| # taz.de -- HBO-Serie „Jett“ bei Sky: Zerstückeln – nur für den Effekt | |
| > Eine neue Serie erweist sich als größte Zitatensammlung, seit es Serien | |
| > gibt. Doch auch wegen seiner ultratrockenen Dialoge ist „Jett“ | |
| > unvergesslich. | |
| Bild: Carla Gugino in „Jett“ | |
| Serien sind bekanntlich die neuen Romane. Und mit der Literaturwerdung der | |
| Serien geht der Brauch einer, ihnen, mitunter sogar jeder ihrer Folgen, ein | |
| Zitat voranzustellen. Früher gab es das nur bei Spielfilmen, zum Beispiel: | |
| „Es gibt keine größere Einsamkeit als die des Samurai, es sei denn die | |
| eines Tigers im Dschungel.“ Die Bildtafel am Anfang des Films, der im | |
| französischen Original „Le samouraï“ heißt, verweist auf das Bushidō, u… | |
| nicht einmal der Hauptdarsteller Alain Delon ist damals darauf gekommen, | |
| dass der Regisseur Jean-Pierre Melville das Zitat einfach erfunden hatte. | |
| So viel Chuzpe kann sich heute, wo man alles googlen kann, natürlich keiner | |
| mehr leisten. Was hingegen immer noch geht, sind Zitate aus dem mehr oder | |
| weniger fernen Osten: „We are like the spider. We weave our life and then | |
| move along in it.“ Aus der vorchristlichen Hindu-Schrift Brihadaranyaka | |
| Upanishad stammt das – und ist damit noch ein bisschen älter als der 1971er | |
| Chevrolet Chevelle Coupé, in dem die beiden Gangster Bennie und Carl über | |
| eine delikate Situation Bennies mit der Frau des Bosses parlieren, dessen | |
| Badehose spielt eine maßgebliche Rolle, wenige Momente bevor sie ihrem | |
| Handwerk aus Mord, Freiheitsberaubung, Nötigung nachgehen werden. | |
| Diese erste Szene aus der ersten von neun Folgen der Sky-Serie „Jett“ ist | |
| natürlich auch ein Zitat: „Pulp Fiction“ lässt grüßen. Womit wir gleich | |
| wieder bei der Chuzpe wären, derer es bedarf, um so ungeniert Zitat an | |
| Zitat aneinanderzureihen, [1][wie es sonst nur Quentin Tarantino tut]. Die | |
| Titelheldin Daisy „Jett“ Kowalski (Carla Gugino) ist zweifellos die größte | |
| Meisterdiebin seit „The Thomas Crown Affair“ (1968) – aus dem stilprägen… | |
| Film hat „Jett“-Erfinder Sebastian Gutiérrez auch gleich die elegante | |
| Split-Screen-Technik übernommen. Die ultratrockenen Dialoge wiederum | |
| wecken Erinnerungen an die Romane eines Elmore Leonard und deren | |
| Film-Adaptionen („Get Shorty“, „Out of Sight“). | |
| Gerade hat Bennie einem Typen am Telefon erklärt, was für furchtbare Dinge | |
| er mit seiner Frau anstellen werde (Sodomie, zerstückeln etc.), wenn der | |
| nicht tue wie ihm geraten. Schon wendet sich Bennie entschuldigend der Frau | |
| zu: „That was just for effect.“ Der Typ ist Wachmann im Gefängnis und soll | |
| dem Meister-Safeknacker Quinn zur Flucht verhelfen, den Jett bei ihrem | |
| Auftraggeber, Gangsterboss Charlie Baudelaire, für einen Juwelen-Coup | |
| angefordert hat. Charlie wird gegeben von Giancarlo Esposito ([2][„Breaking | |
| Bad“]), der sich hier gewissermaßen selbst zitiert. | |
| Das muss man „Jett“ lassen: Diese irre lässige, herrlich ironische, | |
| wunderbar nostalgische, sagenhaft zeitgenössische, gelegentlich brutale | |
| Serie zitiert nur die Allerbesten und Obercoolsten. Wie, am Anfang von | |
| Folge drei, Jim Thompson: „I’d forgotten about it, and now I forgot it | |
| again. There are things that have to be forgotten if you want to go on | |
| living.“ Die Serie „Jett“ gehört nicht zu den Dingen, die unbedingt | |
| vergessen werden müssen. Man darf mich gerne damit zitieren. | |
| 6 Dec 2019 | |
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| Jens Müller | |
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