| # taz.de -- Kolumne Pressschlag: Die üblichen Verdächtigen | |
| > Es gibt genügend Menschen, die der deutsche Fußball in einer Hall of Fame | |
| > ehren sollte. Aber hiesigen Experten fallen nur Beckenbauer & Co. ein. | |
| Bild: Gerald Asamoah for Hall of Fame! | |
| Der deutsche Fußball bekommt eine Hall of Fame. Eine „Gründungself“ wurde | |
| schon ermittelt. Und zwar nicht von den 11, sondern von den 26 führenden | |
| Sportjournalisten das Landes. | |
| Schön, dass die Ersatzbank auch abstimmen darf, könnte man sagen, aber | |
| gegen das Verfahren, Leute zu fragen, die nicht nur ihre aktuellen | |
| Lieblingsspieler promoten, sondern auch Historie im Blick haben, ist ja | |
| nichts zu sagen. | |
| Was aber lässt sich für eine Hall of Fame anführen? Wenn die dort Geehrten | |
| ohnehin bereits Legenden sind, braucht es für sie so etwas ja nicht. Es sei | |
| denn, die Initiatoren glauben, dem Bedarf an nationalen Helden müsse in | |
| diesen Tagen unbedingt nachgeholfen werden. Für die Vermutung spricht | |
| übrigens, dass zur Wahl nicht Kicker mit deutschem Pass, sondern solcher | |
| „deutscher Herkunft“ standen. | |
| Die Helden, auf die sich die Jury geeinigt hat, sind: Sepp Maier, Franz | |
| Beckenbauer, Andreas Brehme, Paul Breitner, Fritz Walter, Lothar Matthäus, | |
| Matthias Sammer, Günter Netzer, Gerd Müller, Uwe Seeler, Helmut Rahn. Als | |
| Trainer wurde Sepp Herberger gewählt, und wen jetzt stört, dass hier auf | |
| dessen NSDAP-Mitgliedsnummer 2208548 verwiesen wird, der muss begründen, | |
| warum solche Kriterien unwichtig sein sollen. | |
| ## Wir waren wieder wer | |
| Eine Ruhmeshalle wird ja für die Verehrung der, wie es das Deutsche | |
| Fußballmuseum in Dortmund selbst formuliert, „größten Legenden“ dieses | |
| Sports gebaut. Also müssen doch wohl, wenn über Herberger-oder-Schön | |
| diskutiert wird, auch andere Kriterien eine Rolle spielen. | |
| Schon statistisch ist Herberger nicht der erfolgreichste Auswahlcoach. | |
| Seine Meriten für den bundesdeutschen Fußball zieht er vor allem aus dem | |
| WM-Gewinn 1954 – der erste Titel, zudem der fußballerische Beitrag zum | |
| Wiedereintritt Deutschlands in die Weltgemeinschaft: Wir waren wieder wer. | |
| Dass solche Kriterien eine Rolle spielen, wenn es um museal in Stein | |
| gehauenen Ruhm geht, ist nicht nur völlig legitim, es geht ja auch gar | |
| nicht anders. Denn zur Sportlegende wird jemand nur, weil er für etwas | |
| steht. (Wer das nicht glaubt, kann sich ja überlegen, warum Täve Schur | |
| nicht in der „Hall of Fame des deutschen Sports“ auftauchen darf. „Rein | |
| sportlich“, wenn es das überhaupt gäbe, gehört er rein, aber er hat sich | |
| vor und nach 1989 immer zur DDR bekannt.) | |
| Wer eine Liste der besten deutschen Fußballer des vergangenen Jahrhunderts | |
| erstellt, kommt nicht um Franz Beckenbauer herum. Man kann streiten, ob der | |
| Kaiser oder Fritz Walter wichtiger war – aber nicht darüber, dass der | |
| Fußballer Beckenbauer herausragend war. | |
| ## Fußballerische und andere Gründe | |
| Wenn es aber um die Ehrung einer „Legende“ geht, um die Inthronisierung in | |
| einer Ruhmeshalle, dann müssen auch Fragen nach dem gestellt werden, was er | |
| nach seiner aktiven Karriere gemacht hat, Fragen nach seiner Rolle beim | |
| Bemühen um den Zuschlag zur WM 2006. | |
| Die meisten Tore in einem Länderspiel für Deutschland hat Gottfried Fuchs | |
| erzielt – zehn Treffer 1912 gegen Russland. Der Jude musste 1937 über die | |
| Schweiz und Frankreich nach Kanada emigrieren, um nicht in Auschwitz | |
| ermordet zu werden. Es gibt also fußballerische und andere Gründe, Fuchs zu | |
| ehren. | |
| Oder Erwin Kostedde, 1974 erster Afrodeutscher in einer DFB-Auswahl. Oder | |
| Thomas Hitzlsperger, erster Nationalspieler, der sich als schwul geoutet | |
| hat. Oder Matthias Sindelar, der Wiener, der sich weigerte, in Herbergers | |
| „gesamtdeutscher“ Mannschaft zu spielen, die Österreich in den DFB zwang. | |
| Oder Gerald Asamoah, erster in Afrika geborener Auswahlspieler, der massiv | |
| Opfer von Rassismus wurde. Oder oder oder. | |
| Es gäbe genügend Menschen, die der deutsche Fußball ehren sollte. Aber | |
| hiesigen Experten fallen partout nur Herberger, Beckenbauer und Matthäus | |
| ein. | |
| 24 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
| ## TAGS | |
| Homosexualität im Profisport | |
| Fußball | |
| Schwul-lesbischer Fußball | |
| Deutsche Fußball-Nationalmannschaft | |
| Dopingopfer | |
| Kolumne Über den Ball und die Welt | |
| Fußball | |
| Fußball | |
| Fußball | |
| Sexualisierte Gewalt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| DDR-Radsportikone wird 90: Gratulanten nicht erwünscht | |
| Für die einen Sportskanone, für die anderen Betonkopf: Gustav Adolf „Täve�… | |
| Schur, Weltmeister und Olympiazweiter auf dem Velo, wird 90. | |
| DDR-Scheitern in der WM-Qualifikation: Egon Krenz des grünen Rasens | |
| Das fatale Krisenmanagement des DDR-Fußballs 1989, das Festhalten an alten | |
| Verhaltensmustern – all das ähnelte dem der Staatsführung wenig später. | |
| Kolumne Pressschlag: Das Hirn der hohen Herren | |
| Der DFB bleibt beim Umbau der Nationalmannschaft weiterhin dezent und | |
| zurückhaltend. Der Name des Teams bleibt uns erhalten. | |
| Forscher über Gefühle von Trainern: „Nicht jeder verträgt Emotionalität“ | |
| Wenn Fußballtrainer ihre Emotionen im Griff haben, sind sie laut einer | |
| Studie erfolgreicher. Der Forscher Darko Jekauc erläutert die Gründe. | |
| Fußball-Bundesliga: Montagsspiele werden abgeschafft | |
| 1:0 für Fußballfans: Sie haben sich gegen die Interessen von Pay-TV-Sendern | |
| durchgesetzt. Ab 2020/21 wird wieder am Wochenende gespielt. | |
| Debatte Gewalt in Sportvereinen: Gegen die Kultur des Wegsehens | |
| Es ist höchste Zeit, etwas gegen die Sexualverbrechen in Sportvereinen zu | |
| unternehmen. Deren System macht es Tätern noch einfacher als die Kirche. |