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# taz.de -- Protest gegen Rentenreform: Frankreich streikt weiter
> Die Gewerkschaften mobilisieren für Donnerstag erneut gegen die
> Rentenreform. Laut Umfragen haben sie die öffentliche Meinung noch auf
> ihrer Seite.
Bild: Demonstrant mit Streikkasse im Dezember 2019 in Paris
Paris taz | Schon 36 Tage, und kein Ende ist abzusehen. Keine der beiden
Seiten im Konflikt um die sehr umstrittene Rentenreform in Frankreich will
einlenken. Die Hoffnung, dass sich nach dem Jahreswechsel ein Kompromiss
abzeichnen könnte, ist bei einer erneuten Gesprächsrunde zwischen
Gewerkschaften und Regierung rasch verflogen – auch wenn diese bereits die
Sozialpartner zu einem neuen Palaver am Freitag einlädt.
Frankreich steht vor einer sozialpolitisch verfahrenen Situation: Die
Staatsführung hält am Systemwechsel fest, der eine Fusion von 42 Kassen in
eine einzigen vorsehen würde und die Rentenberechnung mit einem
Punktesystem während des ganzen Erwerbslebens. Außerdem will sie das
Rentenalter auf 64 erhöhen. Die entsprechende Gesetzesvorlage soll im
Februar dem Parlament zur Verabschiedung vorgelegt werden.
Die Gewerkschaftsverbände sind unter sich zwar [1][bezüglich der Reform und
der Taktik uneins], gegen das Vorgehen der Regierung aber geschlossen. Die
klassenkämpferischen Verbände (CGT, FO, SUD-Solidaires, FSU) fordern
weiterhin ultimativ die Rücknahme der ganzen Reform. Die als gemäßigt
bekannten (CFDT, UNSA, CFTC) wollen den Verzicht auf die Erhöhung des
Rentenalters. Die Gegner der Reform mobilisieren für Donnerstag und Samstag
zu landesweiten Kundgebungen.
Die öffentliche Meinung ist bisher laut Umfragen nicht gegen die
Protestbewegung gekippt. Zwar sinkt demnach die Unterstützung der Streiks,
aber sie wiegt weiterhin mehr als die Ablehnung. Dagegen äußert sich eine
große Mehrheit teilweise oder ganz gegen die Reform – laut der Tageszeitung
Le Figaro sind es sogar 75 Prozent.
## Neuer historischer Streikrekord
Im Streit über die Rentenreform haben die Französinnen und Franzosen sogar
einen neuen historischen Streikrekord aufgestellt. Am Donnerstag streiken
die Beschäftigten der staatlichen Bahn SNCF und der Pariser Metro-, Bus-
und RER-Schnellbahnbetriebe RATP seit 36 Tagen.
Zwar sinkt seit Jahresbeginn der Anteil der aktiv Streikenden bei der Bahn,
aber die Behinderungen im öffentlichen Verkehr sind vor allem in der Region
Paris, in der viele Leute aus weit entfernten Vororten ins Zentrum pendeln,
weiterhin strapaziös. Trotz der Lohneinbußen streiken nämlich immer noch
ein Drittel der Lokführer. Mehr als 5 Millionen Euro sind in ihre
Streikkasse gespendet worden. Die Eisenbahner sagen, sie könnten noch eine
Woche oder zwei so weitermachen.
Ein Blick auf die Pariser Straßen mit ungewöhnlich vielen Rädern, Rollern,
Marschierenden und überfüllten Bussen ist wie ein Dementi für die
[2][Beschwörungen der Regierung, die Bewegung gehe langsam zu Ende].
Seit Dienstag sind auch die Erdölraffinerien wegen Streiks und Blockaden in
den Seehäfen außer Betrieb. Das hat Hamsterkäufe und mittelfristig
Nachschubprobleme an den Tankstellen zur Folge und bringt die Regierung
unter Druck.
## Groll gegen die da oben
Ein Ausstand der Anwälte lähmt zudem weitgehend die Gerichte. Sie belegen,
dass auch zahlreiche Selbstständige sich von der Reform sehr benachteiligt
fühlen, die ihre separate überschüssige Rentenkasse samt einer Reserve von
2 Milliarden Euro wie diejenige der Ärzte und anderer Berufe in die
defizitäre allgemeine Sécurité sociale überführen soll.
Wo immer man in Frankreich hinschaut und hinhört, wächst der Groll gegen
die da oben. Wie ein Echo der Proteste der Gelbwesten, welche die
Staatsführung mit polizeilicher Repression zum Schweigen gebracht zu haben
glaubte.
8 Jan 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
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