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# taz.de -- Umfrage zum Galerienstandort Berlin: Im Stimmungstief
> Wachsender Kostendruck und erschwerte Rahmenbedingungen vermiesen den
> Berliner Galerist*innen die Lust am Geschäft.
Bild: Ein Mann hängt Bilder bei der Kunstmesse „Positions“ im ehemaligen F…
Bekanntlich rühmt sich Berlin, einer der wichtigsten Kunststandorte Europas
zu sein. Rein quantitativ liegt die Stadt mit dieser Behauptung, dank ihrer
340 Galerien, jedenfalls nicht falsch. Dass Tesla nach Berlin kommen will,
liegt nicht zuletzt daran, dass die deutsche Hauptstadt auch Welthauptstadt
der Künstler und Künstlerinnen ist. Immerhin begründete Elon Musk seine
Wahl mit den Worten: „Berlin has some of the best art in the world.“
Wie aber stellt sich das Bild im Alltag dar? Das wollte [1][der
Landesverband Berliner Galerien] (LVBG) genauer wissen. Er gab deshalb,
unterstützt vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), der
sich schon mit seinem mit 10.000 Euro dotierten VBKI-Preis Berliner
Galerien für den Kunststandort engagiert, eine Umfrage unter den Berliner
Galerist*innen in Auftrag. Die Ergebnisse wurden nun an diesem Montag
vorgestellt.
In nuce findet sich das wenig erfreuliche Resümee in der Antwort auf die
Frage: Würden Sie mit Ihrem heutigen Wissen ihre Galerie wieder gründen?
Acht von zehn Befragten antwortet darauf: Nein. Die im Sommer gestartete
Umfrage war online organisiert, wobei von insgesamt 185 Galerien, die die
Umfrage begonnen haben, sie 100 beendeten, was einer Quote von 54,1 Prozent
entspricht.
Es wurden die Teilnehmer nach Berufserfahrung, Geschlecht und Inhaberschaft
gefragt, die Eckdaten der Galerien wurde nach Anzahl der Standorte, Alter
der Galerie, Jahresumsatz, Anzahl der Mitarbeiter, Radius der Aktivitäten,
Öffnungszeiten und Entwicklungsstand der Galerie erhoben. Wie zu erwarten
haben die meisten Galerien nur einen Berliner Standort, die Mehrzahl
besteht seit über zehn Jahren, wobei drei Galerien seit über 50 Jahren
bestehen.
## Jahresumsatz von unter 50.000 Euro
Internationale Relevanz schreiben sich 50 Prozent zu, wobei aber nur 12
Prozent der Galerien auf einen Jahresumsatz von mehr als einer Million Euro
kommen, eine Summe, die es schon braucht, um international mitzuhalten. 24
Prozent der Galerien berichten von einem Umsatz zwischen 100.000 und
500.000 Euro, 35 Prozent der Galerien freilich kommen noch nicht einmal auf
einen Umsatz von 50.000 Euro pro Jahr.
Als das größte Probleme nennen stolze 81 Prozent der Galerist*innen die
Mehrwertsteuererhöhung von 7 auf 19 Prozent. Der mangelnde Ankaufsetat der
Museen ist für 45 Prozent ein Problem, gefolgt von der Künstlersozialabgabe
und dem Folgerecht – Kosten, die im europäischen Vergleich nur in
Deutschland erhoben werden. Günstigere Steuerbedingungen im Ausland stellen
eine weitere Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Galerien dar.
Als Kostentreiber wird von 70 Prozent der Galerist*innen an erster Stelle
die Miete genannt. An zweiter Stelle folgen die Aufwendungen für
Messebeteiligungen, die 64 Prozent kritisch sehen. Erst dann kommen mit 47
Prozent die Personalkosten. Noch meinen allerdings 49 Prozent eine
durchschnittliche Miete zu zahlen. Bei 22 Prozent liegt die Miete unter dem
Durchschnitt, während schon 14 Prozent mit überdurchschnittlichen Mieten
belastet sind.
Während die Republik Österreich die Messeteilnahme und das Engagement
seiner Galerie im Ausland mit bis zu 50 Prozent der Kosten bezuschusst,
haben zwei Drittel der Berliner Galerien noch nie eine öffentliche
Förderung erhalten. Auswandern nach Österreich wäre also eine Lösung, zumal
die Rahmenbedingungen am Stadtort Berlin von 47 Prozent der Befragten als
bremsend und wenig förderlich beschrieben werden.
## Forderungskatalog des Landesverbands
„Wer kauft bei Ihnen Kunst?“, fragten LVBG und der VBKI die Berliner
Galerist*innen, die dann auf einer Skala von 1 bis 10 den Kunstliebhaber
mit 8 Punkten an vorderster Front sehen, während Käufer*innen auf der Suche
nach einem Investment mit 3,8 Punkten abgeschlagen auf dem letzten Platz
landeten. Ansonsten werden die Käufer*innen als gebildet und vermögend
eingestuft, dazu eher kritisch als konservativ.
Obwohl die Messeteilnahme teuer ist, nehmen zwei Drittel der Berliner
Galerien an wenigstens einer Messe teil, die Hälfte an zwei und mehr
Messen. [2][Die Berlin Art Week als Berliner Variante] wird mit 7,7 Punkten
auf der 10er Skala zwar als Attraktion für Kunstinteressierte gesehen, mit
nur 4,7 Punkten hinsichtlich der Umsatzsteigerung der Galerien spielt sie
geschäftlich leider keine Rolle.
Insofern am Ende nur drei von 100 Befragten wieder in Berlin Galerist*in
werden wollen, müssen aus den erhobenen Daten dringend Schlussfolgerungen
gezogen werden, wie die Situation der Berliner Galerien verbessert werden
kann. Das hat der Landesverband getan und präsentierte am Montag seinen
Forderungskatalog.
Oberste Priorität hat die Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf wieder 7
Prozent. An zweiter Stelle steht die Förderung der Messeteilnahme zur
Stärkung der internationalen Konkurrenzfähigkeit. In Hinblick auf die
Berliner Museen wünscht sich LVBG einen festen jährlichen Ankaufsetat für
zeitgenössische Kunst aus Berliner Galerien.
## Mietendeckel als Wirtschaftsförderung
Schließlich muss die vom Berliner Wirtschafts- und Kultursenat geförderte
Berlin Art Week mit mehr und eindeutigeren Initiativen die Berliner
Galerien ins Zentrum rücken, soll endlich eine Wirkung für deren
Geschäftstätigkeit feststellbar werden. Denkbar wäre ein Shuttleservice vom
Messestandort Tempelhof zu den Galerie-Quartieren. Die Frage, ob ein
Mietendeckel nicht auch Wirtschaftsförderung sei, gerade in Hinblick auf
den Bedarf von Galerien und Künstler*innen nach Produktions- und Wohnräumen
sowie Ateliers, wurde zumindest von Seiten des VBKI vehement verneint.
Trotzdem lässt sich international ein kultureller, künstlerischer und
intellektueller Braindrain aus hochpreisigen Metropolen in weniger teure
Standorte nicht leugnen. Nicht zuletzt Berlin hat erheblich davon
profitiert und profitiert davon noch. Das Ende ist aber absehbar. Das Ende
des Kunststandorts Berlin hoffentlich nicht.
25 Nov 2019
## LINKS
[1] /Das-neue-AArtist-in-residence-Programm/!5296447
[2] /Berlin-Art-Week/!5058980
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Kunst Berlin
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