine | |
musikalische Entwicklung zeigen“. | |
Und so präsentiert der Film Udo zu Hause in Gronau als Bengel mit schwer an | |
Depressionen und unerfüllten Sehnsüchten tragendem Alkivater (Charly | |
Hübner) in den 50ern und Udo als Drummer in einer Hamburger Rotlichtkneipe | |
in den 70ern. Udo, der mit dem langjährigen Freund und Bassisten Steffi | |
Stephan (Max von der Groeben) an der Bar sitzt und Dinge sagt wie „Realität | |
ist nur ’ne Illusion, die sich durch Mangel an Alkohol einstellt“, und der | |
„high as a kite“ über St. Pauli schwebt. Udo, dessen wachsendes | |
Selbstbewusstsein ihn langsam von der Trommelbude nach vorn, zur | |
Bühnenfront zieht, und Udo, der im Vorbeigehen, fast ohne es zu merken, | |
Frauen aufreißt. | |
## Authentisch, wie er ist | |
Er nutzt niemanden aus, aber die Treue ist seine nicht: Es gibt eine Paula | |
aus St. Pauli, „die sich immer auszieht“, eine in Gronau, „sie spielte | |
Cello“, und natürlich, von Huntgeburth und ihren Drehbuchautoren Sebastian | |
Wehlings und Alexander Rümelin in einer liebevollen | |
Vom-Alexanderplatz-zur-Zweiraumwohnung-Sequenz in Szene gesetzt, das | |
berühmte „Mädchen aus Ost-Berlin“. Die Botschaft ist klar: Authentisch, w… | |
er ist, steht Udos Leben in den Texten. Man muss sie nur richtig lesen. | |
„Ein Biopic“, sagt die Regisseurin, „muss ein emotionaler und dramatischer | |
Film bleiben, sonst könnte man ja eine Dokumentation drehen. Ich wollte | |
keinen Lookalike-Film machen.“ Das hat sie auch nicht – Jan Bülow, der für | |
den Film vier Udo-Songs neu eingesungen hat (der Score besteht ansonsten | |
aus Udo-Originalen) und sogar ein bisschen Schlagzeug lernte, reichert den | |
Künstler um seine eigene, skeptische Leinwandpräsenz an, gibt ihm etwas | |
Romantisches, Überraschtes, was man zwar in den Liedern fühlt, was Udo aber | |
auf Bühnen und in Interviews oft verlegt. | |
Dennoch fehlt dem Film zuweilen das, was Huntgeburth im Filmbeginn andeutet | |
in einer Szene, die sich später als ein Erlebnis bei einem frühen Auftritt | |
als Drummer auf einem US-Stützpunkt in Libyen herausstellt und in der Udo | |
bis Unterkante Oberlippe betrunken eine Wüstendüne hinunterkullert: die | |
Fallhöhe. Was dem Mann neben dem in den meisten Biografien dieser Zeit | |
vorhandenen Wunsch, anders zu sein als der Vater, bewegt; was ihn | |
weitersingen, aber auch weitersaufen lässt – denn dass er viel, im | |
medizinischen Sinn zu viel trinkt, ist nicht erst seit seiner 2018 | |
erschienenen Autobiografie bekannt –, das wird nicht ganz klar. | |
## Die miefigen 50er | |
Etwas passierte anscheinend in Libyen, denn Udo begab sich nach der Tour in | |
therapeutische Behandlung. Im Biopic wirkt es, als habe er vorrangig an | |
einer missglückten, verlachten Premiere als Sänger zu knabbern gehabt. | |
Lange hält der Film sich dennoch in den libyschen Dünen auf, ordnet sie als | |
rätselhafte, kathartische Kulisse um Udo herum. Um dann wieder in die | |
miefigen 50er zu lugen, in Situationen mit dem depressiven, teils zu | |
Gewaltausbrüchen neigenden Vater. Die trotz Drama dennoch nicht die | |
Verstörung erreichen, die es bräuchte, um Udos Reise zu sich selbst | |
dringlich zu machen. Wenn ihn nur der Wunsch trieb, „sein Ding“, das Texten | |
und Singen, tatsächlich zu verwirklichen, dann ist dies die klassische | |
Künstlerentwicklung: Macht nicht jeder irgendwie „sein Ding“? | |
Stattdessen hat man auch nach den über zwei Filmstunden das Gefühl, dass | |
Udo andere Menschen, Fans und Freund*innen als Künstler so glücklich machen | |
kann, weil er eben selbst ein glücklicher Mensch ist, Cognäcchen hin oder | |
her. Aber „Lindenberg! Mach dein Ding!“ bleibt, trotz hingebungsvollem | |
Spiel und ebensolchem Kostüm- und Bühnenbild, braver als sein Protagonist. | |
Vielleicht wäre der spätere, vom Leben gezeichnete Udo als Sujet | |
überzeugender gewesen. | |
15 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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