# taz.de -- Die Wahrheit: Armselige Schlucker! | |
> Lebenslänglich Bayer: Was wollt ihr Preußen eigentlich? Weint für euch | |
> allein und lasst mich in Frieden! Ich muss noch meine beiden SUVs parken! | |
Ich kaufe alles auf. Ich scheiße euch zu mit meiner Marie, meinem Flins, | |
dem Diridari, mit all dem Geld, das mir in die Wiege gelegt worden ist. Ich | |
komme aus dem reichen Bayern. Mir gehört die Welt. Wenn ich schwitze, läuft | |
Geld an meinem Körper hinunter, mein Urin ist pures Gold, und was das | |
andere ist, das wollt ihr gar nicht wissen. Ich stamme aus dem Paradies auf | |
Erden, dem Vorhof zum Himmel, dem Land, in dem die Menschen mit einer | |
goldenen Weißwurst im Mund geboren werden. Ich bin Bayer – und ihr nicht! | |
Meine Nachbarn in Berlin? In Preußen überhaupt? Arm halt und weiß Gott | |
nicht unbedingt sexy! Wehe euch, ihr Heidenvolk! Ich kaufe den Kasten, | |
knalle einen Aufzug vors Haus, schlage die Badezimmer mit weiß-blauem | |
Tegernseer Marmor aus und hänge winterfeste Geranien an die Balkone, dass | |
es eine wahre Freude ist. Mein Beruf mag Journalist sein, meine Berufung | |
ist Gentrifizierer. Ich mach die Welt, wie sie Reichen gefällt. Ich bin aus | |
Bayern, ich kann nicht anders. Sorry! Ach, was soll’s? So ist das Leben | |
eben. Da gibt es kein Pardon! | |
Sucht euch schon einmal eine neue Bleibe! Ich schmeiß euch alle raus! | |
Eigenbedarf, ihr wisst schon. Cousins, Cousinen, Kinder, Neffen, Nichten. | |
Wir Bayern haben Verwandte noch und nöcher. Das ist halt so bei einem | |
Bergvolk. Wir sind alle irgendwie verwandt. Gebt es zu: Ihr habt darüber | |
auch schon mal gelacht! Doch jetzt ist Schluss mit lustig! Jetzt schlage | |
ich zurück. Der reiche Bayer hat die Schnauze voll. | |
Versucht nur, mich mit eurem Mietendeckel zu provozieren! Der ist nicht nur | |
bayernfeindlich, sondern sowieso verfassungswidrig. Ich ziehe das Ding hier | |
durch, koste es, was es wolle, weil eh egal ist, was es kostet. Und dann | |
wird Platz geschaffen auf der Straße. Wir Bayern wollen nicht länger Volk | |
ohne Parkraum sein! Zu Hause nicht, und nicht in Preußen. Wo sollen wir | |
auch hin mit unseren Autos aus München und aus Ingolstadt? Vier Meter breit | |
sind meine SUVs. Den einen habe ich schon zur Geburt geschenkt bekommen, | |
denn anderen zur Kommunion. In Bayern ist das Tradition. Also macht Platz, | |
sonst mache ich euch mit Gewalt katholisch. Ihr sagt, die Zeiten der großen | |
Autos sind vorbei? Dann fragt euch mal, wer euer Minister für Verkehr ist. | |
Ein Bayer. Einer von uns. Einer, der selbst nicht weiß, wohin mit seinem | |
Diridari. | |
Und jetzt lasst mich in Frieden! Weint für euch allein, ihr armseligen | |
Schlucker! Mein Schneider kommt gleich und passt mein neues Lederbeinkleid | |
an. Feinster Hirsch, handgestickt von ethnisch reinen Bayerinnen. Ihr wollt | |
nicht hören, was das kostet. Es ist egal, ihr könnt es euch eh nicht | |
leisten. Und jetzt ist gut! | |
Ohne Scheiß: „Sie sind also auch so ein Gentrifizierer?“, hat mich ein | |
Berliner Taxifahrer neulich gefragt, nachdem er meinen Akzent erkannt hat. | |
Seitdem überlege ich, was ich ihm gern geantwortet hätte. | |
15 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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