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# taz.de -- DDR-Scheitern in der WM-Qualifikation: Egon Krenz des grünen Rasens
> Das fatale Krisenmanagement des DDR-Fußballs 1989, das Festhalten an
> alten Verhaltensmustern – all das ähnelte dem der Staatsführung wenig
> später.
Bild: Länderspiel nach Mauerfall: Österreich (schwarze Hosen) gewann in Wien …
Zugegeben, dieses „Vor dreißig Jahren“ ist ja derzeit schwer auszuhalten.
Flüchten wir doch lieber in den Fußball, wo die Welt noch in Ordnung ist
und war. Außer halt in der DDR. Und schon sind wir wieder im Thema dieser
Wochen. Die DDR-Nationalmannschaft hatte mit ihrem Trainer Bernd Stange
1988 und 1989 eine bemerkenswert gute WM-Qualifikation gespielt. Als die
Chance, 1990 in Italien anzutreten, aber in Gefahr geriet – während
parallel dazu im Lande das Murren über die politischen Zustände lauter
wurde –, entließ der Deutsche Fußballverband der DDR (DFV) seinen
Auswahltrainer Stange.
Was der DFV als Krisenmanagement glaubte inszenieren zu müssen, entsprach
ziemlich genau der Unfähigkeit der politischen Führung im Politbüro, ja,
sie nahm diese zeitlich sogar vorweg. Als Nachfolger Stanges wurde im
Februar 1989 [1][Manfred Zapf] berufen. Der hatte zwar zwölf Länderspiele
absolviert und als Kapitän des FC Magdeburg 1973 gegen den AC Mailand den
Europapokal der Pokalsieger gewonnen, aber als Trainer nie gearbeitet. Zapf
galt vielmehr als Parteisoldat, den man zum stellvertretenden
Generalsekretär des DFV gemacht hatte.
Dieser Manfred Zapf sollte also, wie man sich das auf offizieller Seite
dachte, die von Bernd Stange physisch gut vorbereiteten Spieler wie
Matthias Sammer, Ulf Kirsten oder Andreas Thom von ihrer ideologischen
Verwirrung befreien. Mit dem richtigen Bewusstsein sollte die Elf die
WM-Qualifikation schaffen. Es wäre die erst zweite WM-Teilnahme der DDR in
ihrer Geschichte gewesen.
Zapf aber wurde „die Lachnummer der Nationalspieler, weil er mit dem
Lehrbuch unter dem Arm auf den Trainingsplatz kam“, wie die Frankfurter
Allgemeine damals spottete. In seiner nur bis zum Mai 1989 andauernden
Ägide vermasselte er als eine Art Egon Krenz des grünen Rasens fast alles.
Sein letzter Arbeitstag war ein 1:1 im Leipziger Zentralstadion gegen
Österreich.
## Belastendes Entscheidungsspiel
Für Zapf kam Eduard Geyer. Unter anderem ein 3:0-Sieg in Island und ein
2:1-Heimsieg über die Sowjetunion sorgten wieder für Optimismus. Während
die Sowjetunion schon für die WM qualifiziert war, machten sich drei andere
in dieser Gruppe noch Hoffnungen: Die DDR, Türkei und Österreich waren
punktgleich.
Auch der Mauerfall sorgte für Zuversicht. Am 15. November 1989 spielte die
DDR in Wien gegen Österreich. Dass aber, wer in der Grenzöffnung die Chance
für Aufschwung der DDR zu erblicken glaubte, einer gigantischen Illusion
aufsaß, das zeigte sich im Fußball schneller als im Rest der Gesellschaft.
Der Glaube, dass die Fans die neue Reisefreiheit nutzen würden, um
ausgerechnet die DFV-Auswahl anzufeuern, platzte schon in der 2. Minute,
als Toni Polster zum ersten Mal traf. [2][Am Ende stand es 3:0.] „Im
Nachhinein habe ich das Gefühl, dass sich der Mauerfall für die Spieler der
DDR eher belastend ausgewirkt hat“, sagte Österreichs Trainer Pepi
Hickersberger später.
Das Praterstadion war ausverkauft an jenem Abend, aber viele DDR-Fans waren
gar nicht nach Wien gereist. Weltmeister wurde im Juli 1990 dann
Westdeutschland, das sich aber wenige Monate vor der Wiedervereinigung
schon als Team mit quasi-gesamtdeutscher Stärke feiern ließ. Dass die DDR
bei der WM fehlte, verstärkte den Eindruck, hier spiele schon
Großdeutschland.
13 Nov 2019
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Zapf
[2] https://www.dfb.de/datencenter/wm-qualifikation-europa/1988-1989/gruppe-3/1…
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
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Fußball
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DDR
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