# taz.de -- Gespaltene Linkspartei: Vernunft statt Ideologie | |
> An überzeugenden Zukunftsvisionen für die großen Fragen fehlt es der | |
> Linkspartei derzeit. Dazu bräuchte sie eine neue Streitkultur. | |
Bild: Richtmikrofone hat die Linkspartei zwar. In welche Richtung es gehen soll… | |
An kritischer Analyse herrscht bei der Linkspartei kein Mangel. Partei und | |
Fraktion haben gleich mehrere Wissenschaftler zu ihren Klausuren zum | |
Jahresbeginn eingeladen, die den GenossInnen fundiert darlegen werden, | |
warum die Gesellschaft sich weiter spaltet, die Arbeitskämpfe härter werden | |
und die Lage im Nahen und Mittleren Osten eskaliert. | |
Am Ende werden die Linken wieder genau wissen, was alles schiefläuft in der | |
Welt, und davon reden, dass es jetzt darauf ankomme, die Gesellschaft zu | |
einen und Hass und Gewalt zu bekämpfen. | |
Stimmt. Allerdings kriegt das die Linkspartei nicht mal in ihren eigenen | |
Reihen hin – Ideal und Wirklichkeit klaffen auseinander. [1][In der | |
Fraktion sind die Gräben derzeit so tief], dass es nicht gelingt, | |
langweilige Formalien wie die Wahl des Vorstands geräuschlos und | |
unspektakulär zu regeln. Abgebrühte werden sagen, so sei das nun mal bei | |
Linken, sollen sie halt ihre Ansprüche runterschrauben. Aber so einfach ist | |
es nicht. | |
Ja, die Linkspartei hat in den vergangen zweieinhalb Jahren nach außen vor | |
allem ein Bild der Zerstrittenheit abgegeben. Katja Kipping stritt mit | |
Sahra Wagenknecht und mit den beiden Spitzenfrauen: AktivistInnen, die | |
offene Grenzen für alle fordern, mit jenen, die heimische Arbeitsmärkte | |
gegen Konkurrenz schützen wollen, EU-Fans versus -KritikerInnen und nun | |
eben radikale KlimaschützerInnen mit motorisierten | |
ArbeitnehmervertreterInnen. | |
## Zu wenige praktische Antworten | |
Aber das sind keine urlinken Auseinandersetzungen, sondern die großen | |
Fragen, die gerade die Gesellschaft bewegen, die am Abendbrottisch und in | |
der Kantine diskutiert werden und die eben auch im Kosmos einer kleinen | |
Partei wie der Linkspartei toben. Es spricht also grundsätzlich für ihre | |
heterogene Zusammensetzung, wenn sie gesellschaftliche Debatten | |
widerspiegelt. Aufgabe von Parteien ist es aber auch, aus solchen Debatten | |
und [2][widerstreitenden Positionen] Antworten und Visionen zu extrahieren | |
und damit Politik zu machen. | |
Aber an überzeugenden Zukunftsvisionen für die großen Fragen fehlt es der | |
Linkspartei derzeit – eine Leerstelle, die sie im Übrigen mit den | |
SozialdemokratInnen teilt. Die Linken können so ziemlich alles fundiert | |
kritisieren – aber sie geben zu wenige praktische Antworten. | |
Die EU finden sie undemokratisch, aber wie sie sie besser machen wollen, | |
darauf können sie sich leider nicht einigen. Offene Grenzen sind super – | |
aber wie man Zuwanderung organisieren soll, ist eine so heikle Frage, dass | |
sie lieber nicht ausdiskutiert wird. Und nun die Klimafrage – wie passen | |
weniger CO2 und der Schutz von Arbeitsplätzen in [3][Auto]- und | |
Kohleindustrie zusammen? | |
Eine überzeugende Antwort von links steht noch aus. Um sie zu finden, | |
müsste die Linke aber zu einer Streitkultur zurückfinden, bei der nicht die | |
FragestellerInnen, sondern die Fragen im Mittelpunkt stehen. Und das ist | |
eine klassische Führungsaufgabe. | |
8 Jan 2020 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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