# taz.de -- DDR-Radsportikone wird 90: Gratulanten nicht erwünscht | |
> Für die einen Sportskanone, für die anderen Betonkopf: Gustav Adolf | |
> „Täve“ Schur, Weltmeister und Olympiazweiter auf dem Velo, wird 90. | |
Bild: „Der Sport in der DDR war gut“: Täve Schur im Jahr 1954 bei der 6. D… | |
Gustav Adolf Schur, Spitzname Täve, wird am Dienstag 90. Nur im kleinen | |
Kreis will der DDR-Radsportheld feiern, hat er einer Nachrichtenagentur | |
verraten. Vor seinem Haus möchte der Olympiazweite und Weltmeister ein | |
Schild anbringen, mit dem er Gratulanten abhalten will, sein Häuschen im | |
sachsen-anhaltischen Heyrothsberge zu betreten. Täve ist Risikogruppe, und | |
für viele Menschen, die kritisch zum Gesellschaftsentwurf standen, der sich | |
„Diktatur des Proletariats“ nannte, war er das schon immer. | |
Schur gehörte zu den wohl größten Verklärern und Schönrednern eines | |
staatlichen Leistungssportsystems, das vor üblen Machenschaften nicht | |
zurückschreckte: [1][Doping an Minderjährigen, die Vergabe von | |
vermännlichenden Substanzen an Sportlerinnen], politische Repression und | |
brutale Relegation von Athleten, die sich nicht auf die ideologischen | |
Prämissen einschwören lassen wollten sowie Missbrauch eines | |
Anti-Doping-Labors zur Manipulation markierten die Schattenseite der | |
gelenkten Erfolge. | |
## Ansichten eines Systemsportlers | |
Schur, der sich in den 90ern wieder in die nostalgietriefenden Fänge der | |
PDS begab, für diese Partei als durchaus beliebtes DDR-Sportmaskottchen im | |
Bundestag saß und seine zum Teil geschichtsklitternden [2][Interviews | |
vorzugsweise dem Neuen Deutschland] oder der jungen Welt gab, behauptete | |
noch 2017: „Der DDR-Sport war nicht kriminell, sondern vorzüglich | |
aufgebaut. Der Aufbau der sportlichen Gesundheit der Bevölkerung aus den | |
Kindergärten heraus über den Schulsport bis hin zu den | |
Leistungssporteinrichtungen war einmalig.“ Den DDR-Sport als kriminell zu | |
bezeichnen sei „völliger Quatsch“. | |
Von den betagten Damen und Herren der ehemaligen Nomenklatura in | |
Berlin-Lichtenberg bekam er dafür viel Beifall; endlich ist da jemand, der | |
sich seine DDR nicht schlecht reden lässt von Wessis und Defätisten; der | |
standhaft bleibt. Diese zweifelhafte Geradlinigkeit des Systemsportlers | |
Schur – andere würden sagen: seine stupende Halsstarrigkeit – reichte dem | |
Deutschen Olympischen Sportbund und der Deutschen Sporthilfe dann vor | |
einigen Jahren sogar, um ihn für den Einzug in die [3][Hall of Fame des | |
deutschen Sports] zu nominieren. | |
Daraus wurde freilich nichts. Der Widerspruch war zu laut. | |
23 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://no-doping.org/ | |
[2] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1048499.ich-bin-schon-im-gedaechtn… | |
[3] https://www.hall-of-fame-sport.de/ | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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