Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Starr im Seebad
> Bei einer Stippvisite im englischen Eastbourne schlägt der Blitz im
> Ballroom eines Hotels ein. Es tritt auf – die unübertreffliche Jenny
> Nightingale.
Eastbourne ist ein altes englisches Seebad, einer der Orte in England mit
den meisten Sonnenstunden, heißt es. Nun, das ist relativ. Viele englische
Rentner lassen sich hier nieder, um ihr Gnaden-Pint hinunterzustürzen. Und
dann noch eins. Und noch eins. Es könnte ja ein regnerischer Tag werden.
Weil die Alten es gern haben, wenn alles so bleibt, wie es mal am schönsten
war, verharrt die Stadt in einer Frühsiebziger-Gedächtnis-Starre.
Allerdings in einer Gammelvariante der Frühsiebziger. Die sind nämlich
schon eine Weile rum, und wenn man nicht zwischendurch mal pinselt oder den
Rost abschmirgelt, verfällt alles ein bisschen, wenn auch auf diese
stilvolle Miss-Marple-hafte Weise.
Ich meine selbstverständlich nur die Frontpartie Eastbournes, wenn man sich
die Stadt vom Meer aus anschaut, dahinter ennuyiert eine dieser
Einkaufszonen von der Stange, die es auch in Aachen, Bielefeld und Cuxhaven
gibt. Steht man aber auf der Strandpromenade, wähnt man sich in einem alten
B-Film, und zwar einem, den das „Smoky“-Raucherkino früher gern zeigte.
Sogar eine Seebrücke gibt es, die ist wegen Baufälligkeit zwar nur noch
teilweise zu betreten, aber die Spielhalle hält dafür historische
Flipperautomaten vor. Apropos Historie. Hastings liegt nur eine halbe
Autostunde entfernt. Für einen Tagesausflug haben wir uns dorthin begeben
und am Originalschauplatz die Schlacht von 1066 nachgespielt. Ich war
William der Eroberer – und gewann.
Die lange Geschichte Englands manifestiert sich auch in den
Gepflogenheiten. So kennt man in den Hotels immer noch den sehr
schätzenswerten Brauch, abends im hauseigenen Ballroom den Blitz
einschlagen zu lassen. Heute hat sich Jenny Nightingale angesagt. Ein
Künstlername.
Sie trägt einen engen, eierschalenfarbenen Hosenanzug und weiß, wie man
sich die männliche Greisenschar gefügig und die weibliche nicht allzu
eifersüchtig macht. Von einer Karaoke-CD kommen die allerletzten Heuler,
mit Doris Days „Que Sera, Sera“ beginnt der Spaß. Sie singt das alles
souverän, passioniert, viel zu gut. Und das wirkt noch trauriger als eine
halbgare Darbietung, weil sich jetzt sehr einfach ihr Schicksal hinzu
imaginieren lässt.
Die Frau meint es nämlich ernst mit der Kunst. Vorerst tingelt sie noch die
Dancefloors der Seebäder ab, die Ochsentour aber gehört dazu, wenn man ganz
nach oben will. Sie hat alles genau vorbereitet und an jedem Tisch
Spielzeugrasseln, Kinderschellen und Quietscheentchen zum Mitmachen
ausgelegt.
Tatsächlich lassen sich die sechs Rentnerpärchen das nicht zweimal sagen
und präsentieren sich in der Folge als echte Groove-Monster. Nach einer
halben Stunde warnt Miss Nightingale, es werde jetzt „a bit rocky“, da
kommen die Aufblasgitarren zum Einsatz, die sie zwei besonders rüstigen
Gentlemen in die Gichthände drückt. Nach „Rockin All Over The World“ meld…
sich einer ab. Er fehlt am nächsten Morgen auch beim Frühstück.
13 Aug 2019
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Eastbourne
Seebad
Jenny Nightingale
Heavy Metal
Fans
Eltern
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Kohortenkeulung gegen den Blues
Beim Auftritt altgedienter Thrash-Metal-Helden vor altgedientem Publikum
stellt sich Rührung ein – bis das musikalische Geballer losgeht.
Die Wahrheit: Alt-Metal mit Herzensbildung
Silberrücken, Graubärte, Blaupillen und faltige Indianersquaws steuern die
ehernen Musikpaläste an, um es in den Ohren richtig scheppern zu lassen.
Die Wahrheit: Schmutziges Spiel
Was ist die Steigerung zum dreckigen Sieg? Richtig, die dreckige
Niederlage. Das erwartet Handball-Kids, wenn sie gegen die eigenen Eltern
antreten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.