# taz.de -- Die Wahrheit: Heimlich heimlich | |
> Tagebuch einer Flugheilerin: Auf dem Trip in den Norden Englands brach | |
> plötzlich ein Nussallergie-Notfall aus! Zum Glück gibt es die Beatles. | |
Neulich erhielt ich eine Einladung nach Manchester. Englands Norden hatte | |
ich bisher vernachlässigt, also plante ich gleich noch einen Besuch in | |
Liverpool. Manchester hat Marx und Engels, aber Liverpool punktet mit Salah | |
und Klopp! Und den Beatles! Zur Vorbereitung guckte ich noch schnell | |
„[1][Carpool Karaoke]“ mit Paul McCartney und vergoss literweise | |
Begeisterungstränen. | |
Zwischen mir und den „blue suburban skies“ von Penny Lane lag nur noch der | |
Ärmelkanal, als eine Ansage durch die Maschine schallte, an Bord befinde | |
sich ein Passagier mit einer schweren Nussallergie. Deshalb würden keine | |
Nüsse verkauft, und es sei davon Abstand zu nehmen, Nusstüten zu öffnen | |
oder gar deren Inhalt zu verzehren. Wie es das Schicksal wollte, kaute ich | |
gerade an einem XXL-Nussriegel, endlose in Gefangenschaft verbrachte | |
Stunden auf Rollfeldern haben mich gelehrt, der Auszehrung vorzubeugen. | |
Beunruhigt scannte ich meine Umgebung nach Symptomen, aber meine | |
Sitznachbarn atmeten regelmäßig. Das konnte sich ändern. Ich begann, wie | |
besessen zu kauen. Leider blieb mir vor Aufregung die Spucke weg und der | |
Nussbatzen auf halbem Weg ins sichere Magenversteck hängen. Ich erstickte, | |
während ich mich für einen vom Koma bedrohten Mitpassagier opferte! | |
Die Aussicht, die Welt zu verlassen, ohne einen Liverpooler Pub von innen | |
gesehen zu haben, brachte mich zur Besinnung, ich wagte im Selbstversuch | |
eine abgewandelte Version des „Heimlich-Manövers“ und verteilte als | |
erfolgreiches Resultat explosionsartig nusshaltige Substanzen über die | |
Kabine. | |
## A Day in the Life | |
Wundersamerweise starb aber niemand, weshalb ich mich am Abend in Liverpool | |
unbeschwert einer zufällig vorbeikommenden „Toxteth Day of the | |
Dead“-Prozession anschloss, in der ein halloweenmäßig kostümiertes | |
Trüppchen zur Kathedrale ausrückte, um im Schein von Fackeln und unter | |
mystischen Klängen sieben mit der Asche von Verstorbenen gefüllte | |
Ziegelsteine zu einer Pyramide zu mauern. England halt. | |
Anschließend schaffte ich es in diverse Pubs, zu den eher grauen Himmeln | |
von Penny Lane und in Manchester in die Chetham Library an den | |
Bibliothekstisch von Marx. Ich war mit meiner Mission zufrieden. | |
Bei der Ausreise mühte sich ein englischer Sicherheitsbeamter rührend, | |
meine mitgeführten Flüssigkeiten in einen winzigen Plastikbeutel zu | |
zwängen, derweil im Stau hinter mir stoische Ruhe herrschte. | |
Zurück in Berlin-Tegel, kämpfte vor mir eine Frau mit dem automatischen | |
Passscanner, worauf zwei missgelaunte deutsche Herren sich bemüßigt | |
fühlten, sie lauthals und hämisch für „zu dumm“ zu befinden. Ich wünsch… | |
ihnen, bei nächster Gelegenheit wegen mangelnder Hilfe vor einem Scanner zu | |
verrotten und dann in Form von Asche in Ziegeln zu landen, aus denen in der | |
künftigen BER-Haupthalle eine Pyramide als Warnung für asoziale Mitreisende | |
gebaut wird. Bis Oktober ist ja noch Zeit. | |
5 Dec 2019 | |
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[1] https://www.youtube.com/watch?v=QjvzCTqkBDQ | |
## AUTOREN | |
Pia Frankenberg | |
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