Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Datenhandel mit Dating-Apps: Wir Konsumroboter
> Eine norwegische Studie zu Dating-Apps zeigt: Um detaillierte
> Nutzer*innen-Profile zu bekommen, werden Datenschutzgesetze dreist
> ignoriert.
Bild: Google ist immer dabei. Und Facebook auch
Die Meldung hat etwas von einem Déjà-vu: Einer [1][Untersuchung der
norwegischen Verbraucherschutzbehörde zufolge teilen Apps aus dem Google
Playstore privateste Daten von Nutzer*innen] mit Anzeigenvermittlern. Zu
den analysierten Anwendungen gehören Datingapps wie Tinder und Grindr, eine
App für die Ermittlungen von Ovulationsperioden oder auch die auf Kinder
zielende Spaßanwendung My Talking Tom 2.
Zu den gesammelten Daten gehören GPS-genaue Standorte der Nutzer*innen und
im Falle der Datingapps Angaben zu persönlichen Vorlieben,
Substanzengebrauch oder politischen Einstellungen. Die Weitergabe intimster
Informationen erfolgt in Verbindung mit einer Identifikationsnummer, die
auf Androidgeräten verwendet wird, um über die Grenzen von Anwendungen und
Geräten hinweg individualisiert Werbung ausspielen zu können.
Erst 2019 war bekannt geworden, [2][dass Grindr den HIV-Status von
Nutzer*innen mit Werbetreibenden teilte]. Diese Praxis wurde eingestellt,
auch sonstige Versicherungen der Plattformen und App-Firmen, dass
europäisches Recht und die Privatsphäre der Kund*innen geachtet würden,
sind Legion. Der neuerliche Nachweis des Bruchs jeglicher
Datenschutzstandards überrascht dennoch nicht.
Dass die Werbeindustrie auf möglichst detaillierte Profile der Nutzer*innen
zielt, um erfolgreich Anzeigen platzieren zu können, ist bekannt. Der
Umfang und die technische Präzision der am Dienstag vorgestellten Studie
kann jedoch kaum überbewertet werden. Mit erheblichem Aufwand wird
dargestellt, wie die großen Player, allen voran Google und Facebook, Daten
sammeln und verknüpfen können, selbst wenn Nutzer*innen sich von deren
Diensten fernhalten. So tauschen Datingapps untereinander Profildaten aus
und übermitteln diese wiederum an bis zu 70 Drittparteien, bei denen davon
ausgegangen werden darf, dass diese über die Werbe-ID die einzelnen Pakete
ohne Mühe verknüpfen können. Neben originären Werbeservern erhält selbst
Amazon Zugang zu den Daten.
## Ein Mosaik des ganzen Menschen
Bedenkend, dass der Datenhandel im internationalen Stil weit über die
Werbewirtschaft hinaus sehr einträglich ist, ist das Ausmaß der
unkontrollierten Sammlung und Weitergabe persönlicher Information mehr als
besorgniserregend. Sicherheitsbehörden aus aller Herren Länder können sich
in diesem weiten Netzwerk recht unkompliziert die Mosaiksteine zu
Bewegungs- und Persönlichkeitsprofilen zum Beispiel von Oppositionellen
zusammenkaufen. Oder gleich ungefragt an Schwachstellen der
Sicherheitsarchitektur heimlich abgreifen, wie kriminelle Hacker es
zweifellos ohnehin längst tun. Niemand könnte schließlich die
Sicherheitsmaßnahmen aller beteiligten Firmen in allen Winkeln der Welt
überprüfen.
Datensouveränität, die individuelle Kontrolle über die Informationen zur
eigenen Person, ist insofern Selbstschutz. Der ist jedoch durch die
Verflechtung der verschiedenen Daten sammelnden, speichernden und
verarbeitenden Instanzen für durchschnittliche Nutzer*innen kaum wirksam
durchzusetzen.
Entsprechend deutlich ist die Reaktion der norwegischen Behörde und
diverser anderer Datenschützer*innen. Mit der Veröffentlichung der
Untersuchung wurde Beschwerde in Norwegen und bei der EU eingereicht. Die
Verletzung europäischer Gesetze ist so eklatant, dass mit durchaus
empfindlichen Strafen für die beteiligten Firmen gerechnet werden kann. Ob
sich damit das grundsätzliche Problem des überaus profitablen Handels mit
privaten Daten nachhaltig lösen lässt, ist aber fraglich. Ohne ein
prinzipielles Eingreifen in die Marktmechanismen und gegebenenfalls die
Zerschlagung der großen Internetkonzerne werden diese den systematischen
Verletzungen des Datenschutzes kaum aus freien Stücken vorbeugen.
Das Geschäft läuft schließlich bestens und eine Handvoll Datenschutzaktive
mögen zwar lästig sein, können aber nicht ständig alles im Blick haben. In
der Melange aus Märkten und Produkten, die jeweils von einem Oligopol aus
denselben Firmen dominiert werden, ist am Ende wohl nur eines klar
definiert: das Ziel der ganzen Operation. Das Individuum wird so genau wie
möglich vermessen, kategorisiert und genormt, um als möglichst
störungsfreier Konsumroboter der Profitmaximierung zu dienen.
14 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.forbrukerradet.no/side/new-study-the-advertising-industry-is-sy…
[2] /Datenweitergabe-bei-Grindr/!5495379
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Datenschutz
Google
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Meta
Online-Werbung
Schwerpunkt Rassismus
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Meta
## ARTIKEL ZUM THEMA
Diskriminierung bei Dating-Apps: Rassistischer Fetisch
Dating-Apps führen fragwürdige Kategorien, um den passenden Typ zu
ermitteln. Besser wäre es, wenn Menschen ihr Begehren laufend hinterfragen.
Digitalisierung in China: Ein Code für alle Fälle
Ein Taxi bestellen, den Aufzug rufen, Strafzettel bezahlen: Wer in China
lebt, kommt an der App WeChat nicht vorbei. Da wird selbst Facebook
neidisch.
Datenschutz bei Facebook: Zuckerberg macht auf Privatsphäre
Facebook will seinen schlechten Ruf beim Datenschutz aufpäppeln und
Nachrichten zukünftig verschlüsseln. An der Datensammelei ändert das
nichts.
Datenschutz: Facebook-Skandal – die nächste
Es vergeht kaum eine Woche, an dem das Online-Netzwerk nicht in die
Schlagzeilen gerät. Offenbar fehlt die Kontrolle über jeglichen Datenfluss
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.