# taz.de -- Korruptionsaffäre von Israels Premier: Springer-Chef als Zeuge gel… | |
> Benjamin Netanjahu wird wegen Korruption angeklagt. In der Anklageschrift | |
> taucht der Springer-Verlag auf, Mathias Döpfner soll aussagen. | |
Bild: Wird Springer-Chef Mathias Döpfner Netanjahu belasten? | |
BERLIN taz | Es war eine Nachricht, die über die Grenzen Israels hinaus auf | |
den Titelseiten der Welt landete: Am Donnerstag, den 21. November, | |
entschied Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit, gegen | |
Premierminister Benjamin Netanjahu Anklage zu erheben. Netanjahu wird unter | |
anderem Korruption vorgeworfen. Ob er sich als Premier halten kann, ist | |
unklar. | |
Wer die 63 Seiten der Anklageschrift genau liest, stößt darin auch auf ein | |
deutsches Unternehmen: den Axel-Springer-Verlag, das größte Verlagshaus | |
Europas, das seit jeher eine enge Verbindung zu Israel und seit 2009 eine | |
besonders enge zu Netanjahu pflegt. [1][Am Montag hat die israelische | |
Staatsanwaltschaft eine Liste mit 333 Zeugen veröffentlicht], die vor | |
Gericht aussagen sollen. Neben den Namen von mehreren israelischen | |
Politikern und ausländischen Geschäftsmännern steht dort auch der Name von | |
Mathias Döpfner, des Vorstandsvorsitzenden von Springer. | |
Die Frage ist, ob Döpfner Netanjahu als Zeuge belasten wird. Und ob Döpfner | |
davon wusste, dass Springers Geschäfte in Israel eine Rolle in Netanjahus | |
mutmaßlich illegalen Absprachen spielten. | |
Die Zeitungen des Verlags berichten zurückhaltend über die | |
Korruptionsaffäre. In der Welt hieß es etwa: „In einem der Fälle geht es um | |
den Verdacht, dass Netanjahu als Kommunikationsminister dem Unternehmen | |
Bezeq rechtliche Begünstigungen gewährt habe.“ Dass bei diesem Verdacht ein | |
Geschäft mit dem Springer-Verlag eine Rolle spielt, erwähnt die Zeitung | |
nicht. | |
## Es drohen bis zu zehn Jahre Haft | |
Netanjahu wird in insgesamt drei Fällen angeklagt. Es geht um Bestechung, | |
Betrug und Veruntreuung. Für Bestechung drohen bis zu zehn Jahre Haft, für | |
Betrug und Veruntreuung bis zu drei Jahre. | |
In einem der drei Korruptionsfälle, der Elovitch-Affäre, geht es um die | |
Beziehung zwischen Netanjahu und dem Geschäftsmann Schaul Elovitch, der | |
Besitzer mehrerer Telekommunikationsfirmen war. Die Beziehung zwischen den | |
beiden Männern wird in der Anklageschrift als ein gegenseitiges „Geben und | |
Nehmen“ bezeichnet. Elovitch soll dafür gesorgt haben, dass auf der | |
Nachrichten-Webseite Walla, die zu seinem Unternehmen gehört, positiv über | |
Netanjahu und dessen Familie berichtet wird. Walla ist eine der größten | |
hebräischen Nachrichtenwebsites. Im Gegenzug soll Netanjahu ihn unter | |
anderem durch Reformen im Medienmarkt begünstigt haben. | |
Nun kommt Springer ins Spiel. Elovitch wollte eine Kleinanzeigen-Website an | |
den Verlag verkaufen und benötigte dafür die Zustimmung von Netanjahu und | |
von Kommunikationsminister Gilad Erdan, so sieht es das israelische Recht | |
vor. Laut Anklageschrift machte Elovitch bei Netanjahu Druck, um die beiden | |
Unterschriften zu bekommen. Und es ging schnell: Die Website Yad2 | |
(hebräisch für Zweite Hand) wurde im Mai 2014 für [2][806] Millionen | |
Schekel, etwa 165 Millionen Euro, an Springer verkauft. Neun Tage danach | |
kam die behördliche Genehmigung – eine Geschwindigkeit, die der | |
Staatsanwaltschaft verdächtig vorkommt. | |
In der Anklageschrift wird problematisiert, dass die staatliche Genehmigung | |
durch Netanjahu in außergewöhnlicher Eile zustande kam. Der Vorgang gilt | |
als einer von mehreren Hinweisen, die zeigen sollen, dass sich Netanjahu | |
von Elovitch korrumpieren ließ. Laut Anklageschrift veröffentlichte | |
Elovitchs Nachrichten-Website Walla kurz vor der Genehmigung Artikel, die | |
von Netanjahu persönlich bestellt wurden. | |
[3][Der hohe Kaufpreis sorgte damals in Israel für Verwunderung], ein Monat | |
zuvor hatte Elovitch die Website noch für [4][300 Millionen Schekel] zum | |
Kauf angeboten. Springer zahlte mehr als doppelt so viel. Eine | |
„fantastische Summe“, schrieb die israelische Wirtschaftszeitung | |
[5][Globes] und fragte, welchen versteckten Wert Springer erkenne, den | |
niemand anders sehe. | |
Springer hat sich bisher nicht öffentlich dazu geäußert, dass der Verlag in | |
der Anklageschrift gegen Netanjahu auftaucht. Im Jahr 2017 sagte die | |
Springer AG dem israelischen Onlinemagazin für Medienkritik, The Seventh | |
Eye, das ausführlich über die Geschichte berichtete, dass sie „vor der | |
Übernahme von Yad2 im Jahr 2014 ausschließlich mit den Verkäufern und nicht | |
mit Politikern verhandelt“ habe. | |
## „Der sture Deutsche“ | |
Springer spielt auch in einem weiteren Teil der Anklage eine Rolle, der | |
Mozes-Affäre. Hier wird der Verlag nicht in der Anklageschrift erwähnt, er | |
taucht aber in Tonaufnahmen auf, die Gegenstand der Anklageschrift sind. Es | |
geht um die Gespräche zwischen Netanjahu und seinem Rivalen Noni Mozes, dem | |
Herausgeber von Israels größter Zeitung, Jediot Ahronot, die traditionell | |
kritisch über Netanjahu berichtet. Auch in diesem Fall soll Netanjahu eine | |
positive Berichterstattung verlangt und im Gegenzug unter anderem | |
versprochen haben, die Verbreitung einer Gratiszeitung zu begrenzen, der | |
größten Konkurrenz von Jedioth Ahronot. Und: Möglicherweise hat Netanjahu | |
Mozes angeboten, seine guten Kontakte zum Springer-Verlag zu nutzen. | |
Zwei von den Gesprächen zwischen Mozes und Netanjahu, die nach der | |
Regierungskrise Ende 2014 stattfanden, wurden von einem Berater von | |
Netanjahu aufgenommen und gelangten an die Polizei und schließlich an | |
[6][israelische Medien]. Dabei ging es auch um die Vermittlung von | |
möglichen ausländischen Investoren für die finanziell belastete Zeitung | |
durch den gut vernetzten Netanjahu. Bei einem Gespräch im Dezember 2014 | |
fragte Netanjahu, ob „der Deutsche schon angerufen oder etwas geschickt“ | |
habe. Darauf antwortet Mozes, dass er mit den „sturen Deutschen“ in Kontakt | |
stehe und wegen des bevorstehenden Weihnachtsfests einen Termin erst für | |
Januar 2015 vereinbart habe. | |
Wie israelische Medien berichteten, ist mit „dem Deutschen“ der Verleger | |
Mathias Döpfner gemeint. [7][Channel 2 berichtete] aus polizeilichen | |
Ermittlungen, die besagten, dass Netanjahu mit dem Vorsitzenden des | |
Unternehmens, Mathias Döpfner, gesprochen und ihm gesagt habe, dass „es | |
wichtig ist, die Zeitung zu kaufen“. Springer hat das gegenüber | |
israelischen Medien jedoch bestritten. „Axel-Springer hat nie in Betracht | |
gezogen, Jediot Ahronot zu kaufen, eine Verhandlung darüber fand nie | |
statt“, sagte der Verlag dem israelischen Onlinemagazin [8][The Seventh | |
Eye]. Der Mitschnitt des Gesprächs weist aber zumindest darauf hin, dass | |
Verleger Noni Mozes mit Springer in Kontakt stand. | |
Springer wollte sich auf Anfrage nicht zu konkreten Fragen äußern und | |
verweist auf das laufende Verfahren. | |
## Springers Beziehung zu Netanjahu | |
In der Berichterstattung pflegt Springer seit Langem eine enge Beziehung zu | |
Netanjahu. Als dieser 2009 zum Premierminister gewählt wurde, gab er sein | |
erstes Interview überhaupt der Bild-Zeitung: „Noch bevor er mit den | |
israelischen Medien sprach, gaben wir ihm eine Bühne vor dem deutschen und | |
europäischen Publikum“, erklärte damals stolz Kai Diekmann in einem | |
[9][Interview mit der Ha’a]retz. Drei Jahre danach gab Sara Netanjahu der | |
Bild-Zeitung ihr erstes [10][Auslandsinterview] und Bild berichtete | |
schmeichelnd über die „First Lady“ Israels. | |
Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass Springer von den möglicherweise | |
illegalen Absprachen zwischen Elovitch und Netanjahu über den Kauf von Yad2 | |
gewusst hat. Auch eine Investition in Jediot Ahronot kam nicht zustande. | |
Doch selbst wenn dem Springer-Verlag kein Fehlverhalten nachgewiesen werden | |
kann, ist unklar, warum der Verlag in seinen Berichten über die | |
Korruptionsaffäre nicht transparent mit der eigenen Rolle umgeht. | |
Springer kann nun bei der Aufklärung helfen, Döpfner könnte den | |
israelischen Gerichten erklären, was er weiß. Auf Anfrage der taz sagt | |
Springer dazu, Döpfner kooperiere “selbstverständlich mit der | |
Staatsanwaltschaft“. Bisher habe man auf einen Transparenzhinweis | |
verzichtet, da nicht gegen Axel Springer als Unternehmen und auch nicht | |
gegen Mitarbeiter ermittelt werde. Vielleicht ändert sich das ja, wenn ihr | |
Vorstandsvorsitzender als Zeuge aussagen soll. | |
Indessen zeigt sich Netanjahu wenig beeindruckt von der Veröffentlichung | |
der Zeugenliste. Auf [11][Twitter] ließ er seine Follower wissen: „Wenn | |
eine Klage wahr ist, braucht man keine 333 Zeugen, und wenn eine Klage | |
falsch ist, werden nicht einmal 333 Zeugen helfen.“ | |
Zumindest bei einer anderen Korruptionsaffäre ist Netanjahu offiziell aus | |
dem Schneider. [12][Wie Ha’aretz ] berichtet, wird die Staatsanwaltschaft | |
in den kommenden Tagen die Anklageschrift in der [13][U-Boot-Affäre] | |
veröffentlichen. Es sollen mehrere Generäle und Personen aus dem engen | |
Kreis von Netanjahu, aber nicht der Premier selbst, wegen Bestechung, | |
Geldwäsche und mutmaßlichen Betrugs angeklagt werden, die in Zusammenhang | |
mit dem Kauf mehrerer U-Boote und Korvetten von ThyssenKrupp Marine | |
standen. [14][In diesem Fall ermittelt auch die deutsche | |
Staatsanwaltschaft], ob Schmiergelder aus Deutschland geflossen sind. | |
4 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://pic-upload.ynet.co.il/news/KTAV_ESHUM.pdf | |
[2] https://www.axelspringer.com/en/press-releases/axel-springer-acquires-leadi… | |
[3] https://www.themarker.com/technation/1.2325706 | |
[4] https://www.calcalist.co.il/local/articles/0,7340,L-3627732,00.html | |
[5] https://www.globes.co.il/news/article.aspx?did=1000944907 | |
[6] https://13news.co.il/item/news/domestic/crime-law/netanyahus-investigations… | |
[7] https://www.mako.co.il/news-military/politics-q1_2017/Article-b2eb6d39043a9… | |
[8] https://www.the7eye.org.il/232607 | |
[9] https://www.haaretz.co.il/misc/1.1295137 | |
[10] https://www.bild.de/politik/ausland/benjamin-netanjahu/sara-netanjahu-isra… | |
[11] https://twitter.com/netanyahu/status/1201525993783083008 | |
[12] https://www.haaretz.co.il/news/law/.premium-1.8219065 | |
[13] /Israels-U-Boot-Affaere/!5424997 | |
[14] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/korruptionsvorwuerfe-de… | |
## AUTOREN | |
Kersten Augustin | |
Yossi Bartal | |
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