# taz.de -- Ausgezeichnetes Denkmal: „Das ist Stadtgeschichte“ | |
> Nele Wasmuth ließ ein historisches Wandbild in Kreuzberg restaurieren. | |
> Dafür bekam sie nun den Berliner Denkmalschutzpreis. | |
Bild: Bürgerliche Idylle: Wandgemälde in der Fichtestraße | |
taz: Frau Wasmuth, Sie bekommen am Montag stellvertretend für die | |
Gemeinschaft der Eigentümer des Miethauses in der Fichtestraße 2 in | |
Kreuzberg den Berliner Denkmalpreis verliehen. Wofür? | |
Nele Wasmuth: In unserem Hinterhof befindet sich ein großes | |
Landschaftsbild, das sich über die gesamte Brandmauer des Nachbarhauses | |
erstreckt, auf dem Berge, ein See und mehrere Menschengruppen zu erkennen | |
sind: Menschen an einem Tisch, ein junger Reiter, ein Paar. Es ist nicht | |
hundertprozentig sicher, was dieses Wandbild darstellt, aber es wird | |
vermutet, dass es sich um Szenen aus Mozarts Oper „Don Giovanni“ handelt. | |
Wenn man in den Hof kommt, hat man den Eindruck, man betritt ein Märchen. | |
Die Malerei ist entstanden, als das Haus gebaut wurde, ungefähr im Jahr | |
1890. Sie war stark verwittert, wurde noch nie überarbeitet. So weit ich | |
weiß, existieren aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert nur noch zehn große | |
Innenhof-Wandbilder dieser Art in Berlin. Viele sind in den letzten Jahren | |
wegen der Wärmedämmungen verschwunden. | |
Wie sind Sie auf das Bild aufmerksam geworden? | |
Ich habe 2009 eine Wohnung im Haus gekauft, 2016 bin ich hergezogen. | |
Allerdings hatten die anderen vor meiner Ankunft auch schon viel bewegt. | |
Meine Nachbarn und Miteigentümer waren schon ein wenig erschöpft. Also habe | |
ich gesagt, dass ich jetzt dran bin. Einige haben gesagt, das bekommst du | |
nie hin. | |
Was ist passiert? | |
Zunächst einmal haben wir Kontakt mit dem Landesdenkmalamt aufgenommen und | |
sofort gemerkt, wie spannend der Schutz der noch erhaltenen Wandgemälde in | |
Berlin plötzlich geworden ist. Der erste Schritt, den wir hätten gehen | |
müssen, wäre allerdings die Erstellung eines Gutachtens gewesen, ob sich | |
eine Restaurierung überhaupt lohnt. Und diese Gutachten kosten auf dem | |
freien Markt knapp 8.000 Euro. Zum Glück hat uns dann York Rieffel vom | |
Landesdenkmalamt zwei Studentinnen der Restauration von der Fachhochschule | |
Potsdam vermittelt. Wir haben das Gerüst bezahlt und die beiden Frauen | |
haben zwei Monate lang Proben genommen und Analysen erstellt. | |
Und dann ging es los? | |
Noch nicht ganz. Wir mussten noch den Besitzer des Nachbarhauses | |
verpflichten, über einen längeren Zeitraum keine Wärmedämmungsmaßnahmen | |
durchzuführen, Außerdem mussten wir die Finanzierung klären: Einen großen | |
Teil hat das Landesdenkmalamt bezahlt, einen kleineren Teil wir Eigentümer, | |
aber das reichte noch nicht. Da sprang dann eine Förderung der Deutschen | |
Stiftung Denkmalschutz ein. 2018 war es dann so weit. Die beiden | |
Restauratorinnen konnten loslegen. | |
Wie gefällt Ihnen heute die Wand? | |
Sie wurde so restauriert, dass man alles besser erkennen kann, aber es | |
wurde nichts nachgemalt. Am Tag des offenen Denkmals im September hatten | |
wir 120 Besucher in drei Stunden. | |
Wie gefällt die Wand den anderen Bewohnern der Fichtestraße? | |
Hier in der Fichtestraße war immer viel politische Aktion, viel Protest. | |
Wir haben von einigen Nachbarn gehört, dass wir es uns hier nur für uns | |
selbst hübsch machen wollen. Ich finde aber, wir haben hier wirklich etwas | |
für die Allgemeinheit erreicht. | |
Ist es nicht normal, dass Wandbilder auch wieder verschwinden? | |
Das ist eine Perspektive, der ich auch etwas abgewinnen kann. Einem Teil | |
der Straßenkunst tut es nicht gut, wenn man sie konserviert. Aber dieses | |
Wandbild hat viel mit der Stadtgeschichte zu tun. Es bringt eine bestimmte | |
Lebensauffassung zum Ausdruck, die das Bürgertum Ende des 19. Jahrhunderts | |
hatte. Der Adel hatte Schlösser und Gärten. Hier, im Hinterhof, wollte das | |
Bürgertum wenigstens einen schönen Blick, ein Bild von einem idyllischen | |
Arkadien. Ich finde es nicht schlecht, wenn ein solches Wandbild erhalten | |
bleibt. | |
Was halten Sie davon, dass manche Immobilienfirmen den Wert großer | |
Wandmalereien für sich entdeckt haben und mit Wandbildern für ihre | |
Wohnungen werben? | |
Nichts, aber auch gar nichts ist gefeit vor kapitalistischer Verwertung. | |
Sie können machen, was sie wollen. Alles wird irgendwann zur Ware. | |
9 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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