# taz.de -- Trauer um getötete SoldatInnen: Gedenken im Gleichschritt | |
> Unterstützt von der Bundeswehr marschierte die „Military Brotherhood | |
> Germany“ durch Berlin. Die Linke kritisiert das „vordemokratische | |
> Ritual“. | |
Bild: Ehrenmal der Bundeswehr am 07.09. 2011: Dort endete der Gedenkmarsch der … | |
BERLIN taz | Unter dem Hashtag #marschzumgedenken sind auf Instagram Videos | |
aus dem August zu finden. [1][Auf einem davon] marschieren SoldatInnen über | |
die Busspur des Berliner Kurfürstendamms – in Uniform, in Dreierreihen und | |
im Gleichschritt. „Links, zwo!“, brüllt einer, „drei, vier!“, der Rest. | |
Dann beginnen sie zu singen: „Heute wollen wir marschier'n / einen neuen | |
Marsch probier'n / In dem schönen Westerwald / Ja da pfeift der Wind so | |
kalt!“ | |
110 Kilometer weit marschierten im Sommer 140 aktive und ehemalige | |
SoldatInnen durch Brandenburg und Berlin. Ihr Ziel nach insgesamt vier | |
Etappen: das Ehrenmal der Bundeswehr auf dem Gelände des | |
Verteidigungsministeriums. | |
Mit dem „Marsch zum Gedenken“ wollte die „Military Brotherhood Germany“, | |
eine Arbeitsgemeinschaft des Reservistenverbands, an die 111 | |
BundeswehrsoldatInnen erinnern, die bisher in Einsätzen gestorben sind. Ein | |
Gedenken „mit blutigen Füßen und schmerzenden Herzen“, wie die | |
VeranstalterInnen schreiben. | |
Zum zweiten Mal führten die SoldatInnen die Aktion in diesem Jahr durch. | |
Dabei trugen sie an ihren Uniformen die Namensschilder der Getöteten. Und | |
dabei sangen sie, wie auf dem Kurfürstendamm, auch mal das Lied vom schönen | |
Westerwald, das schon in der Wehrmacht beliebt war und das die Bundeswehr | |
deshalb vor zwei Jahren aus ihrem Liederkanon gestrichen hatte. | |
## Staatlich finanziert | |
Einige Wochen nach dem Gedenkmarsch fragte die Linksfraktion im Bundestag | |
das Verteidigungsministerium zu den Hintergründen der Aktion. Inzwischen | |
liegt die Antwort vor. Aus ihr geht hervor, dass die Aktion der | |
Reservisten-Bruderschaft durch die Bundeswehr umfangreich gefördert wurde. | |
Aktive SoldatInnen durften demzufolge während ihrer Dienstzeit an der | |
einwöchigen Veranstaltung teilnehmen. Übernachtungsmöglichkeiten und | |
Verpflegung stellte die Bundeswehr. Feldjäger begleiteten und sicherten den | |
Marsch, dessen genaue Route vorab nicht bekanntgegeben wurde. Und das | |
Tragen der Uniform wurde den TeilnehmerInnen per Befehl genehmigt und | |
angeordnet. | |
Die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler kritisiert diese Unterstützung. „Die | |
Bundesregierung delegiert den Umgang mit dem Sterben im Krieg an die | |
‚Military Brotherhood Germany‘, eine Gruppe ehemaliger Soldaten mit | |
Kriegserfahrung, die diesen ‚Marsch zum Gedenken‘ als ein von der | |
Öffentlichkeit isoliertes, vordemokratisches und militaristische Ritual | |
inszeniert – komplett bezahlt aus dem Bundeswehretat“, sagte sie der taz. | |
Die Regierung fördere dadurch eine Entwicklung in der Armee, die mit | |
„Korpsgeist und Verherrlichung des Soldatentums“ mehr zu tun habe als mit | |
der Idee des „Staatsbürgers in Uniform“. | |
## Soldatentod und Heroismus | |
Die Frage, wie angemessen um getötete SoldatInnen zu trauern ist, begleitet | |
die deutsche Politik schon lange – spätestens seitdem die Bundeswehr an | |
gefährlichen Einsätzen wie denen in Jugoslawien und Afghanistan teilnimmt. | |
Das Berliner Ehrenmal der Bundeswehr wurde nach langen Diskussionen im Jahr | |
2010 eröffnet, architektonisch ist es bewusst unauffällig gehalten. Nach | |
Angaben des Ministeriums „distanziert es sich von Formsprache und Ideologie | |
klassischer Kriegerdenkmale“. Den „Soldatentod“ soll es nicht heroisieren. | |
Gleichwohl weist das Ministerium Voglers Kritik am Stil des Gedenkmarsches | |
zurück. „Die Bundesregierung befürwortet und unterstützt solche Aktionen | |
aus der Gesellschaft heraus, die dazu einladen, den [!] im Auftrag des | |
Parlamentes verstorbenen Soldatinnen und Soldaten würdig und in der | |
Öffentlichkeit zu gedenken“, schreibt es in seiner Antwort an die | |
Abgeordnete. | |
Der Reservistenverband selbst teilt derweil gegen die Linkspartei und deren | |
Anfrage aus. „Zwischen den Zeilen ist herauszulesen, dass die Linke diese | |
Form der öffentlichen Präsenz der Bundeswehr ablehnt“, schreibt er auf | |
seiner Internetseite. Verbandsvize Fabian Forster schreibt an gleicher | |
Stelle, die Anfrage habe gezeigt, „dass wir weitermachen müssen, mehr | |
Präsenz zeigen und die Erinnerung an unsere zu Tode gekommenen Kameraden | |
weiter sichtbar machen müssen“. | |
Für 2020 plant die „Military Brotherhood“ der ReservistInnen bereits den | |
nächsten Gedenkmarsch. Die Bundeswehr wird die VeranstalterInnen | |
voraussichtlich wieder unterstützen. Im Verteidigungsministerium haben sie | |
zumindest einen prominenten Befürworter. Staatssekretär Peter Tauber (CDU) | |
marschierte im Sommer auf der letzten Etappe durch Berlin selbst mit – und | |
beklagte sich im Nachgang über mangelnde Berichterstattung. | |
„Das Interesse der Medien war peinlich für die Berliner Hauptstadtpresse“, | |
schrieb er auf Facebook. Dem Reservistenverband sei er dagegen für die | |
Initiative dankbar. | |
6 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.instagram.com/p/B1HPdK-I2X2/?igshid=1dbkc618r48p3&fbclid=Iw… | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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