# taz.de -- Neonazi- und Gegendemo in Hannover: Tausende für die freie Presse | |
> In Hannover haben am Samstag fast 8.000 Menschen gegen einen NPD-Marsch | |
> protestiert. Die Rechtsextremen wollten Journalist*innen einschüchtern. | |
Bild: Ein vermummter Neonazi auf der Demo in Hannover | |
HANNOVER taz | In Hannover sind am Samstag an die 8.000 Menschen für die | |
Pressefreiheit und gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Das | |
Bündnis „Bunt statt braun“ stellte sich mit dieser Zahl knapp 120 Neonazis | |
entgegen, die eine Demo gegen kritische Journalisten angemeldet hatten. | |
Auf der Bühne des Bündnisses auf dem Aegidientorplatz waren die | |
Redner*innen über den großen Zulauf bei der Gegendemo mehr als beeindruckt. | |
„Wir stehen an der Seite der Journalistinnen und Journalisten“ sagte der | |
neue Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). Menschenfeindlichkeit, | |
Antisemitismus und Rassismus hätten in der niedersächsischen | |
Landeshauptstadt keinen Platz. „Wir sind mehr.“ | |
Keine 25 Minuten Fußweg entfernt versammelten sich am Nachmittag auf der | |
Bismarckstraße die Rechtsextreme. Erstmals hatte die rechtsextreme Partei | |
NPD direkt gegen die Medien und einzelne Journalist*innen einen Aufmarsch | |
organisiert: unter dem Motto „Schluss mit steuerfinanzierter Hetze – | |
Feldmann in die Schranken weisen“, bezugnehmend auf [1][Julian Feldmann], | |
freier Journalist beim NDR, von dem auch auf dem Führungstransparent des | |
Marsches ein durchgestrichenes Bild zu sehen war. | |
Weitere Transparente der Neonazis ehrten indes die Holocaust-Leugnerin | |
Ursula Haverbeck und den verstorbenen NS-Kriegsverbrecher Karl Münter. | |
Julian Feldmann hatte für „Panorama“ ein Interview mit Münter geführt, d… | |
relativiert dieser den Holocaust und verhöhnt die Opfer eines SS-Massakers. | |
Dieser Beitrag Feldmanns verärgert die Szene besonders. | |
## Die Polizei schützt die Falschen | |
Die Polizei hatte den Aufmarsch in der Südstadt zwischenzeitlich verboten, | |
doch das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hob dieses Verbot wieder | |
auf. Bei der Abschlusskundgebung kommentierte Landesinnenminister Boris | |
Pistorius (SPD) den gescheiterten Verbotsversuch: „Ich ärgere mich lieber | |
über die Entscheidung eines unabhängigen Gerichts, als Gerichte zu haben, | |
die von einem Staatspräsidenten gelenkt werden.“ Es ein eine Grenze | |
überschritten. Demokratie sterbe von unten, wenn Journalist*innen an den | |
Pranger gestellt und bedroht würden. Zu dem Gegenprotest hatten | |
Journalist*innenverbände mit aufgerufen. | |
Doch während der Minister klare Worte für die Medien fand, schritt die | |
Polizei gegen Journalist*innen ein. Die NPD-Anhänger waren noch nicht | |
losmarschiert, als einige unter ihnen begannen den Pressefotografen | |
[2][David Janzen] zu beleidigen und ihn am Fotografieren zu hindern. Janzen | |
wird schon länger von Rechten bedroht und auch im Aufruf zum Aufmarsch | |
namentlich benannt. Die Rechtsextremen schubsten weitere Journalist*innen, | |
drängelten und versuchten sogar, einen Journalisten mit einem Kopfstoß zu | |
verletzen. Die Polizei griff bald ein – und drängte jedoch die | |
Journalist*innen ab. | |
Ebenso lief es wenig später, als ein aggressiver NPD-Ordner die | |
Journalist*innen vor dem Aufmarsch bedrohte. Auch hier übernahm daraufhin | |
die Polizei: 20, 30 Meter Abstand sollten die Medienvertreter*innen nun | |
einhalten, die Fotograf*innen nur auf dem Gehweg stehen. Auf Kritik an dem | |
Vorgehen reagierte die Pressestelle der Polizei via Tweet: „Wir möchten | |
darauf hinweisen, dass unsere Kollegen während des Einsatzes die | |
Pressefreiheit schützen und für die Sicherheit aller sorgen“. | |
Den Marsch begleitend sagte die Rechtsextremismusexpertin und Journalistin | |
Andrea Röpke: „Es ist wie so oft, die Polizei behindert unsere Arbeit, wir | |
werden abgedrängt, können nicht fotografieren, sie sehen uns als Störer“. | |
Wenig später auf einer Zwischenkundgebung wetterte Sven Skoda, Vorsitzender | |
von „Die Rechte“, über die Presse als „Brunnenvergifter“ und „Schäd… | |
„Wir vergessen nichts, Gott kennt vielleicht Gnade, wir nicht“. Beim Marsch | |
wurden auch gleich Journalist*innen wieder namentlich benannt – als Feinde | |
markiert, die auch Adressen hätten. Es handelt sich bei alledem um eine | |
Machtdemonstration und Einschüchterungsstrategie gegenüber den | |
Journalist*innen, die am rechten Rand recherchieren. | |
## Reichweite für den Brandstifter | |
Einige Rechtsextreme auf der Demo waren vermummt, was nicht geahndet wurde, | |
wie es von linken Demos bekannt und im niedersächsischen Versammlungsgesetz | |
eigentlich festgeschrieben ist. Auch dies erklärte die Polizei bei Twitter: | |
„Unsere Kollegen haben mit den vermummten Personen gesprochen, demnach | |
diente die Vermummung nicht zur Verhinderung der Identitätsfeststellung.“ | |
Auf Nachfrage des Journalisten Patrick Gensing hieß es: „Die Teilnehmer | |
gaben an, dass sie nicht auf Bildern der Medienvertreter erkennbar sein | |
wollten“. | |
Aber auch einige Medienvertreter*innen verhielten sich irritierend. Gleich | |
zu Beginn des Marschs wurde NPD-Bundesvize Thorsten Heise von | |
Medienvertreter*innen für Interviews umringt. Damit verschafften sie ihm | |
Gehör, nachdem ihm die Polizei für Samstag eigentlich ein Redeverbot | |
erteilt hatte. Heise hatte auf dem von ihm ausgerichteten Festival „Schild | |
und Schwert“ öffentlich eine Drohung gegen Julian Feldmann ausgesprochen: | |
„Der Revolver ist geladen“. | |
Der Autor [3][gehört ebenfalls zu den namentlich angefeindeten | |
Journalist*innen]. Er hat auf der Abschlusskundgebung der Gegendemo | |
gesprochen. Er sprach sich dafür aus, „nicht einzuknicken“. | |
24 Nov 2019 | |
## LINKS | |
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[2] /Pressefreiheit-und-Rechtsextremismus/!5638645 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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