| # taz.de -- Korruptionsskandal in Israel: Netanjahu darf wieder ran | |
| > Trotz Korruptionsanklage kann der israelische Premier erneut | |
| > Ministerpräsident werden. Der oberste Gerichtshof billigte nun die | |
| > Regierungspläne. | |
| Bild: Anti-Netanjahu-Demonstrant*innen verfolgen per Livestream die Sitzung des… | |
| TEL AVIV taz | Der israelische Interimsministerpräsident Benjamin Netanjahu | |
| darf erneut Ministerpräsident werden. Dies entschied der oberste | |
| Gerichtshof am Mittwochabend. | |
| Am vergangenen Sonntag und Montag hörten elf Richter insgesamt acht | |
| verschiedene Petitionen zu zwei unterschiedlichen Fragestellungen an: Kann | |
| ein Angeklagter, wie Netanjahu es ist, Ministerpräsident werden? Und: Ist | |
| die [1][komplizierte Regierungsvereinbarung] zwischen Netanjahu und seinem | |
| bisherigen Rivalen Benny Gantz von der Partei Blau-Weiß, die eine Reihe von | |
| Gesetzesänderungen erfordert, rechtens? | |
| Zentraler Kritikpunkt der Petitionäre war vor allem die Schaffung des | |
| Postens des „alternierenden Ministerpräsidenten“. In Israel dürfen | |
| Politiker*innen seit einer Gesetzesregelung der 1990er Jahre zwar nicht | |
| Minister sein, wenn sie angeklagt sind, für den Posten des | |
| Ministerpräsidenten wurde aber kein solches Gesetz verabschiedet. | |
| Netanjahu wird laut der Regierungsvereinbarung also nach 18 Monaten, wenn | |
| Gantz ihn als Ministerpräsident ablöst, nicht zum Vize-Ministerpräsidenten | |
| und damit zum einfachen Minister, sondern behält mit dem Titel | |
| „alternierender Ministerpräsident“ [2][sämtliche Rechte des | |
| Ministerpräsidenten]. | |
| ## Anhörung als Spektakel | |
| „Wir fanden keinen rechtlichen Grund, Ministerpräsident Netanjahu an der | |
| Bildung einer Regierung zu hindern“, erklärte das oberste Gericht. Die Jury | |
| fügte jedoch hinzu: „Die rechtliche Schlussfolgerung, zu der wir kamen, | |
| schmälert nicht die Schwere der anhängigen Vorwürfe gegen Netanjahu wegen | |
| Verstößen gegen moralische Integrität sowie die Problematik, die sich für | |
| die Amtszeit eines Ministerpräsidenten ergibt, der krimineller Aktivität | |
| beschuldigt wird.“ | |
| Am Dienstag und Mittwoch hatten Gantz und Netanjahu noch kleine Änderungen | |
| an den Regelungen ihrer Regierungsvereinbarung vorgenommen und so das grüne | |
| Licht des obersten Gerichtshofs ermöglicht. Die Richter*innen deuteten | |
| jedoch an, dass Gesetze, die als Teil der Vereinbarung ihren Weg durch die | |
| Knesset finden, nach ihrer Verabschiedung immer noch angefochten werden | |
| können. Teile der Vereinbarung werfen „erhebliche Schwierigkeiten“ auf, | |
| sagten sie. | |
| Die Anhörung war ein kleines Medienspektakel. Zum ersten Mal in der | |
| israelischen Geschichte wurde eine solche Verhandlung öffentlich im | |
| Fernsehen übertragen. Laut Medienberichten schalteten eine Million | |
| Israelis, also jede*r Neunte in diesem Land, ein. | |
| Offiziell begründet wurde die Übertragung vonseiten des Gerichts mit dem | |
| Wunsch, der Öffentlichkeit ihre Arbeit zugänglicher zu machen. Es wird | |
| jedoch vermutet, dass die Richter*innen so auch einer Tendenz | |
| entgegenwirken wollten, die vor allem unter Netanjahu-Anhänger*innen | |
| verbreitet ist: Diese versuchen die Macht des obersten Gerichts zu | |
| untergraben und es als nichtdemokratische Instanz zu delegitimieren. | |
| Mit der Entscheidung wird eine politische Sackgasse beendet, die Israel | |
| Anfang März in die dritten Wahlen innerhalb eines Jahres gezwungen hatte. | |
| Die neue Regierung könnte bereits kommende Woche vereidigt werden, | |
| erklärten Netanjahu und Gantz. Gantz hat sich [3][angesichts der | |
| Coronapandemie im April zu einer „Notfall“-Koalition] bereit erklärt. | |
| 7 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Judith Poppe | |
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