# taz.de -- Nach der Landtagswahl in Thüringen: Fast eitel Sonnenschein | |
> So könnte eine Minderheitsregierung klappen: In der ersten Sitzung nimmt | |
> der Thüringer Landtag seine Arbeit auf – und hält gegen rechts zusammen. | |
Bild: Selfie mit neuer Landtagspräsidentin: Susanne Hennig-Wellsow (mit Smartp… | |
ERFURT taz | Warum sollen in Thüringen nicht Regierungsmodelle jenseits | |
klassischer Koalitionsmehrheiten möglich sein? Die konstituierende Sitzung | |
des Landtags vier Wochen nach [1][der Wahl] jedenfalls war nicht von | |
Konfrontationen geprägt. Die Linke Birgit Keller wurde im ersten Wahlgang | |
[2][zur neuen Landtagspräsidentin gewählt]. | |
Sie erhielt zehn Stimmen mehr, als von der bisherigen rot-rot-grünen | |
Koalition zu erwarten waren, mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der CDU. | |
Gegen die Änderung der Geschäftsordnung, die künftig jeder der sechs | |
Fraktionen einen Vizepräsidenten zubilligt, stimmte nur die AfD. | |
Seit jeher geht es im Thüringer Landtag freundlicher und verbindlicher zu | |
als beispielsweise in Sachsen. Angesichts der uneindeutigen | |
Mehrheitsverhältnisse mag die Überlegung mitschwingen, dass man womöglich | |
aufeinander angewiesen sein könnte. Alterspräsident Karlheinz Frosch von | |
der AfD eröffnete mit dem hehren Appell, bei Meinungsverschiedenheiten | |
„fair, sachlich und vorwurfsfrei“ miteinander umzugehen. Auch | |
AfD-Landeschef Björn Höcke, der im Moment ohnehin Kreide gefressen hat, | |
redete länger auf Birgit Keller ein. | |
Die ging über die üblichen Antrittsformeln einer Präsidentin des gesamten | |
Landtages hinaus, als sie an den Herbst 1989 und ihre eigene Rolle als | |
hauptamtliche Funktionärin der FDJ und der SED in der DDR erinnerte. Fast | |
auf den Tag genau vor 30 Jahren war der Aufruf „Für unser Land“ | |
veröffentlicht worden, der auf einen demokratischen Sozialismus zielte. Sie | |
habe sich 1990 dennoch nicht für einen Rückzug ins Private, sondern für das | |
Engagement entschieden, sagte die bisherige Infrastrukturministerin. „Und | |
ich habe mich nie der Verantwortung entzogen, SED-Unrecht klar zu | |
benennen.“ | |
## Streit um die Vizepräsident*innen | |
Den einzigen Dissens trug die AfD als zweitstärkste Fraktion in die | |
Eröffnungssitzung. Der parlamentarische Geschäftsführer Stefan Möller | |
lehnte die Erweiterung des Landtagspräsidiums auf fünf Vizepräsidenten ab. | |
Darauf hatten sich alle anderen Fraktionen verständigt. Das Argument der | |
Chancengleichheit für alle Fraktionen sei nur vorgeschoben, wenn zugleich | |
die Weigerung angekündigt werde, einen AfD-Vizepräsidenten zu wählen. | |
So kam es tatsächlich: Das aus dem Bundestag bekannte Schauspiel | |
wiederholte sich auch in Erfurt. AfD-Kandidatin Tosca Kniese, eine von | |
lediglich drei Frauen in der 22-köpfigen Fraktion, fiel mit nur 39 Stimmen | |
von 90 Abgeordneten durch. Ein alternativer Personalvorschlag lag nicht | |
vor. Die Vorschläge von CDU, SPD, FDP und Bündnisgrünen kamen hingegen auf | |
Anhieb durch. | |
Die Regierungsbänke blieben leer. Ein sichtlich gut gelaunter | |
Ministerpräsident Bodo Ramelow saß auf seinem Abgeordnetenplatz bei der | |
Linken. Im Februar will er sich erneut zur Wahl stellen. Das wollte sein | |
CDU-Kontrahent Mike Mohring auch und warb um die Unterstützung von FDP und | |
SPD. Doch [3][sein Zickzackkurs zwischen CDU-geführter | |
Minderheitsregierung, womöglich bei Tolerierung durch die AfD], und | |
kryptischen Andeutungen einer Tolerierung des bisherigen | |
Rot-Rot-Grün-Bündnisses kostet ihn zunehmend auch die Unterstützung in | |
seiner eigenen Partei. | |
Am vergangenen Wochenende war auf dem Landestag der Jungen Union sogar | |
überwiegende Ablehnung zu spüren. Von der Thüringer Allgemeinen befragt, | |
verzichtete Mohring auf eine Kandidatur als Ministerpräsident. | |
Kultusminister Helmut Holter (Linke) rechnet mit einer Minderheitsregierung | |
von Linken, SPD und Grünen. Es mehren sich die Anzeichen für die | |
Bereitschaft der CDU, in Sachfragen mit einer solchen Koalition | |
zusammenzuarbeiten. | |
26 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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