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# taz.de -- Andreas Bovenschulte über R2G und Geno: „Eine stärkere SPD wär…
> Die 93-Tage-Bilanz: Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte spricht im
> Interview darüber, was er mit Bremen vorhat.
Bild: Andreas Bovenschulte in seinem Bürgermeisterzimmer
taz: Herr Bovenschulte, waren Sie seit der Wahl schon an Ihrer [1][alten
Wirkungsstätte in Weyhe]?
Andreas Bovenschulte: Ja, klar, zuletzt, als am vergangenen Sonntag dort
mein Nachfolger als Bürgermeister gewählt wurde.
Als Sie hier zur Bürgerschaftswahl antraten, hatten manche schon
prophezeit, Sie würden sich als Nachfolger von Carsten Sieling in Stellung
bringen. Offenbar zurecht?
Nein, überhaupt nicht. Ich war angesprochen worden, ob ich für die
Bürgerschaft kandidiere will, und zwar vom Bürgermeister selbst: Carsten
Sieling hat das nicht gemacht, um mich schon mal als Nachfolger zu
installieren. Denn natürlich wollte er die Wahl gewinnen und Bürgermeister
bleiben. Ich hatte allerdings zugegebenermaßen auch nicht vor,
Hinterbänkler zu werden …
… ja, klar, sondern Fraktionsvorsitzender – und keinesfalls in der
Opposition. Warum das eigentlich?
Man versucht doch immer, möglichst viel von seinem Programm umzusetzen.
Selbst dann, wenn man ordentlich einen auf die Mütze gekriegt hat: Inhalte
umsetzen geht immer besser in der Regierung.
Manche sagen, dass in der Opposition die Schärfung des eigenen Profils
leichter fällt.
Ich kenne diese These, aber ich zweifle sie an. Letztlich nehmen die
Menschen ja nur wahr, was man umsetzt. Man bekommt als Regierung zwar mehr
Kritik, das ist klar, aber man kann tatsächlich gestalten. Regieren bietet
immer mehr Möglichkeiten, auch wenn man sich klar machen muss, dass man
nicht die Welt aus den Angeln heben, sondern immer nur kleine Schritte in
die richtige Richtung gehen kann. Wenn einem das zu mühselig ist, dann ist
Regieren nicht das Richtige.
Demokratie dann wahrscheinlich aber auch nicht?
Genau. Die Vorstellung, dass man einfach alles mal ganz anders machen
müsse, ist ja eher autoritär. Zudem wird sie nie der Komplexität der
Probleme gerecht. Ich bin bekennender Anhänger von der These, dass es für
jedes schwierige Problem eine Lösung gibt, die klar, einfach und falsch
ist.
Dann ist ja eine Multi-Parteien-Koalition ideal!
So weit würde ich nicht gehen. Eine stärkere SPD wäre noch besser. Aber Sie
haben insofern Recht, dass diese Dreierkoalition auf einer gemeinsamen
inhaltlichen Grundlage beruht und nicht einfach die Addition von drei
Parteiprogrammen ist.
Wie verstehen Sie Ihr Amt als Bürgermeister?
Es gibt verschiedene Erfolgskriterien für eine Regierung. Das wichtigste
ist, dass sie Sachen in der Realität gebacken kriegt. Das klingt so simpel,
aber man muss das Leben der Menschen mit konkret erlebbaren Fortschritten
besser machen. Eine wichtige Bedingung, um dahin zu kommen, ist, dass eine
Koalition nicht zum Wettbewerb untereinander wird. Und so verstehe ich auch
mein Amt: Ich muss die Entscheidungsprozesse so gestalten, dass gemeinsam
gehandelt wird. Das ist – bei aller fehlenden Richtlinienkompetenz – vom
Bürgermeister zu erwarten.
Fehlt die Ihnen echt?
Verfassungsrechtlich ja, aber in der Praxis kommt es vor allem auf
Kommunikation an. Eine Koalitionsregierung hält zusammen, wenn es
gemeinsame Ziele gibt, wenn es wechselseitiges Vertrauen gibt und wenn die
persönliche Chemie stimmt. Wenn das fehlt, hilft Ihnen alle
Richtlinienkompetenz der Welt nichts: Dann zerfällt eine Koalition.
Schreiben Sie aus diesem Amtsverständnis heraus die von Ihrem Vorgänger
Jens Böhrnsen begonnene Tradition fort, dass der Präsident des Senats kein
eigenes Fachressort hat – außer der Kultur?
Also dieses „außer“ weise ich klar zurück: Kultur ist doch
Grundnahrungsmittel, nicht Sahnehäubchen einer Gesellschaft. Insofern ist
dieses Ressort in meinem Verständnis ein zentrales, und ich bin froh, dass
ich Kultursenator bin!
Welche Akzente wollen Sie denn da setzen?
Das Wichtigste ist mir, unsere tolle, leistungsfähige und vielfältige
Kulturlandschaft zu erhalten. Diejenigen, die da sagen: „Weg mit der
Gießkanne, wir müssen Prioritäten und Akzente setzen“, von denen wüsste i…
gerne, was von der Vielfalt sie vertrocknen lassen wollen, wenn sie die
Gießkanne wegnehmen. Zweitens wollen wir natürlich auch eigene Akzente
setzen. Zum Beispiel bei der Unterstützung der freien Szene.
Sie überlegen?
Es gibt konkrete Überlegungen, aber sie sind noch nicht spruchreif. Es
hängt viel vom Ausgang der Haushaltsberatungen ab. Es hat ja Ereignisse
gegeben, die unseren Spielraum nicht gerade erweitert haben …
Sie meinen das Krankenhaus-Defizit, das bei 30 statt erwarteten sechs
Millionen liegt?
Die Geno, ja. Es gibt aber auch die Flughafensanierung, die Nachzahlung bei
den Lehrerinnen und Lehrern, die schlechtere Steuerschätzung …
Denken Sie dann manchmal: Es wäre doch ganz gut, die Gesundheit Nord nicht
im städtischen Portfolio zu haben?
Auf keinen Fall. Die Geno wird nicht privatisiert. Die Kliniken bleiben
kommunal.
Zu den Problemen der Stadt gehört auch die Wohnungsnot, klassisches
Konfliktfeld zwischen Grünen auf der einen, SPD und Linkspartei auf der
anderen Seite …
Ich sehe den Konflikt nicht. Die Vereinbarung gilt: Wir wollen 10.000
Wohnungen schaffen in der Legislaturperiode. Wir haben auch das Ziel, die
dafür notwendigen Flächen bereitzustellen. Das ist schwerer geworden ohne
Rennbahnbebauung. Aber wir halten daran fest. Das ist die Auffassung der
Grünen, der Linken und der SPD. Da sehe ich keine grundsätzlichen
Divergenzen.
Mit drei Partnern erhöht sich allerdings der Diskussionsbedarf: Geraten die
Senatssitzungen dadurch zu erweiterten Koalitionsverhandlungen?
Nein, das ist nicht so. Man diskutiert im Senat, man diskutiert auch in
anderen Zusammenhängen, und jeder der drei Partner ist auch autonom. Das
Entscheidende ist aber doch, dass man hinterher in Regierung und Parlament
auf einen gemeinsamen Nenner kommt.
Beim [2][Linken-Parteitag gab es schon einen Antrag], die Koalition wieder
zu verlassen. Sind Sie erleichtert über den Ausgang?
Nein, wieso sollte ich? Erleichtert hätte ich nur sein können, wenn ich die
Gefahr gesehen hätte, dass etwas anderes beschlossen wird. Diese Sorge
hatte ich nicht.
15 Nov 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Alina Götz
Benno Schirrmeister
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