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# taz.de -- Von der Politik in die Wirtschaft: Zaghafte Lobby-Kontrolle
> Niedersachsen will den Wechsel von MinisterInnen mit Karenzzeitgesetz
> regeln. Grüner Opposition und Transparenzinitiativen ist das noch viel zu
> lasch.
Bild: Vorstellbar, dass auch VW Minister Olaf Lies oder gleich dessen Chef Step…
Hamburg taz | Das neue niedersächsische [1][Karenzzeitgesetz] solle dem
„Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Landesregierung“ dienen,
so teilte diese mit, als sie den ersten Entwurf dazu verabschiedete. In der
kommenden Woche soll die endgültige Fassung im Landtag verabschiedet werden
– doch nicht nur die Opposition, auch Antikorruptions-Organisationen
kritisieren das Gesetz als unzureichend.
„Es wird bundesweit das schwächste Karenzzeitgesetz“, sagt Norman Loeckel,
von der Arbeitsgruppe Politik bei [2][Transparency] Deutschland. Das liege
vor allem an der kurzen Übergangszeit von 18 Monaten, die dort
festgeschrieben ist. Innerhalb der Karenzzeit müssen gegenwärtige oder
frühere Mitglieder der Landesregierung anzeigen, wenn sie eine Tätigkeit
außerhalb des öffentlichen Dienstes annehmen wollen. Wenn durch die neue
Tätigkeit öffentliche Interessen beeinträchtigt werden, so gibt das Gesetz
der Regierung die Möglichkeit, dies ganz oder teilweise zu untersagen.
Transparency International aber auch die Transparenzinitiative [3][Lobby
Control], die jeweils Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf abgegeben haben,
fordern beide eine Übergangszeit von drei Jahren. Sonst, so warnt Loeckel,
bestehe die Gefahr, dass sich MinisterInnen durch wohlfeiles Verhalten gut
bezahlte Tätigkeiten in der freien Wirtschaft versprächen.
Auch die niedersächsischen Grünen halten die Frist für „viel zu kurz“, so
der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Landtag, Helge Limburg.
Er verweist darauf, dass Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein eine
Karenzzeit von 24 Monaten festgeschrieben haben. In der EU-Kommission hat
man die Frist für Kommissare im vergangenen Jahr von 18 auf 24 Monate und
für den Kommissionspräsidenten auf 36 Monate verlängert.
Die niedersächsische Landesregierung sieht dagegen keinen
Nachbesserungsbedarf. Die Karenzzeit von 18 Monaten sei eine „angemessene
Zeitspanne“ und so auch im Bundesgesetz, an dem man sich orientiere,
festgeschrieben, schreibt Anke Pörksen, die Sprecherin der
niedersächsischen Landesregierung auf Anfrage der taz. Die Frist trage zwei
Aspekten Rechnung: „Unter Berücksichtigung der als Grundrecht geschützten
Berufsfreiheit“, werde, so Pörksen, „ein Weg vorgeschlagen, der einerseits
potentiell Interessierte nicht davon abhält, auf Zeit angelegte
Regierungsämter zu übernehmen“.
Und andererseits werde „das Regierungshandeln durch die Aufnahme einer
nachamtlichen Beschäftigung nicht dem Anschein der Voreingenommenheit“
ausgesetzt. Anders als Transparency und Lobby Control hielt das Institut
für Staatsrecht der Universität Heidelberg in seiner Stellungnahme die
Länge der Übergangszeit für angemessen.
Für Kritik hatte auch gesorgt, dass kein beratendes Gremium vorgesehen ist.
Eine solche externe Expertise beuge dem Verdacht vor, dass „eine Krähe der
anderen kein Auge aushackt“, sagt Norman Loeckel von Transparency.
Andernfalls würden frühere KollegInnen über künftige Tätigkeiten
ausscheidender MinisterInnen entscheiden.
Das Bundesinnenministerium hatte ein beratendes Gremium in seiner
Stellungnahme explizit empfohlen: „Bewährt hat sich aus Sicht der
Bundesregierung insbesondere die Einrichtung eines beratenden Gremiums.“ In
Niedersachsen will man ohne auskommen, um als Landesregierung selbst „die
volle rechtliche wie politische Verantwortung für diese Entscheidungen zu
übernehmen“, schreibt Anke Pörksen.
Ein weiterer Kritikpunkt am geplanten Gesetz ist, dass es keine zwingenden
Sanktionen vorsieht, falls das ausscheidende Regierungsmitglied die
geplante Tätigkeit nicht mitteilt. „So droht die Regelung zum zahnlosen
Tiger zu werden“, warnt Helge Limburg. Die Landesregierung setzt hier ganz
auf die Öffentlichkeit. Angesichts des in diesen Fällen entstehenden
öffentlichen Drucks, „der sowohl auf das betroffene (ehemalige)
Regierungsmitglied einwirkt als auch auf die Einrichtung beziehungsweise
das Unternehmen, für das die künftige Beschäftigung aufgenommen werden
soll“, seien solche Sanktionsmöglichkeiten verzichtbar, „ohne dass damit
Abstriche in der Wirksamkeit der Karenzzeitregelung zu befürchten wären“,
heißt es in der Antwort der Staatskanzlei.
Es ist vorgesehen, dass künftig jede Entscheidung der Landesregierung
(Untersagung, teilweise Untersagung, Nichtuntersagung) im Niedersächsischen
Ministerialblatt bekannt gemacht wird. Die Begründung, weshalb ein Wechsel
in die freie Wirtschaft genehmigt wird oder nicht, soll – wie auf
Bundesebene auch – dabei jedoch nicht mitgeliefert werden. Auch das
kritisieren die Grünen. So, der Einwand von Helge Limburg, könne sich die
Öffentlichkeit kein Bild von der Situation machen.
12 Dec 2019
## LINKS
[1] https://www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/karenzzeit-…
[2] https://www.transparency.de/
[3] https://www.lobbycontrol.de/
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Lobbyismus
Karenzzeit
Landtag Niedersachsen
Braunkohle
Kerstin Andreae
BDEW
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