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# taz.de -- Prozess gegen Ölkonzern: Exxon wusste alles
> Der Ölkonzern Exxon weiß seit Jahrzehnten, dass sein Geschäft das Klima
> zerstört. Jetzt wird er deshalb in New York verklagt.
Bild: Gegen die Klimapolitik von Exxonmobil: Proteste im Mai in Dallas, Texas
„In God we Trust“, steht am Kopfende des holzgetäfelten Saals im zweiten
Stock des obersten Gerichts von New York, direkt hinter und über dem
Ledersessel von Richter Barry Ostrager. Aber bei dem [1][bereits 2015
eingeleiteten Ermittlungen] zum Verfahren „das Volk von New York gegen
ExxonMobil“ setzt der größte börsennotierte Mineralölkonzern der USA
vorsichtshalber auf gut bezahlte Experten statt auf Gott. Mit Zahlen und
Diagrammen von Aktienkursen und mit Zitaten von „Analysten“ und
„Vermögensverwaltern“ versuchen die nachzuweisen, dass ExxonMobil seine
Anleger nicht über den Klimawandel betrogen hat.
ExxonMobil ist angeklagt, eine doppelte Buchführung über die Risiken des
Klimawandel zu haben: Ein Buch mit Daten, die für die Anleger gedacht sind.
Und eine anderes nur für den internen Gebrauch. Dafür will [2][Leticia
James], die Justizministerin und Generalstaatsanwältin des Bundesstaats New
York, die den Prozess angestrengt hat, den Konzern zur Rechenschaft ziehen.
Als Grundlage dient der New Yorker „Martin Act“, das strengste Gesetz gegen
Wirtschaftskriminalität, das die USA kennen. Es geht um viel Geld. Bei der
Prozesseröffnung vor zweieinhalb Wochen hat einer der Anwälte der Klägerin,
Kevin Wallace, den Schaden zwischen 476 Millionen und 1,6 Milliarden Dollar
beziffert. So viel müsste der Konzern an die Anleger zurückerstatten,
sollte er verurteilt werden.
2015 hatten das Onlinemedium [3][Inside ClimateNews] und die Los Angeles
Times Artikel veröffentlicht, die zeigten, dass ExxonMobil schon in den
70er Jahren im eigenen Haus Wissenschaftler beschäftigte, die über die
Folgen von Mineralölförderung und -verarbeitung für das Klima forschten.
Sie warteten mit präzisen Informationen auf. Doch ihre Abteilung wurde
aufgelöst und die Ergebnisse ihrer Arbeit gerieten unter Verschluss.
Als James' Amtsvorgänger Eric Schneidermann 2015 in New York die
Ermittlungen anstieß, versuchte ExxonMobil, diese auf gerichtlichem Wege zu
stoppen. Seit das gescheitert ist, macht der Konzern geltend, seine
Buchführung sei regelmäßig und keineswegs betrügerisch. „Wir haben die
Anleger ordnungsgemäß informiert“, versicherte Rex Tillerson vor Gericht.
Der langjährige ExxonMobil-Chef, der ab 2017 als Trumps Außenminister
diente, war der prominenteste Zeuge in dem Prozess.
Andere Akteure an der New Yorker Börse werfen der Justizministerin jetzt
vor, sie verfolge „politische Absichten“ mit dem Prozess. Paul S. Atkins,
ehemaliges Mitglied der Securities and Exchange Commission, nennt den
Prozess einen „empörenden Missbrauch von Staatsgewalt“. Und das börsennahe
Wall Street Journal spricht gar von einem „Showprozess“. James ist
Demokratin und die erste schwarze Frau in dem Amt. Während der Ermittlungen
hat ihr Büro mehrere Millionen Seiten Material über ExxonMobil gesammelt.
## #ExxonKnew
„Exxon wusste es“, lautet ein Slogan und Hashtag von Klimaaktivisten, die
seit Prozessbeginn mehrfach vor dem obersten Gericht demonstriert haben.
Ein Video einer Anhörung mit der demokratischen US-Abgeordneten Alexandra
Ocasio-Cortez wurde millionenfach geklickt, in dem ein ehemaliger
Exxon-Wissenschaftler zugibt, dass der Ölkonzern bereits 1982 intern
prognostizierte, die globale Temperatur würden bis 2019 um im Schnitt ein
Grad ansteigen.
Im Gerichtssaal ging es zwar auch um die Klimazerstörungen – insbesondere
bei der besonders belastenden [4][Ölförderung im Teersandgebiet] in der
kanadischen Provinz Alberta, wo ExxonMobil massiv investiert hat –, aber im
Vordergrund stand die Frage, ob ExxonMobil sein Wissen mit den Anlegern
geteilt hat.
Richter Ostrager sitzt mit mit geschlossenen Augen in seinem Ledersessel,
während der Experte Allen Ferrell referiert, dass er in 566 Berichten von
„Analysten“ nur 76 Erwähnungen von Klimawandel gefunden habe, was bei nur
einem „Analysten“ zu einer Änderung seiner Bewertung von ExxonMobil gefüh…
habe. „Die Aktionäre haben keine Nachteile erlitten“, erklärt Ferrell
kategorisch.
Den Experten der Gegenseite wirf er „Falschdarstellung“ vor. Er lehrt an
der Harvard University. Drei Viertel seines Einkommens kommen aus seiner
Expertentätigkeit für 1.250 Dollar pro Tag. Während des Verfahrens in New
York hat er bereits 125.000 Dollar eingenommen.
Das Urteil wird in den nächsten Tagen erwartet. Für ExxonMobil steht viel
auf dem Spiel. Noch ist der Konzern ein Ort, dem US-amerikanische
Universitäten, Rentenfonds und Privatleute ihr Kapital anvertrauen. Aber
schon jetzt läuft zwei Bundesstaaten weiter nördlich, in Massachusetts, ein
zweiter Prozess gegen ihn. Dort ist die Klage weiter gefasst, ExxonMobil
steht nicht nur wegen Betrugs von Aktionären, sondern auch wegen mangelnder
Transparenz gegenüber Verbrauchern vor Gericht. Mindestens ein Dutzend
weiterer Kommunen und Bundesstaaten in den USA erwägen ihrerseits ein
gerichtliches Vorgehen gegen ExxonMobil.
7 Nov 2019
## LINKS
[1] /Ermittlungen-gegen-Oelkonzern-Exxon/!5428000
[2] https://www.nytimes.com/2018/11/06/nyregion/letitia-james-wins-ny-ag.html?s…
[3] https://insideclimatenews.org/news/06112019/exxon-investor-fraud-trial-clim…
[4] /Entlang-der-Keystone-XL-Pipeline/!5062038
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Exxon
Klima
Ölindustrie
Schwerpunkt Klimawandel
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Ölkonzern
Rex Tillerson
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