# taz.de -- Gericht weist Fracking-Gegner ab: Niederlage ohne Verlierer | |
> Die Volksinitiative zum Schutz des Wassers verliert vor dem | |
> Landesverfassungsgericht Schleswig, erhofft sich davon aber Rückenwind. | |
Bild: Könnte wieder wichtig werden, wenn das Grundwasser verschmutzt wird: Tau… | |
KIEL taz | Mehr als 30.000 Menschen in Schleswig-Holstein hatten für die | |
[1][Initiative zum Schutz des Wassers] unterschrieben, deren Ziel es war, | |
die umstrittene Gas-Fördermethode Fracking im Land zu verbieten. Doch das | |
Parlament in Kiel wies die Kernforderung ab, nämlich ein im Gesetz | |
verankertes Fracking-Verbot. War das rechtlich okay? | |
Ja, entschied das Landesverfassungsgericht. Die Initiative kämpft weiter: | |
Sie will mit einem Volksbegehren den lokalen Widerstand gegen Fracking | |
stärken. | |
„Mein Bauchgefühl ist gut“, hatte Reinhard Knof, einer der Vertrauensleute | |
und Sprecher der Initiative, vor der Urteilsverkündung gesagt. Doch das | |
Gefühl trog: „Der Antrag wird zurückgewiesen“, verkündete Bernhard Flor, | |
Vorsitzender des Verfassungsgerichts, im Namen der sieben RichterInnen, die | |
das Urteil einstimmig gefällt hatten. | |
Leicht hatten sie es sich mit dieser Entscheidung aber nicht gemacht. | |
Ausführlich begründete Flor die juristischen Hintergründe und machte | |
deutlich: „Wir sprechen hier nicht über Für und Wider von Fracking.“ | |
## Es geht um „Hürden für direkte Demokratie“ | |
Stattdessen ging es darum, ob ein Landtag Teile von Volksinitiativen, | |
-begehren oder -entscheiden zurückweisen darf – und auch darum, ob Fragen | |
des Wasserschutzes im Landes- oder im Bundesrecht behandelt werden müssen. | |
Zudem klärte das Gericht auch die eigene Zuständigkeit bei diesem Thema. | |
Für Roda Verheyen, Anwältin der Initiative, reichte der Fall über die | |
Fracking-Frage hinaus: „Es geht darum, wie hoch die Hürden für direkte | |
Demokratie sind“, hatte sie in der Verhandlung Anfang Oktober erklärt. Denn | |
oft komme durch eine Volksinitiative erst eine gesellschaftliche Diskussion | |
in Gang. Stehe von Anfang an bereits fest, dass die Unterschriftensammlung | |
zwecklos sei, weil ein Parlament sie zurückweisen dürfe, würden der Debatte | |
„gleich zu Anfang die Beine weggerissen“. | |
Das Schleswiger Gericht befasste sich nicht mit solchen möglichen Folgen, | |
sondern schaute auf die Gesetzeslage. Und die besagt, dass im föderalen | |
System Bundesrecht Landesrecht bricht. Sprich: Bei Fragen, die in die | |
Kompetenz des Bundes fallen, dürfen Länder nur dann Gesetze erlassen, wenn | |
der Bund darauf verzichtet hat. Über Fracking habe der Bundtag aber | |
„abschließend beschlossen“, so Flor. | |
Die Initiativen-Vertreter Knof und Joachim Rotermund hätten sich zwar ein | |
anderes Ergebnis gewünscht, waren aber dennoch nicht unzufrieden: „Das | |
Gericht hat deutlich gemacht, dass Fracking in Schleswig-Holstein erlaubt | |
ist“, sagte Rotermund. „Das macht der Bevölkerung klar, dass die Gefahr | |
trotz der Beteuerungen der Politik besteht.“ | |
Das Kieler Parlament hatte sich über die Fraktionsgrenzen hinweg gegen | |
Fracking ausgesprochen und im Sommer einige Änderungen im | |
Landeswassergesetz beschlossen. Dies geht der Initiative aber nicht weit | |
genug. Denn die Bundesgesetze erlauben das sogenannte konventionelle | |
Fracking. Bei dem Verfahren werden Wasser oder Chemikalien mit Druck in den | |
Boden gepresst, um Erdgas zu fördern. KritikerInnen befürchten, dass dabei | |
Grundwasser verunreinigt wird. | |
Die Gruppe hat ein Volksbegehren gestartet und sammelt dafür aktuell | |
Unterschriften. Von dem Urteil erwarten Knof und Rotermund weiteren | |
Rückenwind für ihr Anliegen. Denn auch wenn das Gericht ein landesweites | |
Fracking-Verbot ausschließt, lassen sich Fracking-Vorhaben vielleicht auf | |
Umwegen verhindern oder zumindest erschweren: „Wir möchten erreichen, dass | |
zum Beispiel Bürgermeister von sich aus über Fracking-Vorhaben in ihrer | |
Gemeinde berichten dürfen“, sagt Knof. „Dann könnte sich der Widerstand d… | |
Bevölkerung formieren.“ | |
## Kommunen sollen früher Alarm schlagen können | |
Eine entsprechende Gesetzesänderung für mehr Transparenz will die | |
Initiative im Volksbegehren erreichen. Die Landtagsparteien sehen dagegen | |
die Forderungen der Initiative bereits erfüllt. So argumentieren die | |
mitregierenden Grünen, dass bei „Gefahr im Verzug“ selbstverständlich | |
informiert würde. Die Initiative möchte aber, dass die Öffentlichkeit | |
bereits Bescheid weiß, wenn eine Firma eine Sondierung plant. | |
Noch bis März werden Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt. Listen | |
liegen in Ämtern und Rathäusern aus. UnterstützerInnen der Initiative | |
verteilen sie aber auch in Läden oder auf Märkten. Knof schätzt, dass rund | |
40.000 Menschen bereits unterschrieben haben. Um das Begehren zum Erfolg zu | |
machen, müssen sich 80.000 Menschen dafür aussprechen. Knof ist überzeugt: | |
„Wir kriegen das hin.“ | |
Thomas Rischer, Abteilungsleiter im Landtag, sieht trotz der Niederlage der | |
Initiative die direkte Demokratie gestärkt: „Das Gericht hat bestätigt, | |
dass es erlaubt ist, einzelne Fragen einer Volksinitiative abzutrennen. | |
Damit muss ein Landtag nicht ein komplettes Verfahren ablehnen, wenn ein | |
Satz unzulässig ist.“ | |
9 Dec 2019 | |
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[1] https://vi-wasser.de/ | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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