# taz.de -- Rechte Anschlagsserie in Neukölln: Zweifel an Erklärung der Poliz… | |
> Ferat Koçak war im Visier von Nazis. Laut Polizei scheiterte die | |
> Ermittlung an einem technischen Defizit. Das existiert aber gar nicht. | |
Bild: Schreibfehler als Fehlerquelle: Polizeipräsidentin Barbara Slowik | |
BERLIN taz | Der Neuköllner Linken-Politiker [1][Ferat Koçak] wurde im | |
Februar 2017 von einem Neonazi an seinem Wohnort ausgespäht. Das ergab eine | |
verdeckte polizeiliche Maßnahme. Im September 2017 fiel sein Name in einem | |
abgehörten Telefonat eben jener rechtsextremer Kreise. Mitte Januar 2018 | |
verfolgten die Rechten einen roten Smart, der sich später als jener von | |
Koçak herausstellte – auch dies war den Sicherheitsbehörden bekannt. | |
Doch Polizei und Verfassungsschutz reagierten nicht: Weder wurde Koçak, der | |
ganz offensichtlich im Fadenkreuz stand, gewarnt, noch wurde den | |
mutmaßlichen Tätern durch eine Gefährderansprache vermittelt, dass sie | |
unter Beobachtung stehen. Am 1. Februar 2018 wurde Koçaks Auto angezündet – | |
nur mit Glück griff das Feuer nicht auf das Haus des Politikers und seiner | |
Familie über. | |
In zwei Sitzungen des Innenausschusses im November versuchten die | |
Sicherheitsbehörden, [2][dieses offenkundige Versagen zu erklären]. | |
Begründung eins: Als am Tag vor dem Brandanschlag Koçak als einer von drei | |
möglichen Haltern des verfolgten Autos identifiziert war, sah man ihn nicht | |
als mögliches Opfer, da er den Beamten weder durch Anti-rechts-Aktivitäten | |
noch mit Engagement für Flüchtlinge aufgefallen war. So weit, so unklar. | |
Beides hätte man durch eine einfache Internetrecherche herausfinden können. | |
Die zweite Begründung schien zwar fahrlässig, aber doch handfester. Berlins | |
Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte erläutert, dass der Beamte, der das | |
Telefonat abhörte, in dem Koçaks Name fiel, den Namen „Kotschak“ vermerkt… | |
Der Schreibfehler sei ursächlich gewesen, warum man diese Information nicht | |
mit jener der Ausspähung des Wohnhauses zusammenbringen konnte, so Slowik. | |
Zu einem phonetischen Abgleich, der eine Suche nach gleich ausgesprochenen | |
Lauten in verschiedenen Schreibweisen ermöglicht, sei die Datenbank | |
technisch nicht in der Lage, hieß es. Auch der stellvertretende LKA-Chef | |
Oliver Stepien hatte „softwarebedingte Defizite“ als Fehlerquelle | |
ausgemacht. | |
## Polizeitechnik besser als gedacht | |
Doch an dieser Darstellung gibt es nun Zweifel: Der Linken-Innenpolitiker | |
Niklas Schrader hat in einer schriftlichen Anfrage beim Abgeordnetenhaus, | |
die der taz exklusiv vorliegt, nach dem technischen Stand der polizeilich | |
genutzten Datenbanken Poliks, Casa (beide Polizei Berlin) und Inpol (BKA) | |
gefragt. Die überraschende Antwort: In allen Datenbanken ist die | |
„phonetische Namenssuche möglich“; bei Poliks bereits seit 2005, bei Casa | |
seit 2007. | |
Dass es nicht möglich gewesen sein soll, Koçak mit Kotschak und womöglich | |
auch noch Kocak zusammenzubringen, fällt als Begründung für Schrader | |
demnach aus: „Entweder sie haben nicht versucht, ihn zu recherchieren – das | |
wäre schlechte Polizeiarbeit. Oder es hatte noch einen anderen Grund als | |
den, der im Innenausschuss präsentiert wurde – das wäre auch schlecht.“ | |
Dass Polizeipräsidentin Slowik und der stellvertretende LKA-Chef Stepien | |
die Systemunfähigkeit als Begründung anführten, kann sich Schrader nicht | |
erklären. Weitere Aufklärung sei daher geboten. Diese offene Frage sei ein | |
„weiteres Argument“ für den von der Linken geforderten | |
Untersuchungsausschuss. | |
Korrektur: Oliver Stepien ist nicht BKA-Chef, wie in einer ersten Version | |
behauptet. | |
17 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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