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# taz.de -- Die Wahrheit: Alt-Metal mit Herzensbildung
> Silberrücken, Graubärte, Blaupillen und faltige Indianersquaws steuern
> die ehernen Musikpaläste an, um es in den Ohren richtig scheppern zu
> lassen.
Stefan ist ein ruheloser Vollnerd. Nach zwei Bypässen schwappte seine
jahrelang auf Zimmerlautstärke heruntergedimmte Metal-Passion endlich
wieder in den roten Bereich. Es war der kleine Gruß vom Getriebe, der ihn
daran erinnert hat, worauf es wirklich ankommt im Leben. Herzensbildung!
Seitdem macht er, so oft es geht, Bildungsreisen zu den ehernen
Spielstätten der Republik.
Heute spediert er uns nach Hamburg, ins Bambi Galore, wo unsere
Generationskohorte zu ganz großer Form aufläuft – die Altliga in Gestalt
von Girlschool, Praying Mantis und Demon. Man erwartet entsprechendes
Publikum: Silberrücken, Graubärte, Blaupillen und faltige Indianersquaws.
Es sind auch wieder alle da, nur die Komantschinnen fehlen. Mädchen
bekommen diese sogenannte Alterswürde doch besser hin als wir mit dem
Aktenzeichen XY.
Die Pflegekräfte hinter dem Tresen sind vorbereitet, sprechen laut und
artikuliert und haben die Nachsicht eingebaut, wenn die Forderungen ihrer
Patienten mal wieder allzu unverschämt werden. Als Stefan irgendwann einen
Kaffee verlangt, weil er als Fahrer langsam mal damit anfangen muss, die
fünf Bier zu neutralisieren, schüttelt die Stationsschwester
verständnisvoll, aber auch entschieden den Kopf.
„So ein Getränk wird bei dieser Art von Veranstaltung sehr selten
nachgefragt!“ – „Danke für diese erschöpfende Auskunft“, gibt Stefan
freundlich zurück. „Dann halt ein Bier, aber dieses bayerische, ich muss
noch fahren.“
Es gibt noch andere Die-Hard-Fans wie ihn, die bereits ihr persönliches
Memento mori erlebt haben – Satz neuer Ohren, künstliche Hüfte, zweiter
Ausgang – und die nun ebenfalls mitnehmen, was geht. Einer will tags darauf
zu Angel Witch, wenn er das bis dahin nicht vergessen hat. Ein anderer
lahmt etwas, weil er gestern bei Nitrogods war, wie er mit
schmerzverzerrtem Lächeln erzählt. Damit erntet er beim tüddeligen
Angel-Witch-Fan allerdings skeptische Blicke. „Nitrogods? Gibt’s doch gar
nicht, den Namen haste dir gerade ausgedacht.“ Glücklicherweise sind die
Umstehenden anderer Meinung. Er klingt so überzeugend, für einen Moment
habe ich selbst meine Zweifel.
Auf der Bühne hingegen weht ein frischer Wind. Alte Schlachtrösser erleben
hier ihren dritten Frühling. Tino Troy von Praying Mantis sieht
mittlerweile zwar aus wie Gollum – aber in Gut. Er schlackert unsinnig mit
den dünnen Ärmchen, schneidet ganz liebe Grimassen und freut sich so sehr,
noch einmal „Panic In The Streets“ spielen zu dürfen, dass einem ganz
anders wird.
Und Girlschool klingen sowieso, als hätten sie erst letzte Woche ihren
Proberaum bezogen. Wer sich in vierzig Jahren eine solche instrumentale
Unbelecktheit und spielerische Verbumfidelei bewahren kann, der hat auch
ohne zwei Bypässe immer schon gewusst: So ein Leben ist zu kurz, um es mit
absurdem Kleinscheiß wie Üben zu verdaddeln.
20 Nov 2019
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Fans
Heavy Metal
Altern
Party
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Heavy Metal
Eltern
Eastbourne
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