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# taz.de -- TSV 1860 München vs. Hallescher FC: Ein bisschen Mauerfall
> Eine drittklassige Ost-West-Begegnung am 9. November. Wie unser Autor
> seinen Rückfall in die Kurve von 1860 München erlebt hat.
Bild: Eine Kurve, viele Gestalten: Auch bei 1860 München steht nicht zusammen,…
Der Mauerfall war kein großes Thema in Halle an diesem 9. November. Ein
bisschen vielleicht. Aber auch erst in der zweiten Hälfte des
Drittligaspiels des TSV 1860 München beim Halleschen FC. Und alle haben
auch nicht mitgesungen, als es hieß: „Ossischweine!“ Ein bisschen
inbrünstiger fiel dann die Antwort auf die „Ostdeutschland!“-Gesänge von
der Tribüne der aktiven Fans des Halleschen FC aus: „Süddeutschland!
Süddeutschland!“ Ob der Autor dieser Zeilen in den Gesang eingestimmt hat,
das soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.
Der war wieder mal in der Kurve, so wie seinerzeit in den 80er Jahren,
[1][als die Zeit noch gut war und alt]. Von früher waren noch der Rupert da
und der Robert. Nach dem 1:0 der Münchner in der 39. Minuten lag man sich
in den Armen. In der Kurve kann man es sich ja nicht immer aussuchen, wer
einen herzt. Und so kann es gut sein, dass man die Arme desjenigen um den
Hals geschlungen bekommt, den man die ganze Zeit kritisch beäugt hat.
Der Robert hat gemeint, die Gestalt vor ihm komme ihm bekannt vor. Er
glaubt, er habe sie mal auf dem Marienplatz in München gesehen, als Ordner
einer gottlob recht armseligen Pegida-Kundgebung. Es passt eben doch nicht
alles zusammen, was in der Kurve zusammen steht.
Einer steht sowieso ein wenig abseits. Wenn man ihn anschaut, nickt er
einem freundlich zu, so als würde man sich kennen. Irgendwie ist das ja
auch so. Es ist der Vereinspräsident, der da am Rande des Gästeblocks
steht. Robert Reisinger wird ganz genau wissen, dass sein Erscheinen in der
Kurve eine politische Äußerung darstellt.
## Dem Scheich Paroli bieten
Während der in der Kurve verhasste Investor Hasan Ismaik in München in
einem Hotel Hof hält, in dem man für eine Nacht 600 Euro (ohne Frühstück)
bezahlen muss, steht er zusammen mit wohl 900 angereisten Münchner Fans in
der Fankurve. Dass er „dem Scheich“ Paroli bietet, kommt bei vielen Fans
gut an. Dass auch er es nicht verhindern konnte, dass der kultisch verehrte
[2][Trainer Daniel Bierowka] seinen Job eine Woche zuvor hingeschmissen
hat, eher nicht.
„Der traut sich was!“, sagen die einen, die ihn sehen. Andere gehen hin und
machen ein Selfie mit Reisinger. „Was müssen das für Deppen sein“, sagen
dazu wieder die einen. Die eingefleischten Kurvensänger sind sich eh selbst
genug. Sie halten eine Tapete in die Höhe, auf der steht: „Kein Trainer,
kein Präsident, kein Investor steht über dem Verein! Wir sind der Verein!“
Besonders laut wird es, wenn die Fans gegen Hasan Ismaik ansingen. Sie
wünschen sich „Freiheit für 60!“. Auf einem Doppelhalter hat jemand das
Antlitz von Martin Luther King gepinselt. „I have a dream“, steht da. Er
geht um den Traum, dass Hasan Ismaik 1860 eines Tages verlassen wird.
Robert Reisinger steht irgendwann nicht mehr in der Kurve. Das ist auch
nicht mehr nötig. Es haben ihn ja alle gesehen. Nach dem Spiel redet man
über den Auftritt der Mannschaft. „3:0 hätten sie gewinnen müssen, die
Flaschen“, sagt einer und freut sich dann doch, als er darauf hingewiesen
wird, dass die Löwen doch gewonnen haben. Die Shuttle-Busse, in denen die
Fans aus München nach dem Spiel zum Bahnhof gebracht werden, werden von der
Polizei mit mehreren Wagen und Blaulicht eskortiert.
„So sind sie, die Ossis“, sagt einer und meint das durchaus anerkennend.
„Wenn es nach mir gegangen wäre“, sagt eine Frau, „dann hätte es das mit
der Wiedervereinigung nicht gebraucht, aber mich hat ja keiner gefragt.“
„Mei, Madl“, sagt da einer, „vor 30 Jahren, da warst du doch noch gar nic…
auf der Welt.“ Die Angesprochene scheint nachzudenken. „Das ist gar nicht
mal so falsch“, sagt sie dann.
Weil gebaut wird am Hauptbahnhof in Halle, steht für die Reisenden nur ein
Toilettencontainer zur Verfügung. Der ist zu klein für den Ansturm der
Fans. Ein letzter Grund, noch einmal auf die „Ossischweine“ zu schimpfen.
Dann geht es zurück nach Hause.
10 Nov 2019
## LINKS
[1] /Kolumne-Liebeserklaerung/!5411618
[2] https://www.sueddeutsche.de/sport/tsv-1860-bierofka-ismaik-trainer-1.4670633
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Kolumne Press-Schlag
Mauerfall
Ost-West
TSV 1860 München
30 Jahre friedliche Revolution
TSV 1860 München
FC Bayern München
Fußball
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