# taz.de -- Verkehrsberuhigung in Hamburg: Eigentlich autofrei | |
> In Ottensen dürfen auf einigen Straßen keine Autos mehr fahren. Die | |
> Mehrheit der Hamburger:innen findet das gut. Doch nicht alle halten sich | |
> daran. | |
Bild: Ey, was macht das Auto da? Hier in Ottensen ist autofreie Zone! | |
HAMBURG taz | Oli L. nerven die Autos, die immer noch auf der Ottenser | |
Hauptstraße fahren. Eigentlich sollten die seit September 2019 verbannt | |
sein. Damals startete das [1][sechsmonatige Modellprojekt „Ottensen macht | |
Platz“]. Nach einer Evaluation durch die Technische Universität Hamburg | |
sollte der Bezirksausschuss am 27. Februar entscheiden, ob die Straßen | |
dauerhaft autofrei bleiben. | |
Doch im Dezember beschloss die Bezirksversammlung, die Entscheidung schon | |
vor der Bürgerschaftswahl zu treffen – am 20. Februar. Die | |
Evaluationsergebnisse würden zu dem Zeitpunkt bereits vorliegen. Spätestens | |
seitdem rechnet fast niemand mehr damit, dass die Straßen wieder für Autos | |
geöffnet werden. | |
Autofreie Innenstadtbereiche sind im Sinne einer Mehrheit der | |
Hamburger:innen, wie eine am Donnerstag vom NDR veröffentlichte Umfrage von | |
Infratest Dimap zeigt. 67 Prozent der Befragten halten den entsprechenden | |
Politikvorschlag für richtig. Vor allem in Ottensen, einem traditionell | |
grün-linken Stadtteil, könnte man noch höhere Zustimmungswerte erwarten. | |
Doch von Anfang an gab es hier auch andere Stimmen. | |
Einige Geschäftsinhaber:innen sehen ihren Umsatz einbrechen, wenn die | |
Kund:innen nicht mehr vor der Tür parken können. Anderen reicht der | |
Lieferzeitraum zwischen 23 und 11 Uhr nicht aus. [2][Im August gründete | |
sich die Initiative „Ottensen bewegt“], die mehr Mitspracherecht für | |
kritische Stimmen fordert. Jetzt sind die Gegner:innen wieder alarmiert, | |
zwei Anlieger:innen haben beim Verwaltungsgericht Eilanträge gestellt, die | |
sich gegen die Maßnahmen richten. | |
Wenn man mit Geschäftsinhaber:innen spricht, wird schnell deutlich: | |
Einigkeit gibt es hier nicht. Unter ihnen sind auch viele, die sich freuen, | |
dass der Einkaufsbereich attraktiver geworden ist und es weniger Konflikte | |
zwischen Fahrrad- und Autofahrer:innen gibt. Sie finden gut, dass es leiser | |
und der Blick aus dem Schaufenster schöner ist. | |
Und dann ist da Oli L., der ein autofreies Ottensen eigentlich super fände, | |
aber unzufrieden mit der Umsetzung ist: „Wo ist es denn hier attraktiver | |
geworden? Die gelben Flächen auf der Straße?“ Vor der Stadtbäckerei, in der | |
er arbeitet, ist die Straße gelb angemalt. Auf der Fläche steht: „Ottensen | |
macht Platz“. Davor ein Fußgängerzone-Schild, außerdem: ein Infokasten üb… | |
das Projekt, Fahrradbügel und gelbe Sitzmöglichkeiten. Hier beginnt die | |
vermeintlich autofreie Zone. | |
Vorbeifahren sieht L. aber immer wieder: Autos. Ob genau diese eine | |
Ausnahmeerlaubnis haben, lässt sich nicht überprüfen. Doch auch beim | |
Bezirksamt Altona – zuständig für das Projekt – antwortet man auf die | |
Frage, ob tatsächlich nur die erlaubten Autos durch die Fußgängerzone | |
fahren mit einem schlichten Nein. Aktuell setzt man dort auf die | |
Straßenbeschilderung und Kontrollen der Polizei, um das zu ändern. | |
## Poller sind laut Bezirksamt keine Option | |
L. würde sich wünschen, dass die Straße mehr zum Verweilen einlädt. | |
Vielleicht, indem Cafés sich ausweiten dürften. „Ich würde meine Kinder | |
hier nicht auf der Straße laufen lassen“, sagt er. Er wünscht sich Poller, | |
die Autos davon abhalten, auf die Straße zu fahren. | |
Das ist laut Bezirksamt aber nicht möglich – zumindest während des | |
Projektzeitraums. Feste Barrieren würden auch Autos, deren Inhaber:innen | |
eine Ausnahmegenehmigung besitzen, an der Einfahrt hindern. Und solche | |
Ausnahmen genehmigt das Amt ziemlich vielen Menschen: 257 Personen haben | |
einen Privatparkplatz in dem Gebiet, weitere 30 erhielten nach einer | |
Einzelfallprüfung die Erlaubnis. „Die Installation eines flexibleren | |
Systems, wie beispielsweise versenkbare Poller, ist teuer sowie baulich und | |
technisch aufwendig“ und somit nicht verhältnismäßig bei dem | |
Projektzeitraum von sechs Monaten, heißt es beim Bezirk. | |
Einige Geschäfte nutzen diese Lücke. Vor der „Comet Textilpflege“ steht e… | |
Schild: „Sehr geehrte Kund/innen, wenn Sie Ihre Reinigung bei uns abgeben | |
oder abholen möchten, haben Sie von nun an die Möglichkeit zwischen 8:00 – | |
11:00 Uhr mit Ihrem Fahrzeug einzufahren. Mit freundlichen Grüßen Comet | |
Textilpflege“. | |
Innen steht Oksana Levinger hinter der Theke. Die Mitarbeiterin des | |
Wäscheservices sagt: „Wir haben weniger Kunden, seitdem es die | |
Fußgängerzone gibt.“ Das merke man am Umsatz. Viele hätten früher kurz mit | |
dem Auto gehalten, um ihre Wäsche wegzubringen. Die blieben nun weg. Weil | |
das Geschäft schon länger schlecht lief, spüre man das besonders. | |
## Soziale Kontrolle durch Anwohner:innen | |
Aber was soll das für eine Lösung sein, dass die Kund:innen einfach in die | |
Fußgängerzone fahren?„Es ist die einzige Möglichkeit für uns“, sagt | |
Levinger. Ihr ist klar, dass auch in der Zeit von 23 bis 11 Uhr eigentlich | |
nur Lieferant:innen in das Gebiet fahren dürfen. Trotzdem ärgert sie, dass | |
Anwohner:innen ihre Kund:innen „anpöbeln“, wenn sie mit dem Auto vorfahren. | |
Was bei Levinger Pöbeleien sind, gilt im Bezirksamt als soziale Kontrolle: | |
„Immer wieder sprechen Passanten Autofahrer an, um diese auf die neue | |
Regelung und die Fußgängerzone hinzuweisen. Die meisten dieser Gespräche | |
verlaufen freundlich, bei anderen kommt es vereinzelt zu Spannungen.“ | |
So unterschiedlich die Meinungen, so unberechenbar sind die Ergebnisse der | |
Evaluation. Das Bezirksamt nimmt die Diskussion wahr, doch sagt auch: „Im | |
Fazit ist unser Eindruck, dass die positive Stimmung überwiegt.“ Schon ein | |
Hinweis auf die Entscheidung im Februar? | |
10 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Nele Spandick | |
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