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# taz.de -- Gefühle im Shitstorm: Die anderen sind schlimmer
> Menschen, die einen Shitstorm von außen miterleben, entwickeln
> ambivalente Gefühle und unterschätzen die Beteiligten. Das zeigt ein
> Experiment.
Bild: Shitstorms wecken oft widersprüchliche Gefühle
Denken Sie an den letzten Shitstorm, den Sie online beobachtet haben. Sie
lasen Dutzende, vielleicht sogar Tausende negative Kommentare, in denen
über eine Person und deren moralisch fragwürdige Handlung geurteilt wurde.
Erinnern Sie sich noch, wie Sie sich fühlten? Es ärgerte Sie vielleicht,
was die Person getan hatte. Gleichzeitig verspürten Sie möglicherweise ein
wenig Mitleid. Schienen die Reaktionen nicht etwas übertrieben?
Mit einer solchen Ambivalenz sind Sie nicht allein. Takuya Sawaoka und
Benoît Monin von der Universität Stanford sind in ihrer Forschung kürzlich
der Frage nachgegangen, ob virale Empörung dazu taugt, Beobachterinnen und
Beobachter davon zu überzeugen, dass der „Täter“ oder die „Täterin“
tadelnswert ist. [1][Ihre Studie], die aus sieben unterschiedlichen
Experimenten besteht und im Fachjournal Social Psychological and
Personality Science veröffentlicht wurde, zeigt, dass ein Shitstorm
widersprüchliche Gefühle weckt.
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden veränderte Social-Media-Posts
vorgelegt; etwa ein „Selfie“ in Auschwitz oder ein Politiker, der sich
abschätzig über den „Women’s March“ äußerte („hoffentlich sind die …
rechtzeitig zurück, um das Abendessen zu kochen“). Die Teilnehmenden
bekamen entweder zwei oder zehn negative Reaktionen zu den Posts zu lesen.
Zehn Reaktionen galten in dem Experiment als virale Empörung. Das sind zwar
wenig Kommentare im Vergleich zu den meisten Shitstorms; für die Messung
war es aber treffsicherer. Anschließend beantworteten sie eine Reihe von
Fragen.
## Gegensätzliche Gefühle
Wer zehn negative Postings liest, also quasi einen Shitstorm beobachtet,
verurteilt die Person, der dieser galt, eher. Der wichtigste Faktor dabei
war, ob man glaubte, dass „andere Leute“ die Person stark verurteilten.
Gleichzeitig schwächte ein weiterer Faktor die Auswirkung der Posts auf die
Verurteilung ab: Hatte man das Gefühl, dass die Bestrafung zu hoch ausfiel,
die Person im Auge des Shitstorms also zu viel abbekam, milderte das die
persönliche Verurteilung.
Ein Shitstorm weckt also gegensätzliche Gefühle. Das Mitgefühl erhielten
prominente „Opfer“ übrigens ebenso wie unbekannte. Ebenfalls keinen
Unterschied machte es, wie „schlimm“ die Tat eingeschätzt wurde.
Wir sind also eher bereit, Menschen zu verurteilen, wenn wir glauben, dass
die Mehrheit derselben Meinung ist. So weit nichts Neues. In einem der
Experimente fragten die Forscher allerdings ab, wie man die eigene Empörung
im Vergleich zu der der anderen einschätzte. Das Ergebnis ist
beeindruckend: Sie hielten die anderen für deutlich aufgeregter.
Gleichzeitig unterschätzten sie das Mitgefühl der anderen, dachten also,
mit dem Gefühl, der Shitstorm wäre unverhältnismäßig, stünden sie allein
da.
„Virale Empörung demokratisiert den moralischen Fortschritt“, schreiben die
Forscher in der Einleitung. Einerseits. Andererseits sind diese Mechanismen
ziemlich alt und bekannt.
28 Nov 2019
## LINKS
[1] https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1948550619853595?journalCode=s…
## AUTOREN
Anna Goldenberg
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