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# taz.de -- Nach der Wahl in Großbritannien: Erstmal reflektieren
> Labour-Chef Jeremy Corbyn hat angekündigt, sich von der Parteispitze
> zurückzuziehen – allerdings nicht sofort. ParteikollegInnen missfällt
> das.
Bild: Weigerte sich, einen klaren Standpunkt zum Brexit zu vertreten: Jeremy Co…
Dublin taz | Was die Partei jetzt brauche, sei eine „Zeit der Reflexion“,
teilte Jeremy Corbyn am Tag nach der Unterhaus-Wahl mit. Der Labour-Chef
hatte mit dem radikalsten Wahlprogramm seit Jahrzehnten das
[1][schlechteste Ergebnis seit 1935] erzielt. An seinen Versprechen –
Bekämpfung der Klimakrise, Einführung der 32-Stunden-Woche, höherer
Mindestlohn, Abschaffung der Studiengebühren – hätten, zumindest
theoretisch, große Teile der Bevölkerung Gefallen finden können. Was
allerdings fehlte, war eine klare Haltung zum Brexit.
„Unsere Partei repräsentiert Befürworter und Gegner des Brexits“, so Corb…
nach der Wahl. „Meine Strategie war es, diese Spaltung zu überwinden und
die Menschen zusammenzubringen.“ Das ist dem 70-Jährigen gründlich
misslungen. Corbyn hatte die EU in der Vergangenheit oft scharf kritisiert
und konnte sich schon vor dem Referendum 2016 zu keinem eindeutigen
Standpunkt durchringen.
Nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses kündigte Corbyn zunächst an, nicht
ein weiteres Mal als Spitzenkandidat anzutreten, später teilte er mit,
Anfang des nächsten Jahres zurücktreten zu wollen. Bis dahin bleibe er zum
Reflektieren im Amt.
Sadiq Khan, Labour-Politiker und Bürgermeister von London, bat Corbyn, so
schnell wie möglich seinen Rückzug anzutreten. „Es sind die vierten Wahlen
in Folge, in denen Labour es nicht geschafft hat, dem britischen Volk eine
überzeugende Alternative anzubieten. Wenn wir ehrlich sind, wussten wir
genau, dass Jeremy Corbyn zutiefst unpopulär war. Eine Labour-Regierung
nach diesen Wahlen war von Anfang an höchst unwahrscheinlich.“
## Wer beerbt Corbyn?
Khan warf Corbyn außerdem vor, nicht genug zur Bekämpfung des
Antisemitismus in seiner Partei getan zu haben. So hatte Corbyn sich bei
einem Fernsehinterview mit Andrew Neil geweigert, die britischen Juden und
Jüdinnen um Entschuldigung zu bitten. Es dauerte bis zum vergangenen Sommer
bis Labour schließlich die Initiative „Kein Platz für Antisemitismus“
vorstellte.
Die britischen Medien fällten zu Labours Wahlniederlage teils harsche
Urteile. So schrieb der Guardian, dass Corbyn sämtliche Fähigkeiten eines
Parteiführers abgingen. Ihm fehlten mentale Beweglichkeit, Wortgewandtheit,
Strategie, Humor und Charisma. Man hätte ihn hinauswerfen müssen, als klar
wurde, dass mit ihm keine Wahl zu gewinnen sei.
2015 war Corbyn nach der Wahlniederlage seines Vorgängers Ed Miliband
[2][zum Vorsitzenden gewählt worden] und hatte die Partei stark nach links
ausgerichtet. Mehrmals hatte der rechte Parteiflügel in der Vergangenheit
versucht, ihn abzusetzen. Nun gibt ihm dieser Flügel die Alleinschuld an
dem desaströsen Ergebnis.
Lucy Powell, Labour-Abgeordnete aus Manchester, sieht die gesamte Partei in
der Schuld: „Wir alle sind verantwortlich für diese katastrophale
Niederlage. Ich glaube, es reicht nicht, sie an einem einzigen Punkt
festzumachen. Es geht um eine ganze Bandbreite von Themen.“
Derweil wetten die BritInnen bereits, wer Corbyn wohl beerben wird. Keir
Starmer, Brexit-Minister im Schattenkabinett und entschiedener Remainer,
ist bei den Buchmachern klarer Favorit. Auch Rebecca Long-Bailey,
Abgeordnete aus Salford bei Manchester, werden gute Chancen eingeräumt. Und
Corbyn? In seinem Wahlkreis Islington gewann er souverän zum zehnten Mal in
Folge. Ob er sich nun wieder auf die Hinterbänke setzen wird, weiß zur Zeit
niemand.
14 Dec 2019
## LINKS
[1] /Wahl-in-Grossbritannien/!5649608
[2] /Wahl-der-neuen-Labour-Parteifuehrung/!5231859
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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